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Gesundheit
02.07.2024

Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Long COVID?

Fallstudie zeigt vollständige Genesung von Long COVID nach monoklonaler Antikörpertherapie.
Fallstudie zeigt vollständige Genesung von Long COVID nach monoklonaler Antikörpertherapie. Bild: altea
In einer Studie wurde kürzlich über eine drastische und unerwartete Besserung der schweren Symptome von Long COVID bei drei Patienten berichtet, die eine monoklonale Antikörpertherapie mit Casirivimab und Imdevimab erhielten.

Die monoklonale Antikörpertherapie, auch monoklonale Antikörper-Infusionsbehandlung genannt, ist eine neuartige Therapie, die bei Patienten mit akuter COVID-19 klinische Vorteile zeigt. Dies berichtet das Long COVID-Netzwerk altea.

Sind zwei Antikörper die Lösung?

Dabei handle es sich um eine Behandlungsform, bei der Antikörper gezielt gegen bestimmte Moleküle eingesetzt werden, z. B. gegen Oberflächenproteine von einem Virus, das den Körper infiziert hat. Die Kombination aus zwei monoklonalen Antikörpern, Casirivimab und Imdevimab, wurde beispielsweise so konzipiert, dass sie an das Spike-Protein von SARS-CoV-2 bindet.

Wenn diese Antikörper an das Spike-Protein binde, könne das Virus nicht in die Körperzellen eindringen und diese infizieren. Eine Kombination aus zwei Antikörpern werde verwendet, um einer Resistenz gegenüber dem Wirkstoff durch Mutationen vorzubeugen.

Die Behandlung sei derzeit in der Europäischen Union und der Schweiz für die Therapie von bestätigten akuten COVID-19-Erkrankungen bei Erwachsenen und Jugendlichen zugelassen, die keine Sauerstofftherapie oder einen Krankenhausaufenthalt aufgrund von COVID-19 benötigen. Die prophylaktische Anwendung der Antikörperkombination könne bei Menschen, die keine angemessene Immunantwort auf das Virus entwickeln können, in Erwägung gezogen werden, so altea weiter.

Auch für Long COVID Betroffene

Ein kürzlich veröffentlichter Bericht deute darauf hin, dass dieser Antikörpercocktail auch bei der Behandlung von Patienten mit schweren Formen von Long COVID wirksam sein könnte. In dieser Fallstudie sei es bei drei Patienten mit schwerem Long COVID innerhalb einer Woche nach der Behandlung mit Casirivimab und Imdevimab zu einer vollständigen und langfristigen Genesung gekommen. Der Effekt sei unabhängig von Alter, Geschlecht, medizinischem Hintergrund, Krankheitsdauer oder Impfstatus.

Jeder der drei Patienten nahm an einer standardisierten Umfrage teil, in der grundlegende Informationen wie Alter, Geschlecht und medizinischer Hintergrund erfasst wurden. In der Umfrage wurden auch 33 Anzeichen und Symptome im Zusammenhang mit Long COVID bewertet. Der Schweregrad der Symptome wurde auf einer Skala bewertet, die von «Symptom nicht vorhanden» bis zu «starke Beeinträchtigung des täglichen Lebens und der Funktionsfähigkeit» reichte. Die Symptomwerte wurden für vier Zeiträume erfasst: vor COVID-19, während Long COVID, nach COVID-Impfungen und nach der monoklonalen Antikörpertherapie.

Die 3 Patienten erholten sich vollständig

An der Studie nahmen drei zuvor gesunde Personen teil, die nach Genesung von der akuten COVID-19-Erkrankung schwere Symptome entwickelten, darunter chronische Müdigkeit und kognitive Beeinträchtigungen.

Alle drei erhielten Casirivimab plus Imdevimab und erlebten innerhalb weniger Tage nach dieser Therapie eine unerwartete und vollständige Genesung. Bei den Patientinnen seien die Symptome vollständig abgeklungen. Sie seien in ihr normales Leben zurückgekehrt und erfreuten sich seit über zwei Jahren guter Gesundheit.

Bei der ersten Patientin handelte es sich um eine 60-jährige Frau, die vor der SARS-CoV2-Infektion bei guter Gesundheit war und im März 2020 eine akute COVID-19-Infektion durchmachte. Sie hatte vorübergehend Atemprobleme, Husten und Fieber.

Nach der akuten Infektion entwickelte sie ein schweres systemisches Syndrom, starke Müdigkeit, Beschwerden in der Brust, Gelenkschmerzen und Parästhesien (Kribbeln, Brennen in den Gliedmassen und auf der Haut). Ausserdem litt sie unter Gedächtnisschwierigkeiten, Schlafstörungen und Albträumen, gelegentlichem Fieber und kognitiven Problemen wie Schwierigkeiten beim Lesen und bei der Durchführung einfacher Berechnungen.

Ihre Long COVID Symptome hielten auch nach der Impfung gegen COVID-19 an. Im Jahr 2021 habe sie eine Infusion mit Casirivimab plus Imdevimab erhalten, und alle Long COVID Symptome seien innerhalb von vier oder fünf Tagen vollständig verschwunden. Sie erreichte eine vollständige Remission und ist seit zwei Jahren gesund, berichtet altea weiter.

Bei der zweiten Patientin handelte es sich um eine 43-jährige Frau, die abgesehen von einer leicht verminderten Anzahl roter Blutkörperchen (Anämie), gesund war und im Jahr 2021 an COVID-19 erkrankte. Nachdem die akute COVID-19-Infektion abgeklungen war, litt sie unter starker Müdigkeit, starken Muskel- und Gelenkschmerzen, Kurzatmigkeit, Herzklopfen, starkem Schwindel sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

Die Patientin hatte auch starke Kopfschmerzen, sensorische Veränderungen (Geschmack und Geruch) und besonders lebhafte Träume. Ihre Symptome besserten sich nach COVID-19-Impfungen nicht. Nach der Behandlung mit Casirivimab plus Imdevimab seien alle Long COVID Symptome innerhalb von fünf Tagen vollständig verschwunden. Auch nach einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 seien keine neuen Long COVID Symptome mehr aufgetreten.

Bei dem dritten Patienten handelte es sich um einen 63-jährigen Mann, der an Diabetes und Bluthochdruck litt, sich aber vor COVID-19 in einem guten Gesundheitszustand befand. Nach der akuten Phase von COVID-19 entwickelte er starke Müdigkeit, Belastungsintoleranz und starke Muskelschmerzen. Ausserdem litt er unter starkem Schwindel und erheblichen Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen. Innerhalb einer Woche nach der Therapie mit Casirivimab plus Imdevimab hätten sich seine Long COVID Symptome deutlich gebessertund blieben 24 Monate lang aus.

Die Autoren der Studie hoben hervor, dass Familienangehörige dieser drei Patienten die plötzliche und vollständige Besserung bestätigten, was angesichts der Schwere und langen Dauer ihrer Symptome überraschend gewesen sei.

Mechanismus hinter den Heilungen

Der Heilungseffekt von Casirivimab und Imdevimab gelte möglicherweise nur für Long COVID Betroffene, die sich mit frühen Varianten (Vor-Delta) angesteckt hatten, da die Antikörper für diese Varianten entwickelt wurden. Die rezeptorbindende Domäne mutiere schnell, und daher hätten Antikörper, die für frühe Varianten entwickelt wurden, nicht die gleiche Affinität für spätere Varianten.

«Die drei Patientenfälle geben dennoch Hinweise über die Behandlung und das Management anderer chronischer postviraler Erkrankungen, einschliesslich Long COVID aus anderen Varianten», so altea.

Die Autoren schlagen drei Theorien vor, über die die Infusion monoklonaler Antikörper bei diesen Patientinnen zu einer schnellen und vollständigen Genesung führte. Der ersten Theorie zufolge neutralisierten die monoklonalen Antikörper, die im Körper der Patienten vorhandenen persistenten SARS-CoV-2-Partikel; diese Reduzierung der Viruspartikel trug zur Stärkung des Immunsystems und so zur Verbesserung der Immunantwort bei.

Der zweite mögliche Mechanismus basiert darauf, dass die monoklonalen Antikörper Autoantikörper verdrängten, die sich an spezielle Moleküle auf den Zellen der Patienten anlagerten, wodurch diese Autoantikörper aus dem Körper entfernt wurden.

Der dritte Mechanismus besteht darin, dass die monoklonalen Antikörper an Moleküle auf den Immunzellen gebunden sind, was dazu beiträgt, verbliebene Viruspartikel oder mit dem Virus infizierte Zellen zu beseitigen.

Grössere Studien nötig

«Die Ergebnisse aus dieser Fallstudie erscheinen zwar sehr vielversprechend, aber man darf nicht vergessen, dass sie nur für drei Personen berichtet wurden», schreibt altea abschliessend. Um herauszufinden, ob ein ähnlicher Nutzen bei einer breiteren Gruppe von Long COVID Betroffenen erzielt werden kann, seien weitere, grössere Studien erforderlich.

Das altea Long COVID Netzwerk wurde 2021 von LUNGE ZÜRICH gegründet. Der Verein bietet Informationen zum Thema und eine Möglichkeit für Betroffene, aber auch für Ärzte und Therapeuten, sich auszutauschen. Altea wird von einem interdisziplinären Team aus den Bereichen Medizin, Therapie, Kommunikation, Design und Recht betreut. Partner sind u.a. die GDK (Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren), das BAG (Bundesamt für Gesundheit), Vereine, Stiftungen sowie mehrere Krankenkassen. www.altea-network.com

Zürioberland24/bt