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29.07.2024

«Diese Aussage ist eine Diffamierung auf unterster Stufe»

Der Schmerkner Gemeinderat in der Kritik: Jolanda Couchet, Werner Becker, Gemeindepräsident Félix Brunschwiler, Ratsschreiber Claudio De Cambio, Patrick Züger, Sven Burlet (v.l.).
Der Schmerkner Gemeinderat in der Kritik: Jolanda Couchet, Werner Becker, Gemeindepräsident Félix Brunschwiler, Ratsschreiber Claudio De Cambio, Patrick Züger, Sven Burlet (v.l.). Bild: Politische Gemeinde Schmerikon
In Schmerikon wurde der beliebte Schulleiter und Lehrer Martin Stössel (59) abserviert. Nun nimmt sein langjähriger Berufskollege und Stellvertreter Rolf Müller (65) Stellung. Müller kritisiert Politik und Schuldirektion scharf.

Herr Müller, was geschah in den Wochen vor den Sommerferien an der Schule Schmerikon wirklich?
Nachdem die Zusammenarbeit mit der Schuldirektorin immer schwieriger wurde, informierte Martin Stössel den Vorgesetzten der Schuldirektorin, Gemeinderat Becker, schriftlich über die Vorkommnisse und bat um eine Klärung. Am Dienstagnachmittag, 18. Juni, wurde Martin Stössel zu einer als Perspektivengespräch deklarierten Unterredung eingeladen.

Und was kam dabei heraus?
Zu Martin Stössels Überraschung ging es dabei in keiner Art und Weise um eine Klärung der strittigen Punkte in der Zusammenarbeit – sondern ausschliesslich um die Modalitäten der Trennung von ihm als Schulleiter der Oberstufe. Das erklärt wohl auch, warum bei diesem Gespräch die Schuldirektorin nicht anwesend war – dafür ein Rechtsvertreter der Gemeinde.

Welche Möglichkeiten wurden Herrn Stössel eröffnet?
Ihm wurden vier Varianten vorgelegt, die alle eine Gemeinsamkeit hatten: Sein Anstellungsverhältnis als Schulleiter sollte per 31. Dezember 2024 enden! Als Optionen bot ihm die Gemeinde eine freiwillige Kündigung an, die Kündigung durch die Gemeinde auf Ende 2024, eine Beendigung seiner Tätigkeit als Schulleiter per Ende Jahr mit gleichzeitiger Weiterbeschäftigung als Lehrperson bis zum Ende des Schuljahres – mit einem Pensum von lächerlichen sechs Lektionen pro Woche – und, wohl als Zückerchen gedacht, mit der Möglichkeit der Unterzeichnung einer Trennungsvereinbarung.

Was stand in dieser Trennungsvereinbarung?
Sie umfasste die folgenden Eckpunkte:

- Auflösung des Anstellungsverhältnisses im gegenseitigen Einvernehmen per 31. Juli 2025.

- Weiterarbeit als Schulleiter unter in einem weiteren Papier geregelten Auflagen bis 31. Dezember 2024.

- Verpflichtung zur Einarbeitung seiner Nachfolgerin im Monat Januar 2025.

- Freistellung ab Februar 2025 bis Ende Juli 2025 bei vollem Lohn.

- Daneben enthielt diese Vereinbarung auch detaillierte Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses – wie zum Beispiel den genauen Zeitpunkt der Schlüsselabgabe, den genauen Wortlaut der Informationen, mit denen die Schülerinnen und Schüler, die Eltern und die Öffentlichkeit über sein Ausscheiden aus dem Schuldienst informiert werden sollten.

«Martin Stössel wurde dazu gedrängt, die Trennungsvereinbarung zu unterschreiben.»
Rolf Müller

Wie hätte dies kommuniziert werden sollen?
In der Vereinbarung wurden Herr Stössel die Worte in den Mund gelegt, er habe sich nach 28 Jahren Lehrer- und Schulleitertätigkeit in Schmerikon dazu entschieden, sich persönlich und beruflich neu zu orientieren. Grotesker geht es fast nicht mehr! Um diesen widerlichen Deal zu kaschieren, enthielt die Vereinbarung auch die Verpflichtung zur Verschwiegenheit – und Herr Stössel wurde noch in der gleichen Woche – und seither immer wieder – dazu gedrängt, die Vereinbarung nun doch endlich zu unterschreiben.

Was wird Martin Stössel vorgeworfen?
Das frage ich mich nach wie vor auch. An seiner Arbeit als Schulleiter und Lehrperson kann es unmöglich liegen, das geht auch aus seinem Zwischenzeugnis hervor, das gleichzeitig mit der Trennungsvereinbarung ausgestellt wurde und nicht besser sein könnte. Ins Feld geführt werden «andere Führungsvorstellungen» – aber das Problem ist wohl eher, dass Herr Stössel andere, höhere Erwartungen an die Qualität der Arbeit und den Umgang miteinander hat als die neue Schuldirektorin. Und mit diesen Vorbehalten ist er nicht allein.

Gemeindepräsident Félix Brunschwiler sagt, dass sich die Ansprüche an eine Schule in den letzten 27 Jahren geändert haben. Konnte Martin Stössel damit nicht umgehen?
Die Aussage von Herr Brunschwiler, die Ansprüche hätten sich halt verändert und was vor zwanzig Jahren gut gewesen sei, müsse es heute nicht mehr sein, ist bezüglich Herr Stössel eine Diffamierung auf unterster Stufe. Dass er sich zu einer solchen Aussage hinreissen liess, zeugt allenfalls davon, wie verzweifelt er nun nach Argumenten sucht, um den Entscheid der Schulführung nachträglich zu legitimieren. Im Übrigen wäre es spannend zu erfahren, wie Herr Brunschwiler zu dieser Einschätzung gelangt ist. Er hat sich bisher nie besonders für die Belange der Schule interessiert – und es beispielsweise auch nie für angezeigt erachtet, sich selber mit Martin Stössel an einen Tisch zu setzen.

Wie geht es Martin Stössel heute?
Jetzt geht es ihm relativ gut; er hat sich vom ersten Schock etwas erholt. Aber ich habe auch noch das Bild vom 19. Juni vor mir. Damals sass mir im Büro der Schulleitung ein total geknickter Mann gegenüber. Das hat auch mir innerlich wehgetan – und das war der Moment, als ich mir sagte: So geht das nicht! Was ich alles erfahren habe, seit ich Einblick in die Details habe, und die Art und Weise, wie die Schul- und Gemeindeführung agiert und kommuniziert, hat mich in der Einschätzung bestätigt, dass da etwas ganz gehörig faul ist.

«Martin Stössel wird als Schulleiter und Lehrperson hoch respektiert»
Rolf Müller

Die Eltern haben mit einem Protestbrief reagiert – wie ist das zu werten?
Es zeigt, dass Martin Stössel als Schulleiter und Lehrperson hoch respektiert wird. Die Mitglieder des Teams der Oberstufe schätzen ihn und stehen für ihn ein – das erklärt auch das kollektive Fernbleiben beim Jahresschlussessen. Er war für viele ein Vorbild – und auch die Schülerinnen und Schüler sind voll des Lobes. Umso billiger ist es, dass es Herr Brunschwiler als nötig erachtet hat, in einem Nachsatz zu erwähnen, es seien nicht alle gleich begeistert von seinem Wirken. Als Schulleiter hatte er gelegentlich auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen – und sich damit verständlicherweise nicht nur Freunde gemacht.

Gemäss Gemeindepräsident Félix Brunschwiler steht eine Weiterführung des Engagements von Martin Stössel im Raum. Ist dies realistisch?
Die Absicht der Schulführung ist klar und eindeutig. Eine Weiterführung sieht sie nur bis Ende Jahr – damit man Zeit hat, die Nachfolge zu regeln! Vor diesem Hintergrund wirken die wiederholten Beteuerungen von Herr Brunschwiler, Herr Stössel sei nach wie vor Schulleiter der Oberstufe, reichlich zynisch. Mittlerweile hat die Schulführung mit ihrem Vorgehen so viel Geschirr zerschlagen, dass der Graben wohl schwierig zu kitten ist. Es ist mir ein Rätsel, warum gar nie versucht wurde, die Problematik auf inhaltlicher Ebene anzugehen – und stattdessen versucht wurde, Herrn Stössel klammheimlich und mit hohen Kosten für die Gemeinde abzuservieren Es war der Gemeinderat, der mit dieser Trennungsvereinbarung den Fehdehandschuh geworfen hat.

«Über das Informations- und Kommunikationsverständnis von Herrn Brunschwiler kann ich mich nur wundern. »
Rolf Müller

Wie geht es jetzt weiter?
Da bin ich wohl kaum die richtige Person, um darüber Auskunft geben zu können oder zu entscheiden. Fakt ist, dass die Lehrpersonen der Oberstufe hinter Martin Stössel stehen und sich Gedanken über die eigene Zukunft an der Schule Schmerikon machen, wenn das die Art und Weise ist, wie mit dem Personal umgegangen wird.

Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Über das Informations- und Kommunikationsverständnis von Herrn Brunschwiler kann ich mich nur wundern. Er schätzt es gar nicht, wenn auch andere Sichtweisen als seine eigene publik werden, und nutzt die durch sein Amt gegebenen Möglichkeiten, die Eltern, Lehrpersonen und die Öffentlichkeit mit seiner Version der Vorkommnisse zu bedienen. Dazu gehört auch, dass er den Angestellten der Gemeinde einen Maulkorb erteilt und veranlasst hat, meine private Mailadresse auf eine Blacklist der Gemeinde zu setzen, weil ich sie bei meinem Ausscheiden aus dem Schuldienst von meinem privaten Mail aus angeschrieben habe. Darum bin ich froh, wenn ich in den Medien Gehör finde. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit von diesen Vorgängen erfährt, weil Herr Brunschwiler und die Schulführung offensichtlich nicht gewillt sind, transparent zu informieren.

Thomas Renggli