Text: Stephan Ziegler
Die neusten Zahlen der Linie Trogen-St.Gallen-Appenzell zeigen, dass eine hohe Nachfrage für die Strecke besteht. Im Gespräch erklären die Leiterin Marketing/Kommunikation Erika Egger und der Leiter Betrieb Thomas Halter, was für weitere Neuerungen geplant sind und wie sich die AB auf die Sanierung der Stadtautobahn in St.Gallen vorbereiten.
Erika Egger, Thomas Halter: Wie hat sich der Pendlerverkehr seit der Einführung der Durchmesserlinie von und nach St.Gallen entwickelt?
Egger: Seit Bestehen der durchfahrenden Züge haben wir zweimal während einer Woche die Nachfrage erhoben und die Fahrgäste gefragt, wo sie eingestiegen sind und wohin sie reisen. Das Resultat ist sehr erfreulich: Rund ein Fünftel aller Fahrgäste fährt über den St.Galler Hauptbahnhof hinaus. Für uns zeigt es, dass das Angebot auf der DML sehr gut angenommen wurde. Auch der neue Viertelstundentakt auf dem Abschnitt St.Gallen-Teufen wird positiv aufgenommen.
Ich bin überzeugt, dass die Anzahl Fahrgäste in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird und dank des attraktiven Viertelstundentaktes zu Hauptverkehrszeiten bereits heute ein Umsteigeeffekt beim Pendlerverkehr erreicht wurde. Tatsache ist, dass die Nachfrage zwischen Appenzell und St.Gallen 2019 gegenüber 2018 um knapp 13 % zugenommen hat.
Wie erklären sich die AB die grosse Nachfrage nach der Durchmesserlinie?
Egger: Die DML bietet den Fahrgästen eine schnelle, sichere und bequeme Reise. Zu den Hauptverkehrszeiten gibt es seit Mitte März 2019 den Viertelstundentakt ab Trogen über St.Gallen bis Teufen und umgekehrt. Die Reise von Teufen bis ins Stadtzentrum beispielsweise dauert gerade mal noch 18 Minuten. Da kann das Auto nur schwer mithalten, wenn man weitere Faktoren wie das aktuelle Verkehrsaufkommen mit Staus und die Parkplatzsituation in der Stadt mitberücksichtigt. Auch Appenzell profitiert: Mit den beiden Schnellzugsverbindungen frühmorgens von Appenzell Richtung St.Gallen und frühabends von St.Gallen Richtung Appenzell verringert sich die Fahrzeit für Pendler auf gut 35 Minuten, das macht die Verbindung sehr attraktiv.
Halter: Ein Erfolg sind auch die neuen Zugskompositionen: Dank Niederflur ist die Reise für Familien mit Kinderwagen, aber auch für Menschen mit einer körperlichen Behinderung viel komfortabler. Ein weiterer Vorzug bietet sich mit den Tangozügen auf der Linie Trogen–St.Gallen: Hier gibt es seit Ende 2018 ein 1.-Klasse-Abteil mit einer gratis Appenzeller Zeitung pro Tisch.
Anwohner der Gemeinde Speicher und Trogen klagten, dass die Bremsen der neuen Fahrzeuge sehr laut seien.
Halter: Es sind nicht Bremsgeräusche, die stören, sondern ein Quietschen, das bei der Reibung zwischen Rad und Schiene bei ungünstigen Witterungsverhältnissen entsteht. Wir sind laufend daran, dieses «Kurvenkreischen» zu minimieren, da wir möglichst geräuscharm durch die Siedlungsgebiete fahren wollen. Zunächst wurde versucht, das Kreischen an neuralgischen Stellen durch ein manuelles Konditionieren (Schmieren) der Schienen zu verringern, in dem der Lokführer per Knopfdruck die Abgabe einer Flüssigkeit auf die Schienen auslöst. Dies brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg. Seit August erfolgt die Konditionierung deshalb automatisch. Sie nimmt dabei auf die unterschiedlichen Witterungsverhältnisse Rücksicht.
Egger: Konkret wurden an sechs kritischen Standorten Messsysteme installiert. Sie messen den Lärm der vorbeifahrenden Züge kontinuierlich. Die Messewerte werden von einer zentralen Datenbank erfasst und ausgewertet. Damit lässt sich der Einfluss der äusseren Bedingungen genau erfassen und die Schienenkonditionierung optimieren. Die Geräuschemissionen dürften dadurch deutlich geringer werden. Ganz vermeiden werden sie sich aber nicht lassen.
Hinsichtlich 2021 steht die AB vor grossen Herausforderungen wegen der Sanierung der Stadtautobahn, wo Zusatzverkehr in der St.Galler Innenstadt befürchtet wird.
Halter: Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Kantons St.Gallen arbeitet an dieser schwierigen Thematik. Bereits heute fährt der ganze Verkehr durch die Innenstadt, wenn die Stadtautobahn blockiert ist. Für uns ergeben sich Herausforderungen im Bereich Marktplatz/Schibenertor, wo wir infolge Mehrverkehr zu viel Zeit brauchen. Hier sind Massnahmen in der Planung, damit der Fahrplan eingehalten und die Anschlüsse gesichert werden können.
Was für Projekte stehen für die AB in nächster Zukunft an?
Egger: In Zusammenhang mit der Fertigstellung der Durchmesserlinie gibt es aktuell zwei spannende Projekte. Es sind dies die Streckenbegradigung beim Güterbahnhof St.Gallen sowie die neue Haltestelle Güterbahnhof. Deren Inbetriebnahme ist auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2021 geplant. Hier profitieren Kundinnen und Kunden von der Erschliessung der Quartiere mit der Bahn, quasi ein St.Galler Tram. Die Stadt St.Gallen plant eine Passarelle über die Geleise der SBB, damit Bewohnerinnen und Bewohner des St.-Otmar-Quartiers direkt zur neuen Haltestelle gelangen.
Halter: Das zweite grosse Projekt ist ein neues, modernes Servicezentrum in Appenzell für die Instandhaltung der neuen Niederflurfahrzeuge Tango und Walzer und für diverse Dienste der Infrastruktur. Es ersetzt die heutigen Standorte Gais und Herisau und bietet moderne Arbeitsplätze. Mitte August wird das Projekt dem Bundesamt für Verkehr eingereicht. Der Baustart ist auf Herbst 2021 geplant; die Bauzeit wird zwei Jahre dauern. Daneben gilt es, alle Bahnhöfe behindertengerecht umzubauen.