Walther rennt mit einem abgeschnittenen Haarzopf in der Hand in die Stube und hält ihn wie eine Trophäe in die Höhe. Er lacht. Seine Schwester und die Eltern sind entsetzt. Für den gewalttätigen Vater ist dies der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, denn Gemeinheiten und Zerstörungswut stehen beim Sohn seit jeher an der Tagesordnung. Der Siebenjährige kommt in ein Heim für «Schwererziehbare». Hier erlebt er viele Grausamkeiten, da die Heimleitung überzeugt ist, dass Schwererziehbarkeit von lascher Erziehung kommt und nur durch harte Disziplin behandelt werden kann. Die Eltern dürfen den Sohn nicht besuchen, und auch Walther darf nicht nach Hause. Er haut regelmässig ab, doch immer wieder wird er vom Vater ins Heim zurückgebracht.
Die Jahre vergehen
Die Jahre vergehen und Walther freundet sich mit dem Neuankömmling Jean an. Obwohl Walther um einiges älter ist als er, verstehen sich die beiden sehr gut. Für den Heimleiter scheint Walther ruhiger geworden zu sein, und er verlegt ihn auf einen Bauernhof. Hier soll er schuften – in der Hoffnung, dass durch körperliche Arbeit die Wutausbrüche noch weniger werden. Jean ist traurig, dass sein Freund nicht mehr im Heim ist, und schreibt ihm regelmässig Briefe. Eines Tages besucht er ihn auf dem Bauernhof und sie gehen im Wald spazieren. Was danach geschieht, hat fatale Folgen für Walthers weiteres Leben.
Von Zeitungsartikel inspiriert
Das diesjährige Musical der PHSG «Das grausame Leben des Walther K.» basiert auf einer wahren Geschichte, die in der «Neuen Zürcher Zeitung» unter dem Titel «Walter S. – vom Mörder zum Opfer» erschienen ist. Björn Reifler, Dozent an der PHSG, Regisseur und Co-Leiter der Fachstelle Theater, hat sich von diesem Zeitungsartikel inspirieren lassen und ein eigenes Drehbuch über das tragische Schicksal von Walther geschrieben. Ein Stück, das aufwühlt und ein beklemmendes Gefühl hinterlässt und zum Nachdenken anregt.
Musicallieder
Die Lieder stammen zum einen aus Musicals wie «Hair», «Jesus Christ Superstar», «Beauty and the beast» oder «Les Misérables», zum anderen sind auch bekannte Schweizer Volkslieder wie «De plogeti Hansli», «Stets in Truure» oder «s’Vreneli abem Guggisberg» zu hören. Die Musik wurde speziell für dieses Projekt arrangiert. Die musikalische Leitung haben die Dozentinnen der PHSG Stéphanie Oertli und Susanne Bolt. Stéphanie Oertli ist im Musical verantwortlich für den Gesang, Susanne Bolt leitet die eigens dafür zusammengestellte Band.
Anspruchsvolle Rollen
52 Studierende, mehrheitlich der Kindergarten- und Primarstufe, machen in diesem Jahr beim PHSG-Musical mit. 40 von ihnen stehen auf der Bühne, 10 spielen in der Band und zwei verantworten die Regie- sowie Produktionsassistenz und die Lichttechnik. Die Tontechnik wird vom Dozenten Athanasios Hatzigeorgiou und seinem Sohn geführt. Die Studierenden haben in den vergangenen Wochen viele Stunden in ihre Rollen investiert: Es wurden Texte auswendig gelernt, Choreografien einstudiert und Musikstücke geprobt – und das vorwiegend in der Freizeit, da Musical und Theater Freifächer an der PHSG sind. «Die Stimmung im Team ist super», sagt Alina Diaz, eine der Darsteller:innen. Sie freue sich nun, das Stück vor Publikum aufführen zu dürfen. Die Studentin verkörpert den siebenjährigen Walther. Seine Zerstörungswut zu spielen, sei besonders anspruchsvoll, sagt sie. Simon Hotz macht zum dritten Mal am PHSG-Musical mit. Er stellt den boshaften Heimleiter dar. «Ich schlüpfe gerne in andere Rollen», sagt der Student und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Jemanden zu spielen, der massiv Dreck am Stecken hat, macht besonders Spass.»