Zwei Wiler Parteien haben kürzlich erste Pflöcke für den kommenden Wahlkampf eingeschlagen: Unter dem Titel «Wil will wohnen» übergaben einige SP-Mitglieder eine Initiative an die Wiler Stadtschreiberin Janine Rutz. Darin wird der Stadtrat zur Schaffung von mehr günstigem Wohnraum in der Äbtestadt aufgefordert.
Der SVP-Kandidat für das Stadtpräsidium, Stadtparlamentarier Andreas Hüssy, verlangt seinerseits von der Stadtregierung Auskunft über die zusätzlichen Asylbewerber, die in den ehemaligen Personalhäusern der Psychiatrie-Klinik einquartiert werden sollen.
Ab Mitte August mit Volldampf
Nach dem Ende der Sommerferien, ab Mitte August, wird der Wahlkampf in Wil weiter Fahrt aufnehmen. Die Ausgangslage ist einzigartig: Derzeit geht die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Wiler Stadtparlaments Vorwürfen gegen die Vorsteherin des Departements Bau, Umwelt und Verkehr (BUV) nach. Die Partei Grüne Prowil unterstellt Stadträtin Ursula Egli (SVP), sie habe die Leiterin der Stadtplanung gemobbt und diese damit zur Kündigung gedrängt. Je nach Ergebnis der Untersuchung könnte die erneute Kandidatur von Egli mit einem Image-Schaden behaftet sein. Dies würde den Grünen Prowil in die Hände spielen, sie haben sich mit der Nicht-Wiederwahl ihres Stadtrates Daniel Stutz als Vorsteher des BUV schwer getan.
Ablenkungsmanöver
Aus SVP-Kreisen heisst es, die Anschuldigungen gegen ihre Stadträtin sei vor allem erhoben worden, um von den Vorwürfen gegen Stadtpräsident Hans Mäder (Mitte) abzulenken. Dieser hatte 2021 bei der Lancierung einer App, die zur Steigerung der Attraktivität der Stadt beitragen sollte, seine finanziellen Kompetenzen überschritten und das Stadtparlament umgangen. Dem Stadtfonds, der der Belebung der Stadt dient, hatte er auf umstrittene Weise Fr. 75 000 zur Entwicklung der seiner eigenen Firma gehörenden App entnommen.
Ein GPK-Bericht sowie ein juristisches Gutachtenbestätigten bestätigten die Vorwürfe. Ein Glanzresultat darf Mäder daher bei seiner erneuten Wahl kaum erwarten. Diese App-Affäre hat ihn einiges Vertrauen in der Bevölkerung gekostet. 2020 war er mit dem selbstbewussten Slogan «Vertrauet Sie mir – es chunnt guet» angetreten. Ob er wieder auf dieses Wahlkampf-Motto setzt, ist bisher nicht bekannt.
SVP setzt Themen
Im Juni haben zwei Unbekannte Mäder bei der Staatsanwaltschaft wegen ungetreuer Amtsführung, Amtsmissbrauch und Veruntreuung angezeigt. Ein Kandidat in einem laufenden juristischen Verfahren für das Wiler Stadtpräsidium bringt Vorteile für die SVP und ihren Gegenkandidaten Andreas Hüssy. Anmerkung: Die Wiler SVP dementiert, dass sie hinter diesen Anzeigen steckt.
Mit ihren Kernthemen Sicherheit im öffentlichen Raum, restriktive Ausgabenpolitik, Zurückhaltung bei der Bewilligung von neuen Stellen in der Verwaltung sowie Migration wird die SVP mutmasslich im Wahlkampf publikumswirksame Themen bewirtschaften. Sie kann sich als politische Fürsprecherin der Interessen vieler Bürgerinnen und Bürger profilieren und den anderen Parteien Versäumnisse unterstellen.
Veränderte Machtverhältnisse in Wil
Wenn es Hüssy nicht an die Spitze der Wiler Exekutive schafft, könnte ihm immerhin der Einzug in den Stadtrat gelingen. Falls auch Ursula Egli die Wiederwahl schafft, sässen zwei Vertreter der SVP in der Wiler Stadtregierung. Wie sich dies auf das politische Klima in der Stadt auswirkt, bleibt abzuwarten.
Die SVP ist innert rund zwei Jahrzehnten zur wählerstärksten Partei in der Äbtestadt aufgestiegen und hat die ehemals dominierende Mitte (vormalige CVP) abgelöst.
Es wird sich zeigen, auf welche Themen die Mitte setzt um die Wählerinnen und Wähler von der Kompetenz ihrer Kandidierenden zu überzeugen. Immerhin steht die Stadt vor einigen Herausforderungen: Kürzlich griff etwa die Sendung «Rundschau» von SRF die Situation in der Schulanlage Lindenhof auf. Dort sei die soziale Durchmischung zu gering. Damit würden die schulischen Erfolgschancen von Schülerinnen und Schülern reduziert, wurde kritisiert. Über dreissig Prozent der Stadtbewohner sind Zugewanderte. In den letzten Jahren ist die Stadtbevölkerung deutlich erkennbar multikultureller und -ethnischer geworden. Entsprechend wird die Integration zur grossen Herausforderung für die Politik.
Attraktivität erhalten
Wahlkämpfe sind immer auch eine Plattform für die Parteien, um ihre Lösungsvorschläge für anstehende Themen einem breiten Publikum zu präsentieren. Als Wählerin und als Wähler darf man gespannt sein, wie die Wiler Parteien die Stadt für verschiedene Bevölkerungsschichten weiterhin attraktiv halten wollen. Der künftige Stadtrat muss den Spannungsbogen einer Gemeinde mit viel Tradition und gleichzeitiger Förderung der Standortattraktivität bewältigen. Mit anderen Worten: Es gilt nicht nur den Status Quo zu verwalten, es müssen weiterhin auch steuerkräftige Unternehmen und Zuzüger von den Vorteilen Wils überzeugt werden. Die Stadt steht im harten Konkurrenzkampf mit anderen Gemeinden in der Region.
Bisherige und neu Kandidierende
Neugierig darf man auf die Themenschwerpunkte von Cornelia Kunz sein; die Unternehmerin und Bankberaterin steigt für die FDP in den Wettbewerb um einen Sitz im Stadtrat ins Rennen. Für die Mitte geht Andreas Breitenmoser (Departement Versorgung und Energie; anfänglich parteilos, jetzt Mitte) erneut an den Start. Da er wie auch Jigme Shitsetsang (Departement Bildung und Sport; FDP) bisher kaum mit ausgeprägter Kritik bei der Amtsführung konfrontiert wurde, dürfen sich beide gute Wahlchancen ausrechnen.
Für den nicht mehr antretenden Vize-Stadtpräsidenten Dario Sulzer hat die SP seinen Parteikollegen Manuel Nick nominiert. Dem Maschinenbauingenieur werden gute Wahlaussichten nachgesagt.
Die Grünen Prowil wollen ihren bei den letzten Wahlen verlorenen Sitz im Stadtrat mit dem Tierarzt, Juristen und Parteisekretär Sebastian Koller zurückerobern.
Angesichts der breiten Auswahl an Kandidierenden wäre ein zweiter Wahlgang keine grosse Überraschung.