Die Einfache Anfrage Cozzio vom 23. Juli 2024 im Wortlaut:
«Das Bildungsdepartement prüft im Rahmen der Totalrevision des Volksschulgesetzes derzeit, ob Art. 4 Abs. 3 (dass der Katholische Konfessionsteil in der Stadt St.Gallen eine Sekundar- und Realschule führen kann («Flade»)) des Volksschulgesetzes (VSG, sGS 213.1) gestrichen werden soll.
Seit 2014 trägt der Kanton nichts mehr zu Finanzierung der Flade bei.
Er stellte damit die Schule vor eine unsichere Zukunft. Nach zähen Verhandlungen haben sich Stadt und Katholischer Konfessionsteil 2019 über eine Finanzierung der Flade geeinigt.
Diese Zusammenarbeit funktioniert seit einigen Jahren. Nun steht zur Debatte, der Flade die Rechtsgrundlage zu entziehen, als öffentlich-rechtliche Schule zu existieren. So könnte sie nur noch als Privatschule weitergeführt werden.
Dass die Stadt St.Gallen 30 Prozent ihrer Oberstufenschüler den Besuch einer Privatschule finanzieren würde, ist unwahrscheinlich.
Die Schule stünde vor dem Aus. Gleichzeitig müsste die Stadt 550 Jugendliche zusätzlich beschulen und Lehrpersonal einstellen. Ob die Stadt die Schulhäuser übernehmen oder neue bauen müsste, steht in den Sternen – so oder so wären hohe Kosten vorprogrammiert.
Gesamthaft besuchen 800 Jugendliche die Flade. Sie ist mit 45 Klassen eine der grössten Oberstufenschulen des Kantons.
Die Flade beschult Jugendliche auf Real- und Sekundarstufe, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit.
Gemäss Art. 109 der Kantonsverfassung des Kantons St.Gallen (KV) ist der katholische Konfessionsteil als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt. Der Konfessionsteil geniesst im Rahmen der Verfassung und des übergeordneten Rechts Autonomie (Art. 110 KV).
Der Konfessionsteil hat sich auf dieser Grundlage eine eigene Verfassung (VKK, sGS 173.5) gegeben (vgl. Art. 111 KV). Gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. d VKK ist der Konfessionsteil Träger der katholischen Kantonssekundarschule (Flade).
Der öffentlich-rechtliche Status der Flade wird somit durch die KV und die VKK begründet.
Art. 4 Abs. 3 VSG unterstreicht den öffentlich-rechtlichen Status der Flade. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gelten alle Schulen, die von einem öffentlichen Gemeinwesen getragen werden, als öffentliche Schulen (BGE 125 I 347 E. 3b).
Der Konfessionsteil ist ein öffentliches Gemeinwesen (mithin eine Schulgemeinde), der eine Schule führt, die Flade, welche somit als öffentliche Schule gilt.
Ich bitte die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
- Wie steht die Regierung zur angedachten Streichung von Art. 4 Abs. 3 VSG?
- Ist die Regierung der Ansicht, dass mit einer Streichung von Art. 4 Abs. 3 VSG die öffentlich-rechtliche Grundlage der Flade wegfallen würde?
- Anerkennt die Regierung, dass der öffentlich-rechtliche Status der Flade auf Verfassungsstufe verankert ist (Art. 109 KV i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. d VKK) und nicht mit einer Gesetzesänderung geändert werden kann?
- Eine Streichung von Art. 4 Abs. 3 VSG würde für die Schulträger in der Stadt St.Gallen eine erhebliche Rechtsunsicherheit bedeuten. Ist die Regierung bereit, an Art. 4 Abs. 3 VSG festzuhalten, um die erfolgreiche Zusammenarbeit der Stadt St.Gallen und des Konfessionsteils nicht zu gefährden?
- Teilt die Regierung die Ansicht, dass die Flade seit ihrer Gründung im Jahr 1809 grosse Verdienste im Bildungsbereich erworben hat und heute einen anerkannten Platz in der st.gallischen Schullandschaft einnimmt?
- Teilt die Regierung die Ansicht, dass eine gesunde Konkurrenz unter verschiedenen Schulen die Qualität der Bildung fördert und dass die Flade dazu einen wichtigen Beitrag leistet?»