Fünf ausgewiesene Kenner der Materie referierten auf Einladung der Klinik Sonnenhof zum Thema «Zwischen Bildschirm und Beziehung».
«Bildschirme sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken», sagte Ender Seba zur Begrüssung. Der Chefarzt des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Zentrums Klinik Sonnenhof in Ganterschwil liess an einer Fachtagung fünf hochkarätige Redner beleuchten, wie sich digitaler Medienkonsum auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirkt.
Unter dem Titel «Zwischen Bildschirm und Beziehung» gab es aber auch Antworten, wie die Geräte bei Prävention und Heilung helfen können.
Massvolle Mediennutzung vorleben
Den Vortragsreigen eröffnete Paul Plener. Er gab seinem Referat die Überschrift «Zwischen Angst und Evidenz». Der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Wien stellte verschiedene Studien vor. Eine Essenz daraus: Wird es mit der Bildschirmzeit von bis zu Dreijährigen übertrieben, leidet die sprachliche und geistige Entwicklung, und in höherem Alter droht eine grössere Wahrscheinlichkeit für Depressionen oder einen Suizid, besonders bei Mädchen.
Doch Plener mahnte: «Studien sind mit Vorsicht zu geniessen, denn wissenschaftliche Belege sind bislang dürftig.» Es liessen sich durchaus widersprüchliche Schlüsse aus den Erhebungen ziehen. Plener betonte: Keine Analyse weist derzeit zweifelsfrei nach, dass Bildschirmzeit das Gehirn verändert. Als Empfehlung an die Eltern gab der Facharzt mit auf den Weg, Kindern mit der eigenen Mediennutzung ein Vorbild zu sein.
Digitale Zeitfresser
Eva Unternährer von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel und Fabio Sticca von der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik gingen dem Zusammenhang zwischen Mediennutzung und kindlicher Entwicklung auf den Grund. Ihr Augenmerk legten sie auf die Auswirkungen bei Kindern bis fünf Jahre.
Sie erklärten, bildschirmbasierte Medien könnten ernste Zeiträuber in sensiblen Phasen der Entwicklung sein: Für körperliche Aktivität oder Zwischenmenschliches, wichtige Lernfelder für Kleinkinder, bleibt weniger Platz. Unternährer und Sticca haben eine Vielzahl an Studien zu den Auswirkungen des Digitalkonsums verglichen und resümieren: Die Erhebungen zeigten überwiegend negative Effekte oder keinen Einfluss, vergleichsweise wenig Studien vermuten positive Effekte.
«Nur über Bildschirmzeit nachzudenken, ist allerdings nicht ausreichend», schoben die beiden nach. Auch was, wann und wo geschaut werde, sei zu hinterfragen.
Schattenseiten Sexting und Cybermobbing
Das dritte Fachreferat hielt Jael Dahinden vom Kinderschutzzentrum St.Gallen. Sie und ihr Team beraten, wenn Kinder Gewalt erlebt haben. Mit ihrem Vortrag «Chancen und Gefahren digitaler Medien» schuf sie einen praxisbezogenen Zugang zu den Themen Cybermobbing und Sexting.
Letzteres bezeichnet das Versenden und Empfangen von sexuellen oder intimen Nachrichten. «Ob Kinder mit Pornografie und Sexting in Berührung kommen, ist nicht die Frage, sondern wann», sagte sie. Ganz wichtig sei Prävention, dem Nachwuchs Grenzen aufzuzeigen und Medienkompetenz zu vermitteln.
Cybermobbing sei eine besonders schlimme Form der Schikane, erklärte sie: «Es gibt keinen Schutzraum, da die digitale Welt bis ins vermeintlich sichere Kinderzimmer reicht.» Da Mobbing Betroffene in den Selbstmord treiben kann, appellierte Dahinden, Hinweise früh ernst zu nehmen.
Das Smartphone als Therapeut
Den Schlusspunkt der Referatsreihe setzte Zora Föhn. Sie beantwortete die Frage, ob man mit dem Smartphone zur psychischen Gesundheit findet. Die Politologin bei Interface Politikstudien hat dazu praxisnahe Forschung betrieben.
Das Potenzial digitaler Tools für die Prävention und zur Förderung psychischer Gesundheit sei bei Weitem noch nicht ausgeschöpft, so Föhn. Positive Ansätze seien auszumachen, doch «digitale Helfer wirken kaum bis moderat». Sie relativiert gleichzeitig, es sei noch wenig erforscht, Aussagen von Studien deshalb begrenzt. Jungen Erwachsenen böten Apps aber einen einfachen und schnellen Zugang zu Hilfe, es fehle allerdings die Qualitätssicherung.
Eine Doppelrolle erfüllte Stand-up-Comedian Isabel Meili. Sie sorgte für die Moderation und Auflockerung zwischen den Vorträgen. In Bezug auf ihre eigene Mediennutzung gestand die Schweizerin und Wahlwienerin: «Ich schaue mega viel Fernsehen.»