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St. Gallen
24.07.2024

«Vom Kanton negiert»

Streitpunkt in der Politik sind einmal mehr die Velofahrer. Oder in diesem Fall die Mountainbiker.
Streitpunkt in der Politik sind einmal mehr die Velofahrer. Oder in diesem Fall die Mountainbiker. Bild: Archiv
«RevierJagd St.Gallen», unter dem Dachverband der St.Galler Jagd, ist sauer. Einer Medienmitteilung zufolge wurde der Verein bei der Erarbeitung einer Mountainbike-Strategie vom Kanton negiert, weshalb man sich jetzt zur Wehr setzt.

In einer Medienmitteilung schreibt «RevierJagd St.Gallen», dass mit der Pacht 144 Jagdgesellschaften im Kanton St.Gallen während acht Jahren die Verantwortung für ihr Jagdrevier übernehmen. Dadurch würden sie, egitimiert durch das eidgenössische Jagdgesetz (JSG) unter anderem die Verpflichtung eingehen, «sich für den Schutz und die Qualität der Wildlebensräume zu engagieren.» Dementsprechend stünden die Jagdgesellschaften bei Projekten, die sich direkt auf den Lebensraum des Wildes auswirken, in der Pflicht, sich aktiv in die Debatte einzubringen.

«Inakzeptable Ausgrenzung der Jagd»

Eigenen Angaben zufolge wird dies beim Kanton anscheinend aber nicht so gesehen, was dem Verein sauer aufstösst. «Denn weder bei der Erarbeitung des Entwurfs zu einer Mountainbike-Strategie, noch im begleitenden Soundingboard war die St.Galler Jagd vertreten.»

Weiter sei es auch absolut inakzeptabel, dass RevierJagd St.Gallen als Dachverband der St.Galler Jäger auch nicht zur Vernehmlassung eingeladen wurde. «Sage und schreibe 74 Organisationen wurden zur Vernehmlassung der kantonalen Mountainbike-Strategie eingeladen, eine jagdliche Organisation aber fehlt. Viel offensichtlicher kann man Ausgrenzung wohl nicht betreiben.»

Dies, obwohl die St.Galler Jagd eigenen Angaben zufolge seit Jahren auf die Missstände durch wildes Biken in den Wäldern aufmerksam macht und auch schon umfassende Projekte realisiert hat. Ihre Forderung daher: «Nicht verhindern, aber kontrollieren und kanalisieren.»

«Vom Kanton negiert»

Die dargestellten 13 Forderungen dokumentieren die Position der St.Galler Jagd im Kontext «Lebensraum versus Störungen durch Mountainbiken». «Es geht uns, wie immer wieder unterstrichen, nicht um ein Verbot des Mountainbikens, sondern um eine kontrollierte und kanalisierte Ausübung dieser sehr beliebten und mit den Elektrobikes noch stärker wachsenden Freizeitbeschäftigung.»

Man würde diese Bedürfnisse anerkennen, will sich gemäss dem eigenen Auftrag aber auch klar dafür einsetzen, dass der Lebensraum der Wildtiere respektiert und wo notwendig umfassend geschützt werde. Dabei werden nebst klaren gesetzlichen Grundlagen und einem konsequenten Vollzug vor allem auf Kooperation, «also ein Miteinander aller relevanten Anspruchsgruppen» gesetzt.

«Dass der St.Galler Jagd hier als Fürsprecherin der Wildtiere eine besondere Stellung zukommt, müsste eigentlich klar sein. Um so unverständlicher ist die Ausgrenzung der Jagd aus dem laufenden Prozess zur Erarbeitung einer St.Galler Mountainbike-Strategie.»

Dennoch werde man als St.Galler Jagd die eigene Verantwortung «ungeachtet unserer Negierung durch den Kanton» ernst nehmen und sich aktiv und breit in die Vernehmlassung zur kantonalen Mountainbike-Strategie einbringen.

Was sind die Forderungen?

  • Relevanz des bestehenden Strassen- und Wegnetzes: Das bestehende Strassen- und Wegnetz ist relevant und massgebend, für die Jagd wie auch alle anderen Nutzer.
  • Beschränkung auf bestehende Wege: Neue MTB-Trails und -Pfade müssen, wo immer möglich und sinnvoll, auf bereits befestigte und nach kantonalem Strassengesetz klassierte Strassen und Wege gelegt werden. MTB-Pfade ausserhalb befestigter Strassen und Pfade sind auf Wanderwege und bereits bestehende, noch zu legalisierende MTB-Pfade/Trails (Baugesuchsverfahren) zu beschränken.
  • Verbot von Nachtfahrten im Wald: Die grössten Störungen im Lebensraum Wald verursachen MTB-Fahrten in der Nacht (starke Scheinwerfer). Für sämtliche MTB-Trails im Wald ist daher ein konsequentes Nachtfahrverbot zu erlassen (eine Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde vor Sonnenaufgang).
  • Vermeidung von Störungen des Jagdbetriebs: Die Störung des Jagdbetriebs (die Jagd hat staatliche Abschussvorgaben zu erfüllen) ist zu vermeiden (analog Waldbewirtschaftung). Während Bewegungsjagden muss die Jagd temporär Bike-Pfade schliessen können, wobei die Sporttreiber auf die befestigten Waldstrassen ausweichen müssen.
  • Schutz sensibler Gebiete: Sensible Gebiete wie Waldrandbereiche, Wildeinstände, Austrittsgebiete oder Waldreservate sowie die im Waldentwicklungsplan (WEP) und in den kommunalen und kantonalen Schutzzonenplänen festgehaltenen Wildvorranggebiete (z.B. «Lebensraum Kerngebiet») müssen von MTB-Pfaden und Trails verschont bleiben.
  • Berücksichtigung von Beitragsverfügungen: Die Erstellung zahlreicher Waldstrassen und -wege im Kanton St.Gallen wurde mit Geldern
    von Bund, Kanton und Gemeinden subventioniert bzw. finanziert. In etlichen Beitragsverfügungen wurden allgemeine Fahrverbote (Zubringerdienst erlaubt) und die Installation von Barrieren zwecks Schonung des Wildlebensraums verfügt. Diese Verfügungen sind auch mit Bezug auf Biker zu vollziehen.
  • Fortbestand temporärer Bikefahrverbote: Bereits bestehende temporäre Bikefahrverbote (z.B. während der Balz- und Brutzeit von Raufusshühnern) müssen im Kanton St.Gallen auch in Zukunft Gültigkeit haben.
  • Auswirkungen auf die Tierwelt: MTB-Trails haben direkte Auswirkungen auf die Tierwelt, indem sie die Ruhezeiten verkürzen (vor allem in der Nacht) und die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen. Zahlreiche Studien (beispielsweise der Universität Bayreuth) zeigen, dass Mountainbiken das Verhalten von Wildtieren signifikant verändert und oft zu einer Verdrängung führt.
  • Verbindliche MTB-Lenkung und Rückbau nicht bewilligter Pfade: Die MTB-Lenkung innerhalb des Projektperimeters (d.h. innerhalb des ganzen Kantons St.Gallen) ist verbindlich. Bestehende, nicht bewilligte MTB-Pfade müssen zurückgebaut werden. Verantwortlichkeiten und ein verbindlicher Zeitrahmen sind festzulegen.
  • Frühzeitige Einbindung der Jagdgesellschaften: Werden neue MTB-Strecken geplant, sind die regional betroffenen St.Galler Jagdgesellschaften
    zwingend und frühzeitig, d.h. bereits vor Einreichung eines Baugesuchs, zur Stellungnahme einzuladen.
  • Keine Toleranz für «wilde» MTB-Pfade: Innerhalb des Projektperimeters (Kanton St.Gallen) sind keine «wilden» MTB-Pfade/Trails mehr zu dulden. Ein verbindlicher Vollzug durch den Kanton (ANJF, Kantonsforstamt, Kantons- und Gemeindepolizei) ist notwendig.
  • Einheitliche Signalisierung von Bike-Fahrverboten: MTB-Fahrverbote – seien diese nun ganzjährig oder auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt – sind im Kanton St.Gallen einheitlich zu signalisieren. Ein verbindlicher Vollzug durch den Kanton (Amt für Natur, Jagd und Fischerei, Kantonsforstamt, Kantons- und Gemeindepolizei) ist ein Muss!
  • Kommunikation und Sensibilisierung: Die Kommunikation gegenüber den Sporttreibern ist durch den Kanton und die Gemeinden sicherzustellen. Das Bewusstsein der Mountainbiker für Naturschutzbelange ist zu stärken und rücksichtsvolles Verhalten in der Natur zu fördern.

 

pd/fam