Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Kultur
04.06.2024

Eine Orgel für Kinder

Esther Hobi-Schwarb (links), Leiterin der Region Linth von der Diözesanen Kirchenmusikschule, und Organistin und Orgellehrerin Diana Pál (rechts)
Esther Hobi-Schwarb (links), Leiterin der Region Linth von der Diözesanen Kirchenmusikschule, und Organistin und Orgellehrerin Diana Pál (rechts) Bild: Roger Fuchs
Kleine Kinderhände und -füsse auf den Tasten und Pedalen wuchtiger Orgeln wirken optisch sehr kontrastreich. In der katholischen Kirche Maria Himmelfahrt in Jona macht es ein spezieller Pedalaufsatz möglich, dass Kinder ab der 2. Primarklasse fortan das Fusspedal bedienen können. Die neunjährige Nina aus Rapperswil hat es ausprobiert.

Das Strahlen lässt nicht lange auf sich warten: Die aus Ungarn stammende Organistin Diana Pál sitzt neben Nina aus Rapperswil, neun Jahre alt. Noch komplett ohne Kenntnisse darf das Mädchen mit ihren Fingern erste Tonfolgen nachspielen. Dann zeigt die Orgellehrerin nach unten: «Jetzt mit dem Fuss fest drücken.»

Speziell entwickeltes Kinderpedal

Normalerweise hätte Nina angesichts ihrer Körpergrösse keine Chance, die Pedalklaviatur zu treffen. Ein speziell entwickeltes Kinderpedal mit Aufsteck-Elementen macht es hingegen möglich, dass ganz schnell ein tiefer Ton die Kirche durchdringt. Ninas Augen schauen fast ungläubig und mit einem Lächeln zur Lehrerin.

«In diesem Frühjahr haben wir den Orgelunterricht für Kinder lanciert und erstmals im Rahmen der Fächerpräsentation der Musikschule Rapperswil Jona vorstellen dürfen», sagt Esther Hobi-Schwarb. Sie ist Leiterin der Region Linth von der Diözesanen Kirchenmusikschule (dkms), einer Institution des Katholischen Konfessionsteils St.Gallen.

Esther Hobi-Schwarb zeigt sich überzeugt, dass jedes Kind, das Freude an der Musik, Kreativität und an verschiedenen Klängen hat, das Orgelspiel lernen kann. «Natürlich braucht es ein wenig Durchhaltewillen und Disziplin, aber es ist möglich.»

Für jedes Fusspedal an der Orgel in der katholischen Kirche Maria Himmelfahrt in Jona gibt es einen Aufsatz, sodass auch Kinder spielen können. Bild: Roger Fuchs

Faszinierendes Instrument

Wie fasziniert junge Menschen von Orgeln sind, zeigt sich regelmässig bei Orgelvorstellungen. Diese Faszination kommt nicht von ungefähr: Im Gegensatz zur früheren Volkskirche, als die Familien noch häufig Gottesdienste besuchten, wüssten heute viele Kinder nicht mehr genau, was eine Orgel sei und wie diese töne, sagt die Kirchenmusikerin.

Entsprechend interessant sei es für viele, dies einmal aus nächster Nähe zu erleben. Ein klein wenig sei die Kirche auch selbst schuld an dieser Ausgangslage, würden doch häufig bei Familiengottesdiensten E-Pianos eingesetzt.

Sehen, hören und spielen – dank Kinderpedal

In der katholischen Kirche von Jona sollen Kinder die Orgel künftig nicht nur sehen und hören, sondern auch spielen lernen können. Dazu liess man bei der Späth Orgelbau AG das massgeschneiderte Kinderpedal anfertigen. Dieses besteht aus einzelnen Aufsteck-Elementen.

Das flexible System ermöglicht es gemäss Esther Hobi-Schwarb, die Elemente auch nur auf einzelne Pedale zu setzen. «Das macht es den Kindern einfacher, sich zu orientieren.» Die Elemente selbst sind aus Flugzeugsperrholz gefertigt und lassen sich mit Magneten auf die Pedalklaviatur aufsetzen.

Die neunjährige Nina aus Rapperswil wagt sich zum ersten Mal an das grosse Instrument heran. Bild: Roger Fuchs

Erstes Kinderpedal im Kanton St.Gallen

Ganz neu ist die Idee eines Kinderpedals nicht: Als erstes Instrument wurde 2014 die Orgel der reformierten Kirche Dübendorf mit einem Kinder-Pedal ausgerüstet. Weitere Orgeln sind seither dazugekommen, jedoch noch keine einzige im Kanton St.Gallen. «Wir sind die ersten», freut sich Esther Hobi-Schwarb entsprechend.

Ergänzend hält sie fest, dass Kinder, die das Orgelspiel erlernen wollen, zu Hause keine eigene Orgel brauchen – ein Klavier genügt. Das Spiel mit den Fusspedalen erfolge in einer ersten Phase nur im Unterricht. Bei fortschreitenden Kenntnissen werde man Zeitfenster vereinbaren, in denen die jungen Musiker auf der Orgel in der Kirche üben könnten.

Wie im Flug sind die ersten 30 Minuten für Nina vergangen. Die Orgellehrerin Diana Pál ist voll des Lobes und würde sich freuen, Nina wiederzusehen. Die Drittklässlerin hingegen muss diese einmaligen Eindrücke erst einmal verarbeiten. Ob sie wiederkommt … sie kann es noch nicht sagen.

pd/jos