Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Wirtschaft
07.09.2024

Wirtschaftlichkeit als höchstes Gebot

Roland Gutjahr
Roland Gutjahr Bild: leaderdigital.ch
Unternehmer Roland Gutjahr hat das Stadion des FC St.Gallen 1879 mitgebaut und ist heute einer der Aktionäre der FC St.Gallen Event AG.

Im Gespräch mit Natal Schnetzer und Philipp Landmark erläutert der Thurgauer die Gemeinsamkeiten eines Fussballklubs mit Unternehmen.

Roland Gutjahr, haben Sie eine Ahnung vom Fussballgeschäft?
Ich dachte immer, dieses Fussballgeschäft sei sehr komplex und geheimnisvoll. Doch geheimnisvoll ist es höchstens, wenn man nur auf das Geschehen auf dem Platz schaut und nicht auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte. Sonst würde man merken, dass es hier eigentlich gleich läuft wie in der Wirtschaft.

Von Wirtschaft haben Sie definitiv eine Ahnung.
Ich würde mich als einen industriellen Handwerker bezeichnen. Aber es ist wohl so, dass wir als Unternehmerfamilie wie viele Tausende andere auch in den vergangenen Jahrzehnten dank harter Arbeit, Schweiss und Tränen einiges richtig gemacht haben. Hier im FC St.Gallen betrachte ich die Dinge ganz klar aus der Perspektive eines Unternehmers.

Welche Erkenntnis bringt diese Perspektive?
Ich habe die Eignerstrategien von einigen herausragenden Klubs wie Manchester United, Bayern München, Juventus Turin oder Ajax Amsterdam studiert. Diese Klubs florieren,  weil sie wirtschaftlich wie sportlich erfolgreich sind. Das ist in der Wirtschaft genau gleich: Wenn eine Firma wirtschaftlich nicht funktioniert, dann kann sie noch so gut sein, höchstes Know-how haben und beste Qualität produzieren – ohne Geld ist der Ofen aus. In Schönheit sterben ist keine gute Idee in der Wirtschaft, und es darf auch kein Konzept für einen Fussballklub sein.

Beste Qualität zu produzieren, ist kein Erfolgsrezept?
Nur wenn auch die Rechnung aufgeht. Ich habe schon öfter Firmen für etwas bewundert, das sie spitzenmässig machen – und eines Tages gab es sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr. Ich wüsste durchaus, wie wir unsere Firma wirklich perfekt aufs Letzte organisieren könnten. Nur gäbe es uns dann vermutlich nicht mehr, weil diese Kosten meist nicht erwirtschaftet werden können. Es ist die Kunst, einen guten Mix zu finden. Sonst wäre ja jeder Theoretiker auch ein gewiefter Unternehmer.

Im Fussball gelten oft andere Gesetzmässigkeiten.
Noch gibt es Klubs, in denen der Präsident Geld einschiesst und seine Fantasien finanziert. Das sind oft Leute, die einen Kult um sich machen, die über ihr Geld Macht ausüben wollen. Wenn einer Geld bringt, dann will er meistens auch bestimmen. Das kommt vielfach verkehrt raus. Bei uns kann das nicht passieren, weil wir keine solche Figur haben: Wir sind eine Reihe von gleichgestellten Eignern ohne spezifische Interessen, mit Aktienpaketen in ähnlichen Grössenordnungen. Wir alle sehen eine gute sportliche und eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung im Zentrum. Wenn man sich die Posse in Luzern anschaut, stellt man fest, dass es nach wie vor Mäzene mit ausgewachsenem Ego gibt. Dieses in der Schweiz tatsächlich noch verbreitete Mäzenatentum wird aussterben. Es muss aussterben.

«Darum habe ich unsere Belegschaft gefragt: Würde es euch gefallen, dieses Stadion zu bauen?»

Wieso?
Weil der Sinn und Zweck von Profi-Fussball ein anderer ist. Es kann doch nicht sein, dass wir mit dem FC St.Gallen 1879 100´000 Menschen in der Region Freude bereiten, das aber kein Geschäft sein darf. Wenn 150´000 Menschen nach Frauenfeld pilgern, wo ein paar Branchengrössen singen und rappen, zahlen sie 250 Franken nur für den Eintritt. An einem Wochenende generieren diese Gäste etwa 32 Millionen Franken Umsatz. Wir beim FC St.Gallen mit all den hoch engagierten Mitarbeitern rennen ein ganzes Jahr lang herum, um auch 32 Millionen zu erwirtschaften.

Die Begeisterung eines Mäzens muss wirtschaftlichem Denken weichen?
Man darf Freude an einer Unternehmung haben, genau so darf man Freude an seinem Fussballklub haben. Aber beides muss in sich rentieren. 

Wie sieht es denn mit Ihrer Fussball-Begeisterung aus? Stimmt die Beobachtung, dass Sie erst mit dem neuen FCSG-Stadion, dem heutigen Kybunpark, aufgetaucht sind?
Das ist richtig. Vorher hatte mich Fussball überhaupt nicht interessiert. Ich konnte nicht begreifen, wenn Kollegen einen Termin nicht wahrnehmen konnten – mit der Begründung «es ist dann ein Match in St.Gallen».

Im Espenmoos waren Sie nie?
Doch, ein Mal. Ich wurde zu einer Veranstaltung eingeladen.

Das neue Stadion aber haben Sie mit Ihrer Stahlbau-Firma mitgebaut.
Als das Stadion vor der Realisierung stand, haben wir gerade ein Projekt auf der anderen Strassenseite umgesetzt, für die BP und den TCS. Das war seinerzeit das erste Puzzleteil, dass überhaupt der Platz für die Stadion-Überbauung frei wurde – der TCS hatte seine Anlage vorher auf dem heutigen Stadion-Areal.

Ein logischer Folgeauftrag also?
Nein. Als die Ausschreibungen für die Stadion-Überbauung kamen, haben wir nicht offeriert. Unser Betrieb musste in 50 Jahren nie Kurzarbeit beantragen; wir hatten immer genug Aufträge, darauf sind wir sehr stolz. Aber als erfahrener Unternehmer weiss man: Das kann sich morgen schon wieder ändern; das Geschäft ist wie der Fussball sehr, sehr fragil. Hier dachte ich zuerst, das ist eine Nummer zu gross für uns. Wir hatten damals auch schon den Auftrag für den Ikea-Teil.

Aber Sie haben sich umentschieden.
Die Bauherrschaft bat mich, auch zu offerieren. Darum habe ich unsere Belegschaft gefragt: Würde es euch gefallen, an diesem Stadion mitzubauen? Die Antwort war ein einhelliges Ja. Also haben wir offeriert und nach den üblichen Nachdiskussionen den Auftrag bekommen. Mit dem Bau des Stadions bin ich wie viele andere Unternehmer auch Aktionär der Stadion-AG geworden; das war Teil des Deals. Gleichzeitig übernahm ich auch ein Paket Aktien vom FC St.Gallen.

Sie haben auch Aktien der Event-AG. War das auch Teil des Deals?
Nein, die Stadion-AG und die Event-AG sind zwei komplett getrennte Unternehmungen. Der damalige Präsident Dölf Früh war zufälligerweise Nachbar meines Schwiegersohns; mit ihm hatte ich einen guten Kontakt. Ich hatte ihm gegenüber zwischen Tür und Angel erwähnt, dass ich an einem kleinen Teil seiner Aktien interessiert wäre, wenn er einmal verkaufen möchte. Zu diesem Zeitpunkt war der FC St.Gallen im Thurgau kaum präsent. Als Dölf tatsächlich seine Event-AG-Aktien verkaufte, hat er seine Käufer handverlesen ausgesucht. Er hat die Aktien nicht meistbietend, sondern zu reellen Preisen an uns neue Eigner verkauft. Die Event-AG hält 49,8 Prozent der FC St.Gallen AG. Es wurde darauf geachtet, dass der Anteil unter 50 Prozent bleibt, damit Entscheidungen immer demokratisch offen bleiben.

Entscheidend ist aber, dass Sie sich in der Event-AG einig sind. Kannten Sie denn die neuen Mitbesitzer vorher schon?
Am Tag der Generalversammlung 2017 erhielt und bezahlte ich die Aktien. Damals sah ich meine Aktionärskollegen zum ersten Mal; ich kannte sie vorher nicht. Aber ich habe sofort gespürt: Das wird hinhauen.

An dieser Generalversammlung wurde dann ein Verlust von zweieinhalb Millionen Franken präsentiert.
Da bin ich schon etwas erschrocken und habe zu meinen Mitaktionären gesagt: «Wir müssen sofort etwas unternehmen, das kann so nicht weitergehen.»

leaderdigital.ch/pla/Toggenburg24