Roland Rino Büchel, Sie kochen heute Abend in der Sommerserie der Sendung «Club» auf SRF. Was gibt es Feines?
Borschtsch, das ist das Nationalgericht der Ukraine und Russlands, welches auch in Polen und Rumänien häufig serviert wird. Corina Gredig von der GLP und Fabian Molina von der SP kochen, und ich assistiere… (lacht). Die Aufnahmen wurden vor ein paar Wochen gemacht.
Stand dabei das Kochen oder die Politik im Brennpunkt?
Die Politik. Es ist keine klassische Kochsendung mit Rezepten für die Zuschauer, usw. Ich kann mir vorstellen, dass es eine recht lustige und trotzdem informative Sache wird – auch wenn man im Voraus nie weiss, welche Szenen von den Kameras aufgenommen, von der Regie ausgewählt und wie sie geschnitten werden.
Corina Gredig ist Captain des FC Helvetia, der Frauen-Fussballmannschaft des eidgenössischen Parlaments. Sie selbst leiteten das Marketing verschiedener Junioren-Weltmeisterschaften und anderer Grossanlässe im Sport.
In der Sendung geht es nicht um Fussball, sondern um das Thema «Die Schweiz und die Welt». Neben «Borschtsch» gibt es auch chilenisches «Pebre» und das typisch südafrikanische Dessert «Malva Pudding».
Die Frauennationalmannschaft hat sich an der WM in Australien und Neuseeland achtbar geschlagen. Als es in der K.o.-Phase dann ernst wurde, war sie gegen Spanien chancenlos.
Wenn man Spielerinnen im Team hat, die fussballerisch durchschnittlich sind, sich aber auf den Social Media wie Weltstars aufführen, dann sind interne Spannungen quasi vorprogrammiert. Da bleibt wenig Raum für ganz grosse (positive) Überraschungen auf dem Platz.
Deutschland ist noch früher ausgeschieden als die Schweiz. Tröstlich?
Die Schweiz hat es immerhin ins Achtelfinale geschafft. Mehr lag unter den gegebenen Umständen nicht drin. Die Deutschen Frauen leiden unter dem gleichen Syndrom wie die Mannschaft der Männer.
Woran kranken die Spielerinnen und Spieler des weltweit grössten Sportverbandes Ihrer Ansicht nach?
Sie wollen «Zeichen setzen» und die Welt verbessern; sie verpuffen ihre Energie in Diskussionen über das Design der Armbändeli ihrer Captains und solches Zeugs. Andere Teams konzentrieren sich auf den Sport. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren sowohl die Männer- als auch die Frauenteams Deutschlands an den wichtigen Anlässen bereits in der Vorrunde ausgeschieden sind.
Auch die favorisierten Amerikanerinnen kamen nicht über die Achtelfinals hinaus.
Bei ihnen hat es derzeit ebenfalls zu viele Spielerinnen, die sich um Aussersportliches kümmern. Dabei vernachlässigen sie den Fussball. Sie werden sich wieder fangen.
Weshalb?
Sie waren bei allen acht bisherigen Weltmeisterschaften dabei. Viermal wurden sie Erste und nie schlechter als Dritte. Zudem ist der Clubfussball in den USA recht gut strukturiert, und die Liga zieht genügend Fans an. Da ist Substanz vorhanden.
Zurück in die Schweiz: Bei uns findet in zwei Jahren die Frauen-EM statt. In St.Gallen wird ebenfalls gespielt. Wird unsere Frauennationalmannschaft, auch dank Heimvorteil, vorne mitspielen?
Kaum. Der Unterschied zu Spitzenteams ist zu gross. Ich habe ich den Eindruck, dass einige der medial gehypten Damen ihr persönliches Leistungsvermögen und die Konstellation nicht richtig einschätzen, weder innerhalb des Frauenfussballs noch im Vergleich mit den Männern.
Wie meinen Sie das?
Unsere Frauennati würde gegen jede brauchbare U-16-Juniorenmannschaft eines grösseren Klubs und jede regionale Zweitligamannschaft der Männer hoch verlieren. Wissenschaftliche Auswertungen zeigen, dass im Frauenfussball etwa 1/3 weniger Tempo und Power drin ist als bei den Männern.
Trotzdem: Die Zweitliga Regional ist die sechsthöchste Liga in der Schweiz.
Die Zuschauerzahlen sind in etwa vergleichbar mit denen der Topliga der Frauen. Jene wollen aber gleich gut oder zumindest ähnlich viel verdienen wie die Männer im Profifussball.
Für Sie ist diese Forderung nicht legitim?
Sie ist nicht realistisch. Profifussball ist Business. Dort gibt man aus, was man einnimmt. Sonst muss man auf die Länge den Laden zumachen.
Der Frauenfussball wird immer beliebter.
Wenn ich mir die Zuschauerzahlen in der «AXA Women’s Super League» anschaue, merke ich davon noch wenig.
An der WM in Australien und in Neuseeland werden derzeit alle Zuschauerrekorde gebrochen.
Es hilft, dass Gastgeber Australien noch dabei ist. Wichtig auch: Die FIFA und deren Partner leisten an diesem Turnier eine gute Arbeit. Trotzdem sind die Stadien nur deshalb einigermassen voll, weil die Tickets zu sehr günstigen Preisen an den Mann und an die Frau gebracht werden.
Nun fordert der Fussballchef des «Blick» in einem Siebenpunkteplan, dass Wirtschaft und Politik «jetzt auf den Zug aufspringen müssten».
Wenn die Wirtschaft hier interessante Möglichkeiten sieht, soll sie. Die Politik hingegen «muss» gar nichts. Spitzensport ist keine Angelegenheit des Staates, auch Frauenfussball nicht.
Täuscht der Eindruck, oder mögen Sie den Frauenfussball nicht?
Der Eindruck täuscht. Ich finde es gut, dass Frauen diesen faszinierenden Sport mit Begeisterung ausüben. Aber das Ganze sollte sich organisch entwickeln.
Ist das im Moment nicht der Fall?
Die Medien versuchen, eine Euphorie «herbeizuschreiben». Das ist für die natürliche Entwicklung des Frauenfussballs kontraproduktiv.
Zum Schluss, ebenfalls zum Sport: In einem Jahr finden in Paris die Olympischen Sommerspiele statt. Dort wird schon intensiv gebaut.
Ich bin überrascht, dass Organisationen, welche bei der Fussball-WM «Katar 2022» in Sachen Arbeiterrechte so gründlich hinschauten und monatelang von morgens bis abends kritisierten, jetzt stramm wegschauen.
Weshalb denken Sie, dass es so ist?
Fragen Sie die Betroffenen! Das wohl der Arbeiter scheint sie nicht mehr zu interessieren. Dafür haben die «Korrekten» unter den internationalen Sportpolitikern in letzter Zeit auf allen Kanälen versucht, russischen Athleten die Teilnahme an «Paris 2024» zu verwehren. Da werden Sport und Politik zu stark vermischt.