Befördert wurde diese Euphorie durch einen Umstand, der bis heute gilt: Durch die Heirat von Medien und Industrie wurde die Entwicklung und Vermarktung gefördert. Schon früh entdecken Industrielle die Marktchancen für die Herstellung dieser Geräte und Sponsoren sorgten für die Durchführung von Strassenrennen. Auf diese Weise sollte das Fahrrad Bekanntheit erlangen und die Zielgruppe erweitert werden.
Mindestens ebenso an diesem Boom interessiert waren die Zeitungen, die eifrig über das Fahrgerät und die Rennen berichteten. Sie witterten die Faszination, die von diesen Rennen ausging und erhofften sich neue Leser. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl Zeitschriften gegründet, die sich eigens dem Thema Fahrrad widmeten. Im Jahr 1868/69 gab es in Frankreich bereits zwei Illustrierten mit dem Namen «Le Vélocipède», im April 1869 erschien die erste Ausgabe von «Vélocipède Illustré».
Sowohl die Hersteller wie die Redakteure waren am Spektakulären interessiert. So förderten sie den ersten eigentlichen Superstar im Radsport. Der Brite James Moore hatte bereits das erste Strassenrennen in Paris gewonnen und dominierte in den Folgejahren die in verschiedenen französischen Städten veranstalteten Radrennen. Im Jahr 1873 erzielte er den bis dahin neuen Stundenweltrekord von 14,5 Meilen (oder 23,3 Kilometer) im englischen Wolverhampton. In seinem Heimatort Bury St Edmund wurde im März 2019 ein Denkmal zu seiner Erinnerung enthüllt.
Neben den sportlichen Helden standen die Abenteurer.
Ein Beispiel: Im April 1884 startete der 29-jährige Amerikaner Thomas Stevens (1854–1935) eine Hochrad-Velotour rund um den Globus. Seine Reise begann in San Francisco und führte ihn über Boston und New York quer durch Europa bis nach Asien. Im japanischen Yokohama erklärte er sein Vorhaben für erfolgreich abgeschlossen.
Seine Anstrengung machte Furore und er berichtete in regelmässigen Zeitungsserien über seine Erlebnisse. Wie ein Held in den Abenteuerbüchern Karl Mays schildert er Begegnungen mit Bären, Pumas und Schlangen, beschreibt sein Zusammentreffen mit einer Räuberbande in Kurdistan, erzählt von einem Angriff in Persien und von seiner knappen Genesung einer tödlichen Krankheit, mit der er sich in China infiziert hatte.
Diese Episoden schildern nicht nur die Abenteuerlust Stevens, sondern verweisen nochmals auf die enge Verzahnung zwischen Sport, Medien und Industrie. Stevens verkaufte nicht nur seine Berichte an die Zeitschrift «Outing», um seine nächsten Reisen zu finanzieren, sondern er wurde auch vom Verleger der Zeitschrift als Korrespondent angestellt. Der Verleger war indes seinerseits tief im Geschäft der aufkommenden amerikanischen Fahrradindustrie involviert.(1)
(1) Schröder, Ralf, Radsport, S. 13.; heute übrigens wieder extrem populär unter dem Label «Gravel-Trend».