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14.05.2024

Die Fifa vor dem Abgang aus Zürich?

Fühlt sich in Zürich nicht mehr wohl: Fifa-Präsident Gianni Infantino.
Fühlt sich in Zürich nicht mehr wohl: Fifa-Präsident Gianni Infantino. Bild: zVg
Eine 92-jährige Geschichte könnte bald zu Ende gehen. Am Fifa-Kongress in Bangkok wird am Freitag über den Abgang des Fussball-Weltverbands aus Zürich diskutiert.

Am Freitag findet in der thailändischen Hauptstadt Bangkok der 74. Kongress des Fussball-Weltverbands Fifa statt. Die Sitzung im Queen Sirikit National Convention Center beginnt am 17. Mai um 9.00 Uhr Lokalzeit.

Dies ist weder neu noch weiter bemerkenswert. Dass sich grosse Sportverbände in der Wahl ihrer Kongressorte an den Ferienkatalogen der westlichen Zivilisation orientieren, gehört zum Geschäft.

Der ominöse Punkt 9

Auch die Traktandenliste liest sich nicht weiter spektakulär – zumindest nicht auf den ersten Blick. Doch Punkt 9 hat es in sich. Dort heisst es zwar unverbindlich: «Abstimmung über die Vorschläge zur Änderung der Fifa-Statuten, der Verordnung über die Anwendung der Statuten und der Geschäftsordnung des Kongresses».

Plan von höchster Brisanz

Hinter diesen wohlformulierten «Beamten-Sätzen» steckt aber ein Plan von höchster Brisanz. Gemäss bestens unterrichteten Quellen aus dem Innern des Weltverbands ist die angestrebte Statutenänderung Teil einer Revolution - dem Abzug des Hauptsitzes aus Zürich – nach 92 Jahren.

Schleichender Abgang

Es wäre der Abschluss eines Prozesses, der mit der Amtsübernahme von Gianni Infantino vor rund acht Jahren begonnen hatte. Vor drei Jahren bezog die Fifa Büroräumlichkeiten im Herzen von Paris - auf einer Fläche von 6000 m2 im «Hôtel de la Marine» am Place de la Concorde.

Nicht alle sind begeistert

Mehrere Dutzend Mitarbeiter wurden aus Zürich nach Paris abkommandiert. Nicht alle gingen mit Begeisterung. Beim Umzug spielten die Verbindungen zwischen Frankreich und dem WM-Veranstalter Katar eine wichtige Rolle. Denn es ist kaum ein Zufall, dass das Hôtel de la Marine im katarischen Besitz ist und dort die königliche Kunstsammlung aus Katar zu sehen ist – mit mehr als 6000 Werken und Objekten.

Neue Filiale in Miami

Im vergangenen Herbst dann der nächste Schritt – mit der Ankündigung, dass etwa jeder dritte Arbeitsplatz des Weltfussballverbandes aus Zürich nach Miami verlegt werde. Betroffen vom Stellenumzug war unter anderem die Rechtsabteilung.

In einer Medienmitteilung hiess es damals: «Die Fifa ist ein weltweiter Dachverband, und einige Abteilungen wurden über den geplanten Umzug in ein neues, ständiges Büro in Miami informiert Dies steht im Einklang mit der globalen Vision einer Organisation, die 211 Mitgliedsverbände hat».

Und nun steht die Fortsetzung bevor – mit dem sich abzeichnenden Ende einer langen Tradition. Seit 1932 residierte die Fifa in Zürich. Im Zuge einer geplanten Reorganisation hatte das Exekutivkomitee am 20. Fifa-Kongress in Berlin 1931 den Antrag gestellt, dass ein erster ständiger Unternehmensstandort für den Verband eingerichtet werden sollte. Die Wahl fiel mit 14 zu 11 Stimmen auf Zürich vor Paris.

Nach diversen Standortwechseln innerhalb der Stadt konnte im Mai 2006 schliesslich der neue Hauptsitz an der Fifa-­Strasse 20 auf dem Zürichberg bezogen werden.

Eine Zürcher Touristenattraktion

Seither ist das 134 Meter lange, 41 Meter breite und 12 Meter hohe Gebäude der Schweizer Architektin Tilla Theus nicht nur Arbeitsplatz für rund 600 Fifa-Mitarbeiter, sondern auch Ausflugsziel für viele Touristen und Begegnungszentrum von Fussball-Anhängern aus der ganzen Welt.

Nur einzelne Abteilungen bleiben

Damit könnte es bald vorbei sein. In den bisherigen Räumlichkeiten auf dem Zürichberg und in der Innenstadt beim Fifa-Museum sollen nur einzelne Abteilungen verbleiben. Damit würde eine über neun Jahrzehnte lange Geschichte abrupt zu Ende gehen. Einst war die Fifa nach Zürich gezogen, weil «sie sich in einem politisch neutralen und sicheren Land» niederlassen wollte. Eigentlich hat sich an dieser Ausgangslage nicht viel geändert. Eigentlich.

Thomas Renggli