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St. Gallen
18.09.2024

Bildung und Werte: Hat das Christliche noch Platz?

Moderator Stefan Häseli, Schulgestalterin Rahel Tschopp, Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin Schweiz. Lehrerverband, und Erwin Beck, ehem. Rektor PHSG
Moderator Stefan Häseli, Schulgestalterin Rahel Tschopp, Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin Schweiz. Lehrerverband, und Erwin Beck, ehem. Rektor PHSG Bild: Roger Fuchs
Die Rolle der christlichen Werte an den heutigen Schulen stand am 17. September im Fokus eines Podiums in Mörschwil. Eingeladen dazu hatten die unter der Dachmarke «wertebilden.ch» zusammengeschlossenen vier katholisch geprägten Privatschulen im Kanton St.Gallen. Eine der zentralen Erkenntnisse: Christliche Schulen haben aufgrund ihrer Verankerung einen klaren Rahmen für ihre Wertevermittlung, während sich öffentliche Schulen diesen Rahmen erst geben müssen. Doch je heterogener eine Schule, umso wichtiger wäre das Vorleben von Werten.

«Es wäre ein grosser Verlust für die Gesellschaft, wenn in einem säkularen Kahlschlag alle christlich geprägten Werte aus den öffentlichen Schulen verschwinden würden», sagte Hans Brändle, Administrationsrat des Katholischen Konfessionsteils St.Gallen, am Dienstagabend einleitend zu einem Podium an der Schule Waid in Mörschwil.

Im Wissen um die anstehende Revision des Volksschulgesetzes darf gemäss Brändle nicht sein, dass nur noch Schulen im kirchlichen Umfeld der Ort bleiben, wo solche Wertevermittlung stattfindet. Mit der Veranstaltung in der Waid wollte man sodann bewusst machen, wie wichtig ein sorgfältiger Umgang mit dem christlichen Werte-Erbe ist – nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Zukunft. 

Das Podium zur Rolle christlicher Werte in heutigen Schulen war die zweite Veranstaltung, zu der die vier katholisch geprägten Schulen im Kanton St.Gallen seit der Lancierung ihrer Dachmarke «wertebilden.ch» eingeladen hatten. Und so weilten unter den gut 120 Zuhörern denn auch diverse Vertretungen des Kathi Wil, der Maitlisek Gossau, des Gymnasiums Friedberg und eben der Schule Waid. 

Öffentliche Schulen müssen sich das Profil erst geben

Den wohl prägnantesten Moment erlebte das Podium, als Gesprächsleiter Stefan Häseli nach dem Unterschied zwischen christlichen Werten und Werten im Allgemeinen fragte.

Hans Brändle, Administrationsrat (Ressort katholische Schulen) votiert bei der Begrüssung für einen sorgfältigen Umgang mit dem christlichen Werte-Erbe Bild: Roger Fuchs

Erwin Beck, ehemaliger Rektor der Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG) hielt daraufhin fest, dass er christliche Schulen allein schon deswegen beneide, da sie angesichts der hinter ihr stehenden Gemeinschaften einen Rahmen für ihre Werte hätten. An der öffentlichen Schule müsse man stets aufpassen, werteneutral zu bleiben, um nicht dem Vorwurf der Ideologisierung ausgesetzt zu sein. «Dieses Problem haben christliche Schulen nicht.» 

Dagmar Rösler, Zentralpräsidentin des Lehrerverbands der Schweiz (LCH), doppelte sogleich nach mit der Aussage, dass öffentliche Schulen durchaus auch ein Profil hätten, dieses sich aber erst geben müssen. Angesichts der Pluralität gelte es dabei immer aufzupassen, niemandem auf die Zehen zu treten.

Ein Steilpass für Rahel Tschopp, die als Schulgestalterin mit einer eigenen Firma Schulen auf dem Weg in die Zukunft begleitet. «Je heterogener eine Schule, desto klarer müssen gelebte Werte sein. Werte geben uns den Boden», so Tschopp. Wertevermittlung geschehe aber nicht einfach in einer Unterrichtsstunde, sondern sei omnipräsent, beispielsweise auch dann, wenn es darum gehe, Regeln einzuhalten. 

Auch christliche Schulen dürfen sich nicht ausruhen

Die Deklarierung christlicher Schulen als idealer Ort für Wertevermittlung flammte im Rahmen der Publikumsfragen erneut auf. Ein Votant äusserte mit Verweis auf andere traditionelle und in die Schlagzeilen geratene Schulen die Gefahr, dass sich christliche Schulen in eine extreme Auslegung von Werten bewegen könnten, ohne dass jemand kontrolliere.

Damit würde ein heikler Punkt angesprochen, so Erwin Beck, der dem Votanten dahingehend recht gab, dass ein zu enger Rahmen zu Indoktrination führen könne. «An der Waid, wo meine Töchter zu Schule gingen, habe ich das nie so erlebt.» Die Waid sei trotz ihres Werte-Rahmens sehr weltoffen. Rahel Tschopp ihrerseits unterstrich, dass es auch an Schulen mit christlichen Werten wichtig sei, sich nicht auszuruhen, sondern immer wieder an der Rahmung zu arbeiten. 

Dagmar Rösler und Erwin Beck Bild: Roger Fuchs

Alle drei waren sich einig, dass man an einer Schule schnell merkt, ob Werte gelebt werden oder nicht. «Das spürt man bereits beim Betreten eines Schulhauses an der Atmosphäre», so Dagmar Rösler, die im Verlauf der weiteren Debatte auch auf die Offenheit und die Flexibilität hinwies, die es heute im Umgang mit Jugendlichen braucht. Dabei gelte es stets die unterschiedlichen Herkünfte zu respektieren. Rösler verdeutlichte damit, dass an öffentlichen Schulen nicht mehr nur mit christlichen Werten argumentiert werden kann. 

Den Wert der Selbstlosigkeit mitbekommen

Einen runden Boten zum Ort des Podiums schlug Erwin Beck. Dank der Gemeinschaft der Salettiner und ihrem unermüdlichen Einsatz für die Schule Waid hätten seine Töchter mitbekommen, dass man sich im Leben auch für etwas einsetzen könne, nicht weil es viel Geld gebe, sondern weil die Sache es wert sei. «Eine solche Selbstlosigkeit muss man heute weit suchen.»

Die offene Fragerunde war geprägt von einigen Rückfragen auch aus Schülerkreisen, die sich auf den Abend vorbereitet hatten. Es waren persönliche Fragen an die Referenten – beispielsweise welche Werte sie als junge Menschen mitbekommen hätten – aber auch Fragen aus dem Jugendleben – beispielsweise, was man machen könne, wenn eine Kollegin oder ein Kollege das Vertrauen breche. Die vielen Inputs fanden ihre Fortsetzung in persönlichen Diskussionen beim abschliessenden Apéro. 

Zusatzinfos zum Katholischen Konfessionsteil auf www.sg.kath.ch.

Roger Fuchs