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Kantone
29.05.2024

Fall Fabienne W: Interpellation eingereicht

Hunderte Protestierende versammelten sich am vergangenen Samstag an der Beckenstube und forderten energetisch ein Ende der behördlichen Missstände.
Hunderte Protestierende versammelten sich am vergangenen Samstag an der Beckenstube und forderten energetisch ein Ende der behördlichen Missstände. Bild: Patrick Baljak, Schaffhausen24
Schaffhauser Kantonsräte haben eine Interpellation eingereicht, welche Antworten im Zusammenhang des Falls Fabienne W. fordert, der in der Rundschau für Schlagzeilen und letzten Samstag für Demonstrationen sorgte.

Die SRF Rundschau-Reportage am vergangenen Mittwoch hat Schaffhausen in ihren Grundmauern erschüttert. Nicht nur der Gewaltexzess, den die Schaffhauserin Fabienne W. über sich erdulden lassen musste, bewegte die Gemüter, sondern auch das Handeln des juristischen Apparates, wurde angeprangert. Das ruft nun die Politik auf den Plan, die mit einer fraktionsübergreifenden Interpellation Antworten auf das Geschehene haben will, da der Fall ein fragwürdiges Licht auf den Umgang der Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden mit sexualisierter Gewalt, insbesondere an Frauen, werfe.

Die Kantonsratsmitglieder Linda De Ventura, Gianluca Looser, Mayowa Alaye, Matthias Freivogel und Maurus Pfalzgraf haben bei der Einreichung der Interpellation einen Fragekatalog erstellt und eingereicht, um diese Thematik so rasch als möglich zu behandeln. Ziel sei, die Interpellation bereits schon an der nächsten Kantonsratssitzung vom Montag, 3. Juni, behandeln zu können.

Wie die Erstunterzeichnenden in ihrem Schreiben umfassen, sollen folgende Fragen von der Regierung beantwortet werden:

  • Ist der Regierungsrat bereit, in Zusammenarbeit mit der Justiz- oder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrats eine unabhängige externe Untersuchung der Vorkommnisse rund um den vorliegenden Fall in Auftrag zu geben?

  • Ist die Regierung bereit, mit einem externen Audit die Abläufe der Polizei und Staatsanwaltschaft, insbesondere bei geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt gegen Frauen überprüfen zu lassen?

  • Gibt es bei der Verfolgung von sexualisierter Gewalt und Gewalt gegen Frauen bei Polizei und Justiz Handlungsbedarf? Falls ja, wo und wie gedenkt die Regierung diese zu beheben? Falls nein, wie kommt die Regierung zu dieser Einschätzung und was geschieht im Nachgang an diesen erschütternden Fall?

  • Wie werden Mitarbeitende der Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden und Gerichte im Umgang mit Gewaltbetroffenen, insbesondere bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt, geschult und weitergebildet? Wo positionieren sich die Schaffhauser Strafverfolgungsbehörden diesbezüglich im interkantonalen Vergleich?

  • Ist die Regierung bereit, die Einrichtung einer unabhängige Beschwerdestelle betreffend Schaffhauser Polizei zu prüfen?

  • In verschiedenen Kantonen etablierte sich das sogenannte «Berner Modell». Innerhalb dieses Modells werden in Krisenzentren die umfassende medizinische Versorgung und die Spurensicherung ohne Anzeigepflicht sichergestellt. Die Betreuung erfolgt dabei durch weibliche Fachpersonen. Dabei ist eine institutionalisierte Zusammenarbeit von Gynäkologie, Rechtsmedizin, Opferschutz etc. garantiert. Der Ständerat hat im Frühjahr 2023, nach dem Nationalrat, eine entsprechende Forderung ohne Gegenstimme gutgeheissen. Wie positioniert sich der Regierungsrat gegenüber analogen Massnahmen im Kanton Schaffhausen, bzw. sind solche schon in Planung?

  • Was wird der Regierungsrat unternehmen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Staatsanwaltschaft und Polizei wieder vollumfänglich herzustellen?

  • Der Kanton Schaffhausen hat sich mit dem kantonalen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention einem weitreichenden Massnahmenkatalog verpflichtet. Wo befindet sich der Kanton in der Umsetzung dieser Massnahmen und wie stellt die Regierung sicher, dass die Massnahmen wie angekündigt bis 2026 umgesetzt werden?

  • Im Bericht der Rundschau vom 22. Mai nimmt die Schaffhauser Staatsanwaltschaft gegenüber den Vorwürfen schriftlich Stellung. In den darauffolgenden Tagen äusserte sich auch die zuständige Polizeidirektorin. Welche internen Abklärungen, Prüfungen und Untersuchungen fanden zum Zeitpunkt der Stellungnahmen statt?

  • Nach Art. 74 der Strafprozessordnung kann die Staatsanwaltschaft und mit deren Einverständnis auch die Polizei die Öffentlichkeit über hängige Verfahren orientieren. Die Kantonsratsmitglieder bitten die zuständigen Behörden um Stellungnahme bezüglich:

    - Dem Vorwurf, dass das forensische Institut Schmerzen zwischen den Beinen des Opfers nicht untersucht habe, obwohl die geschädigte Person solche in ihrer Aussage beklagte.

    - Dem Vorwurf, dass bei den Hausdurchsuchungen in besagtem Fall nicht nach weiteren Speichermedien gesucht wurde.

    - Dem Vorwurf, dass eine Hausdurchsuchung mit dem Auftrag Mobiltelefone sicherzustellen erst 1 Jahr nach der mutmasslichen Tat stattfand.

    - Der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft eine Forderung der Anwältin des Opfers nach Sicherstellung des Videomaterials der ganzen Nacht abgelehnt hat.

    - Der Aufnahme eines Polizisten, in der er während einer Hausdurchsuchung die Aufnahmen der Überwachungskamera auf einem Handy des Anwalts abfilmt und die Gewalt folgendermassen kommentiert: «Das ist aber auch nicht ohne, dieses ganze Spiel.»

    - Dem Umstand, dass trotz Videobeweisen bis heute keine Anklage erhoben wurde?

    - Wurde im Zusammenhang mit diesem Fall Untersuchungshaft angeordnet, wenn ja, für wie viele Personen?

 

Ronny Bien, Schaffhausen24