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St. Gallen
28.02.2024

Ausgelagerte Gemeindeaufgaben: «Wie werden die Aufsicht und Governance gewahrt?»

Die Bürgerinnen und Bürger üben ihr Mitbestimmungsrecht und eine gewisse Kontrolle aus, indem sie an den Versammlungen der jeweiligen Körperschaft teilnehmen.
Die Bürgerinnen und Bürger üben ihr Mitbestimmungsrecht und eine gewisse Kontrolle aus, indem sie an den Versammlungen der jeweiligen Körperschaft teilnehmen. Bild: Christian Imhof
In einer einfachen Anfrage wollen die beiden Mitte-Kantonsräte Adrian Gmür, Bütschwil-Ganterschwil und Hansruedi Thoma, Kirchberg von der St. Galler Regierung wissen, wie die Aufsicht Governance bei ausgelagerten Gemeindeaufgaben gewahrt sei.

«Die Gemeinden erfüllen alle Aufgaben, die ihnen Bund und Kanton per Gesetz übertragen, zum Beispiel im Bereich des Bauwesens (Raum- und Zonenplanung, Bewilligung von Baugesuchen etc.), der Energie- und Wasserversorgung, der Abfallentsorgung, der Feuerwehr, der Volksschule, der Sozialhilfe, im Bereich von Sport und Kultur, oder im Vollzug des Asylrechts. All diese Aufgaben können sie selbst erfüllen oder in örtliche Korporationen oder öffentlich-rechtliche Unternehmen auslagern, etwa in die klassische Dorfkorporation oder in Aktiengesellschaften. Sinnvollerweise schliessen sich die Gemeinden zur Erfüllung regionaler Aufgaben zusammen und bilden Zweckverbände.

Kontrolle ist eingeschränkt

Die Bürgerinnen und Bürger üben ihr Mitbestimmungsrecht und eine gewisse Kontrolle aus, indem sie an den Versammlungen der jeweiligen Körperschaft teilnehmen, z.B. an der Gemeinde- oder Korporationsversammlung. Lagert die Gemeinde die ihr obliegenden Aufgaben aber z.B. an eine Aktiengesellschaft aus, ist die Kontrolle und Aufsicht der Bürgerschaft weitgehend eingeschränkt. Auch beträchtliches Vermögen wird in öffentlich-rechtliche Unternehmen ausgelagert, welches von diesem Unternehmen selbst verwaltet wird; die Gemeinde ist lediglich noch Aktionärin.

Bürgerschaft kann nicht mehr teilnehmen

An den jeweiligen Versammlungen nehmen nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger teil, sondern Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindeverwaltung oder des Gemeinderates. Ebenfalls nehmen in den Führungsgremien (z.B. Verwaltungsrat) dieselben Vertretenden Einsitz, häufig in der Person des Gemeindepräsidenten oder der -präsidentin. Eine wirksame Kontrolle und Aufsicht ist damit in Frage gestellt, da sich die Kontrollierten selber kontrollieren, und sich auch selber in die jeweiligen Führungsgremien wählen.

Private Unternehmen werden konkurrenziert

Hinzu kommt, dass selbständige öffentlich-rechtliche Unternehmen sog. eigenwirtschaftlich geführt werden, d.h. sie finanzieren sich über Gebühren, erhalten steuerfinanzierte Entschädigungen der Trägergemeinde(n) sowie über Entgelte von Kunden. Damit besteht die Gefahr, dass private Unternehmen, die in ähnlichen Bereichen tätig sind, durch öffentlich-rechtliche Unternehmen konkurrenziert werden, da das öffentlich-rechtliche Unternehmen weitere Leistungen anbieten kann, die über den ursprünglichen Auftrag hinausgehen, und welche ansonsten von privaten Unternehmen erbracht werden. Dabei kann es auch zu Quersubventionierungen kommen, indem Gebühren aus dem Monopolbereich direkt oder indirekt dazu eingesetzt werden, Leistungen im privaten Bereich günstiger anzubieten.

Darlehen aus Gebührengeldern

Solche Unternehmen erzielen häufig beträchtliche Gewinne, welche allerdings nicht in den allgemeinen Gemeindehaushalt zurückgeführt werden. Dies führte konkret dazu, dass es solchen Unternehmen in der Vergangenheit möglich wurde, zweckfremde Betriebe (wie z.B. ein Restaurant) zu erstellen, oder Darlehen in Millionenhöhe zu gewähren, die sie offensichtlich nicht für den Geschäftsbetrieb benötigen, sondern aus überschüssigen Gebührengeldern angehäuft haben. Die Prinzipien des Gebührenrechts (wie das Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip) dürften in solchen Fällen kaum mehr eingehalten sein.

Fragen an die Regierung

Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Sieht die Regierung vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen eine grundsätzliche Problematik bzw. einen Handlungsbedarf, und wenn ja in welchen Bereichen?
  2. Wie beurteilt die Regierung die Situation unter dem Aspekt der Public Corporate Governance, dass der Verwaltungsrat durch Vertretende der Eignergemeinde besetzt wird?
  3. Wer ist zuständig für die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit von ausgelagerten Unternehmen?
  4. Existieren im Kanton St. Gallen Vorgaben oder zumindest ein Leitfaden hinsichtlich der rechtskonformen Führung ausgelagerter Organisationen, insbesondere hinsichtlich der Buchführung?
  5. Wie ist sichergestellt, dass die Prinzipien des Gebührenrechts bei Gebühren, welche von ausgelagerten Organisationen erhoben werden, eingehalten werden?»
Gmür/Thoma