Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Wirtschaft
17.11.2024

«Die Umwelt braucht uns nicht»

Bild: fam
Warum so pessimistisch? Das wurde am 14.11.2024 im Altstätter Sonnensaal geklärt. Die Bevölkerung konnte den Vorträgen von zwei ausgewiesenen Energie-Experten lauschen und viel Neues über den eigenen Energieverbrauch erfahren.

Sich mit dem eigenen Energieverbrauch auseinanderzusetzen wird in der heutigen Zeit immer wichtiger. Man stelle sich vor, dass man im Winter nicht mehr heizen kann oder das per Kabel betriebene Heizdeckchen nicht mehr funktioniert.

Ein gesellschaftliches Problem

Der eine oder andere urchige Rheintaler würde sich wohl kaum daran stören, schliesslich seien solche Winter früher ja normal gewesen. Aber spätestens, wenn man das Handy nicht mehr aufladen kann, tritt der wahre Horror ein. Und was die Stromausfälle für das Gewerbe und die Wirtschaft bedeuten, daran mag man gar nicht denken.

Eine Strommangellage wird wahrscheinlicher, doch das Problem kann sehr schnell Realität werden. Eine Möglichkeit, um dem entgegenzuwirken wäre das Sparen von Energie. Und wie das richtig geht, erfuhren die Altstätter von zwei ausgewiesenen Experten.

Vom Holz zum Öl

Marcel Gauch von der Empa eröffnet den Abend. Energie ist überall. Sie ist seit dem Urknall da. «Für uns ist sie überlebenswichtig. Man denke beispielsweise an die Photosynthese.» Der Mensch atmet Sauerstoff ein und Co2 aus. Bei den Pflanzen ist es genau anders herum. Dieser Kreislauf ist für uns überlebenswichtig. «Das Gleichgewicht ist sehr delikat und darf nicht gestört werden. Schliesslich sind wir Menschen auf den Sauerstoff angewiesen, um zu überleben.» Die Photosynthese ist die Grundlage allen Lebens. 

Energie ist in unserem Leben allgegenwärtig. Wir bemerken es teilweise selber gar nicht mehr, aber sie steckt überall drin. Dabei ist die Energie, wie wir sie heute kennen und benutzen, gar nicht so alt: «1856 wurde zum ersten Mal Öl kontrolliert abgebaut. Weg vom Holz, hin zum Öl. Davon sind wir bis heute nicht weg.»

Marcel Gauch, Nachhaltigkeitsdelegierter Empa Bild: fam

Windrad vs. AKW

Und womit assoziieren wir Energie heute? Allen voran mit riesigen Bohrfeldern und AKWs. «Alle sprechen davon, wie sehr Windräder unsere Landschaft verschandeln – aber Hand aufs Herz: Haben Sie sich schon mal die AKWs und Bohrstellen angeschaut?»

Die natürliche Energiequelle: Die Sonne. «Ein Beispiel: Wäre die Sonne ein Ball mit einem Meter Durchmesser, so wäre die Erde, wäre sie hundert Meter entfernt, gerade mal einen Zentimeter gross. Stellen Sie sich jetzt mal vor, wie viel Energie da auf uns strahlt.»

Diese sogenannte Nuklearenergie erzeugen wir Menschen auch selber; mit AKWs. Dumm nur: Das verursacht radioaktiven Abfall, die Frage nach der Endlagerung ist nicht vollständig geklärt und Atombomben existieren ebenfalls. Im Endeffekt führt daher kein Weg an der Sonne vorbei. Photovoltaik-Anlagen sind eine Lösung. «Zumal der Material- und Kostenaufwand im Vergleich zu anderen Methoden lächerlich klein ist.» Die Sonne und deren Rolle für das post-fossile Zeitalter seien ungemein wichtig.

Und was wäre ein guter Energieträger? Wasserstoff. Dieser bietet sich als Energiespeicher an. Überschüssige Energie kann so gespeichert und dann gebraucht werden, wenn sie nötig wird.

Die Rolle von Batterien

Auch die Rolle von Batterien darf nicht vernachlässigt werden. Der wohl bekannteste Energiespeicher. Sie ist bekannt, beliebt und wird so schnell auch nicht mehr verschwinden. «Wenn es um Batteriespeicherungen geht, bieten sich uns viele Möglichkeiten. Luft-Metall-Batterien sind schwierig umzusetzen, wären aber eine gute Lösung für die Zukunft.»

Auch Pumpspeicher, die Strom von Bergseen ins Tal führen, gibt es bereits. Und sie haben sich durchaus bewährt. «Doch der Aufwand ist riesig. Wir müssen Strassen in die Berge bauen, Betonpfosten aufstellen, Leitungen verlegen und noch vieles mehr.»

Auch Druckluftspeicher in Tunnels in den Bergen wären möglich. Oder Wärmespeicher. «Im Winter brauchen wir Wärme, nicht noch mehr Strom. Warum also Elektronen zur Seite schieben statt wichtige Wärme? Andere Länder machen das bereits besser.»

Egal welchem Pfad man folgt, folgende Fragen sind wichtig:

  • Wie ist die Verfügbarkeit im Einflussbereich?
  • Wie gross ist die verfügbare Fläche?
  • Was sind mögliche Konsequenzen?
  • Wie verhalten sich Kosten und Infrastruktur?

Neben der Speicherung müsse man sich auch Gedanken zum Konsum von Strom machen: Brauchen wir Tag und Nacht wirklich gleich viel Energie? Die Grafik an der Präsentation zeigt nämlich genau das. «Intelligenter wäre es doch, wenn wir mehr Strom am Tag und weniger in der Nacht brauchen würden.» Daher solle man seinen Verbrauch im Rahmen des Möglichen umstellen. Dazu später mehr. Abschliessend: «Die Umwelt braucht uns nicht, aber wir brauchen sie.»

Silvia Gemperle, Leiterin Energiestrategie Gebäudehülle Schweiz Bild: fam

Kaffeemaschinen als Stromfresser

Auf Gauch folgt Silvia Gemperle, Leiterin Energie bei Gebäudehülle Schweiz. «Jedes Jahr brauchen wir eine halbe Million neuer Kaffeemaschinen. Und wissen Sie, wie viel Strom die Kaffeemaschinen in der Schweiz brauchen? Den gesamten Strombedarf der Stadt St.Gallen.» Eine Hausnummer.

Die Kaffeemaschinen sind ein verhältnismässig kleiner Stromverbraucher im Haushalt oder dem Büro. Und wenn der allein schon so gross ist; wie gross wird dann ein ganzer Haushalt sein? Umso wichtiger ist es, sich bereits jetzt mit Lösungen zu befassen. Ein gutes Beispiel gibt es in Oberriet. «Das Openly-Haus zeigt auf, wie das Haus der Zukunft aussehen könnte. Hier ist alles optimiert und auf Energieeffizienz ausgelegt.»

Und wo können Normalverbraucher den Hebel ansetzen?

«Kurz gesagt bei der Energie, der Mobilität und der Ernährung.» Man solle sich die Gedanken machen, wo die grössten Energieverbraucher sind. «Klassischerweise natürlich ältere Kühlschränke, Waschmaschinen und allgemein ältere Geräte. Denn wenn man diese im Standby weiterlaufen lässt, brauchen sie trotzdem Energie.» Handys wiederum seien hingegen unbedenklich. Und auch aktuelle Notebooks würden nicht ins Gewicht fallen. «Kochen und Warmwasser hingegen schon!»

Bei der Mobilität sieht es ähnlich aus: Muss man wirklich jede Strecke mit dem Auto zurücklegen? Laufen tut auch gut – oder man fährt mit dem Rad zur Arbeit. «Stichwort Bike to work.»

Die Ernährung wird wohl den meisten Menschen wehtun. «Weniger Milchprodukte und weniger Fleisch konsumieren, wäre ein Anfang. Auch sollte man saisonal einkaufen und auf die Herkunft achten.»

Natürlich kann man unmöglich alles richtig machen, aber ein grundlegendes Verständnis ist wichtig.

Veränderung im Kleinen

Wer es genau nimmt und wissen will, wo er am besten den Hebel ansetzt, kann auf Energybox verschiedene Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die bei der Ermittlung helfen. Auch kann darüber Auskunft gegeben werden, wann am ehesten eine Reparatur angezeigt ist.

Was auch immer hilfreich sein kann: Sich bei Fachstellen erkundigen. Beispielsweise beim Kanton oder der Energieagentur. «Es gibt Lösungen. Gemeinsam schaffen wir es. Das kommt uns allen zugute.»

Veränderung beginnt im Kleinen. Man kann auch mit einem kleinen Beitrag Grosses bewirken – und sei es auch nur, dass man statt dem Auto mal das Fahrrad nimmt. Nicht nur der Umwelt tut‘s gut, sondern auch der Gesundheit.

Fabian Alexander Meyer / Toggenburg24