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Freizeit
10.10.2024

Wannenwis: Ein Tag voller Tiernähe und Geschichten

Inhaber der Wannenwis Orlando Schrofer mit Papageien-Dame Bella.
Inhaber der Wannenwis Orlando Schrofer mit Papageien-Dame Bella. Bild: Vanessa Vogt
Seit 10 Jahren bewirtschaftet Orlando Schrofer mit seiner Frau Petra den Familien- und Erlebnisbauernhof Wannenwis in Waldkirch. Mit viel Liebe, Leidenschaft und Hingabe pflegen und hüten sie kranke, geschädigte, bereits zum Tod geweihte, aber auch quirlig-gesunde Tiere. Darunter finden sich auch echte Exoten, die man bei einem Besuch hautnah erleben darf.

Grosse, staunende Kinderaugen strahlen gespannt in Richtung Orlando Schrofer, dem Inhaber des Erlebnisbauernhof Wannenwis in Waldkirch. Denn dieser steht am Gehege der Kattas und lockt sie mit einer reifen Banane Richtung Kita-Gruppe. Neugierig schleichen sich die friedvollen Kattas an: „Sie sind sehr zahm und lieben den süssen Geschmack der Bananen“, erklärt Schrofer. „Wer von euch möchte sie gerne füttern?“ Die Kita-Kinder haben heute ihren Ausflugstag. Bei einer privaten Führung gehen die Kleinen auf Tuchfühlung mit den Lebewesen des Hofes. Für die erwachsenen Begleitpersonen gibt es dazu zahlreiche Hintergrund-Informationen zu den oft leidvollen Geschichten der Tiere, deren Lebensraum, Nahrungsgewohnheiten und den Arbeitsabläufen auf der Wannenwis.

80 Tiere aus 36 Arten plus heimische Tiere

Auf dem Hof tummeln sich neben den 2‘000 Hühnern zur Bio-Eierproduktion, eine Pferdepension und drei Schweinen zur Eigenschlachtung rund 80 Tiere aus 36 Tiergattungen: Zu den Kattas gesellen sich unter anderem Zwergseiden- und Javaneraffen, Emus, Boas, Vogelspinnen, Skorpione, Papageien, Giftfrösche und viele weitere Exoten. Natürlich haben auch heimische Tierarten wie Ziegen, Hängebauchschweine, Alpakas und Frettchen Platz auf dem Hof. „Wir fungieren als Auffangstation und arbeiten mit dem Veterinäramt zusammen.“ Als Zwischenstation oder dauerhaftes zu Hause für Tiere aus schlechter Haltung ist der Hof meistens bis auf den letzten Platz besetzt. „Aktuell haben wir nur zwei Plätze in der Pferdepension für Pferde frei“, sagt Schrofer.

Vertrauensaufbau und Liebe

Viele der ankommenden Tiere bleiben Dauergäste: „Wir päppeln die oft traumatisierten Tiere auf, geben ihnen Liebe, den artgerechten Bewegungsraum und sorgen für Vertrauensaufbau.“ Gemeinsam mit seinem sechsköpfigen Team und engagierten Freiwilligen ist er fast rund um die Uhr im Einsatz: „Meine Tage beginnen um 5 Uhr mit den 2‘000 Hühnern, dann kommen die Pferde und nach und nach alle Aktionen rund um die anderen Tiere“, erklärt er. Schluss ist gegen 19 Uhr – aber selbst dann ist er immer in Alarmbereitschaft. Die Pflege und das Putzen der Anlagen nehmen die meiste Zeit in Anspruch. Auch die Aktivitätenfütterung der Tiere ist aufwendig: „Das Personal kann dabei aber richtig kreativ werden und frei entscheiden, so wird den Tieren nicht langweilig“, sagt Schrofer. Die artgerechte und möglichst naturnahe Betreuung ist Schrofer und seinem Team wichtig – sein komplexes Wissen vermittelt er auch den Lehrlingen.

Experte in Wildtierpflege

Woher Schrofer sein ganzes Fachwissen hat? „Ich habe Landschaftsgärtner gelernt, danach eine Ausbildung als Landwirt und Wildtierpfleger absolviert – aber ich bin mit Tieren aufgewachsen und habe schon immer eine grosse Leidenschaft für deren Haltung“, erklärt Schrofer. Er stammt ursprünglich aus Graubünden: Schon seine Eltern hielten sich Tiere – sein Vater hatte Vogelvolieren, seine Mutter Schildkröten. „Als ich nach Waldkirch kam, brachte ich von meinem Hof bereits einen Emu, zwei Leguane, zwei Papageie, eine Boa und Alpakas mit.“

Vermittlung von Tieren

Zu dieser Zeit half Schrofer auch im ehemaligen Zoo Bad Ragaz als Tierpfleger aus. Dieser wurde altershalber geschlossen: „Damit die Tiere nicht euthanasiert werden mussten, habe ich einen Teil davon hier aufgenommen und mich um die Unterbringung aller anderen gekümmert“, sagt er. Die Vermittlung von Tieren ist bis heute Bestandteil seiner Arbeit auf der Wannenwis: „Wir wollen gerne alle retten, haben aber gar nicht so viel Kapazität.“ Schrofer sucht immer wieder nach Abnehmern, die die Tiere artgerecht und mit Unterstützung der Wannenwis bei sich aufnehmen können. „Wir geben die Tiere aber nur ab, wenn die optimalen Bedingungen angeboten werden können.“ Denn auf keinen Fall sollen die Tiere abermals in schädliche und artferne Haltungen kommen.

  • Die Kattas gieren nach der Banane, die zum Anlocken gegeben wird. Bild: Vanessa Vogt
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  • Die zutraulichen Tiere freuen sich über den Besuch - und schrecken auch nicht vor Körperkontakt zurück. Bild: Vanessa Vogt
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  • Der Bindenwaran kann nach allem Keller-Leid nun im eigenen Pool und Gehege planschen. Bild: Vanessa Vogt
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  • Super neugierig - auch auf Kameras und Handys - geben sich die Weissbüschelaffen. Sie kommen gerne nah und inspizieren neugierig alles und jeden. Bild: Vanessa Vogt
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  • Die Ziegen im Aussenbereich nehmen es entspannt. Bild: Vanessa Vogt
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Traum: Finanzierte Beratungsstelle

Schrofers Traum ist, irgendwann mal eine Beratungsstelle für Tierhalter, insbesondere von Exoten, einzurichten: „Allerdings können wir dies nicht ohne Finanzierung stemmen“, sagt er. „Ich gebe jetzt schon gratis Beratungen nebenbei, aber die Halter wollen dafür nicht zahlen – und der Betrieb des Hofes hat natürlich Priorität.“ Viel zu oft gäbe es jedoch „schlechte Halter“, die vom Veterinäramt oft zu spät identifiziert würden. „Ich würde gerne schon vorher ansetzen, um solche Leidensfälle allenfalls zu verhindern“, erklärt Schrofer. Dafür würde er gerne einen Mitarbeiter einsetzen und das Ganze professionell aufbauen. „Dafür fehlen uns aber die Mittel.“

Wannenwis als Lebensstil

Seit 2014 betreibt er nun den Hof Wannenwis - ein Erbstück der Eltern seiner Frau Petra, die gemeinsam mit ihm und ihren mittlerweile drei Kindern dort wohnt, lebt und arbeitet. „Das Leben hier ist ein „Lifestyle“ – eine grundsätzliche Entscheidung so zu leben, die man bejahen muss“, sind sich die Eheleute einig. Denn die Tage sind lang – viel Freizeit und Ferien gibt es nicht. Das Gute sei, dass die Familie direkt auf dem Hof leben kann. „Die Kinder lieben es, so aufzuwachsen – und natürlich helfen sie nach ihren Möglichkeiten gerne mit und haben so auch viel von uns als Eltern“, bemerkt Schrofer. „Wir sind gefühlt immer bei den Tieren, aber das ist bis auf ein paar wenige Ausnahmen auch unser Wunsch.“ Schrofer selbst verzichtet gerne auf Auslandsurlaube zu Gunsten der Tiere. Für ihn müssen es keine langen Reisen in die fernen Länder sein. „Ich kann am besten einfach beim Fischen in der Nähe abschalten“, sagt er und lacht.

Starke Charaktere – individuelle Betreuung

Jedes Tier habe seinen eigenen Charakter und seine Bedürfnisse. „Diesen sehen und lesen wir – und versuchen entsprechend zu handeln. Die Tiere haben in ihrem Vorleben genug missratene Zustände erfahren – jetzt sollen sie glücklich leben.“ Genau darin liege das Wertvolle an der Arbeit auf der Wannenwis: Hier hat jedes Tier seinen Namen und sein Wesen – Schrofer kennt alle von ihnen. Und freut sich über die speziellen Genossen ganz besonders: „Arthur der Javaneraffe zum Beispiel ist sehr eigenwillig und nachtragend. Er wird gereizt, wenn man ihm keine Nüsse mehr gibt - dann ist er beleidigt und meckert dich an. Auch noch Stunden später“, erklärt Schrofer und lacht.

25 Jahre hinter viel zu kleinen Gittern

Oftmals sind die Tiere auch von traurigen Leidensgeschichten geprägt: „Der Bindenwaran zum Beispiel wurde in einem simplen Keller gehalten – bei Dunkelheit und ohne ausreichend Bewegungsraum“, erzählt Schrofer. Heute planscht er in seinem Terrarien-Pool und wirkt zufrieden. Bei den Papageien lägen oft psychische Störungen durch Haltung in Mini-Käfigen und als Einzeltiere vor. Eine der Papageiendamen hat es besonders auf Schrofer abgesehen: „Bella kommt aus einem Frauenhaushalt und wurde einzeln über 25 Jahre in einem viel zu kleinen Käfig gehalten. Sie hat nie Regen gespürt – und Vögel lieben den Regen.“ Bella kam mit bis auf die blutige Haut zerrupften Gefieder vor zwei Jahren zu den Schrofers. Von Anfang an suchte sie die Nähe zum Besitzer: „Wenn ich nicht täglich mit ihr kuschle, ist sie beleidigt. Niemand anders darf sie anfassen.“

Mut zum Weitermachen

Heute geht es Bella deutlich besser: Bis auf eine kahle Stelle am Bauch ist ihr prachtvolles Gefieder nachgewachsen. „Und einen Partner hat sich auch schon gefunden“, sagt Schrofer. Ihr Zutrauen, ihre Gesundheit, ihr neues, fröhliches Wesen: All das sind die Belohnungen für die Mitarbeitenden des Hofes. „Nicht jeder Tag ist einfach – es geht oft etwas kaputt, die Liste der To-Dos ist lang, die Finanzen knapp. Es sterben Tiere – und viele können wir vorher nicht aus schlechten Haltungen retten. Aber solche Erfolge wie bei Bella machen Mut und zeigen mir, dass unsere Arbeit wichtig und richtig ist“, sagt Schrofer.

Mittwoch und Sonntag für Besucher offen

Die Arbeit auf dem Hof ist umfassend – und kostet. Die Finanzierung läuft massgeblich über Spenden und die Angebote auf dem Hof: So kann man auf der Wannenwis private Führungen buchen, Kindergeburtstage inklusive Verpflegung in der „Affeteria“ (Café) feiern oder aber Patenschaften und Vereinsmitgliedschaften der „Tierfreunde Wannenwis“ erwerben. Von März bis Dezember ist der Bauernhof zudem jeden Mittwoch und Sonntag von 14 -18 Uhr geöffnet und kann gegen Eintritt (Erwachsene 10 CHF, Kinder 5 CHF) besichtigt werden. Auch die „Affeteria“ mit einem wechselnden Dessert-, Speisen- und Getränkeangebot ist dann geöffnet. Das Besondere bei allem: Die Nähe zu den Tieren wird, wann immer möglich und sicher, gefördert. „Die Zeit bei uns ist eine bereicherndes Mensch-Tier-Erlebnis – das sollte man auch den Kindern mitgeben.“

Tiere zum Anfassen

So nimmt Schrofer die Besucher mit auf Fütterungen holt Schlangen und Bartagame zum Anfassen aus den Terrarien. „Wir wollen für jeden etwas bieten, aber auch unser Wirken nahebringen. Mit der Nahbarkeit der Tiere erreichen wir Emotionen, erklären nicht nur visuell, sondern verbinden Tier und Besucher.“ Das Tierwohl steht auch dabei an erster Stelle: „Nur die zutraulichen und neugierigen Tiere ohne Berührungsängste werden dafür ausgewählt – wir achten immer auf deren Tageszustand und ihre Gesundheit.“ Für Schrofer ist klar: Was man kennt, das schützt man. „Mit unserer Arbeit und den Führungen wollen wir vor allem auch sensibilisieren – den Menschen nahebringen, was artgerechte Haltung bedeutet und wie man Tierquälerei entgegensetzt“, sagt Schrofer.

Weitere Informationen unter

www.wannenwis.ch

Öffnungszeiten für Besuche:

März bis Dezember 2024 jeden Mittwoch und Sonntag von 14:00 bis 18:00 Uhr


Patenschaften: www.wannenwis.ch/deine-patenschaft

Verein: www.tierfreunde-wannenwis.ch

Pferdepension: www.wannenwis.ch/pferdepension

Vanessa Vogt / Toggenburg24