Ein nasser Untergrund kam ihm 1978 zum Verhängnis. Trotz Querschnittlähmung liess Heinz Frei sich dennoch nie unterkriegen. 1980 baute er seinen ersten Rennrollstuhl. 1984, sechs Jahre nach dem Unfall, gewann er an den Paralympischen Spielen in England seine ersten fünf Medaillen. Danach folgte ein Erfolg auf den nächsten.
Der aus Oberbipp BE stammende Spitzensportler, Heinz Frei, war von 2003 bis 2021 im Stiftungsrat der Schweizer Paraplegiker-Stiftung. Seit 1999 ist der 66-jährige gelernte Geomatiker zudem als Coach für den Nachwuchssport zuständig. Am Mittwoch, 4. Dezember, 19:30 Uhr, ist er zu Gast in der Show «Ton!olo deckt auf» im Trottentheater, Neuhausen.
«Bock»: Heinz, bist Du durch ein wegweisendes Erlebnis zum Spitzensport gekommen?
Inspiration erhielt ich 1980, während einer Reise mit einem lieben Freund, beim Eishockey-Turnier des «Kanada-Cup». Ich war erst zwei Jahre im Rollstuhl und gerade dabei, mit einem Freund, ebenfalls im Rollstuhl, meinen ersten Rennrolli zu basteln. Während unseres Aufenthaltes in Montréal fand auch der dortige Marathon statt. Als wir beim Zuschauen dieses Ereignisses plötzlich auch Rennrollstuhlfahrer daherkommen sahen, war das für mich eine ungeheure Inspiration. Ich sah darin eine Chance, dies einst selbst anzupacken. Es war natürlich bei mir auch eine Zeit der Bewegungsarmut. Hinzu kam manchmal noch Trauer, Wut und eine gewisse Orientierungslosigkeit.
Welcher war Dein emotionalster und welcher Dein wichtigster Sieg?
Der emotionalste Sieg war vielleicht der, an den Paralympischen Spielen 2008 in Peking. Im bereits fortgeschrittenen Alter von 50 Jahren erkämpfte ich mir plötzlich wieder zwei Goldmedaillen. Erstmals war ich mit dem Handbike am Start. Bis dahin war der Rennrollstuhl mein Sportgerät. Der Sieg Nummer eins war dagegen nur eine golden-glänzende Silbermedaille, also gar kein Sieg. Mir gelang in Tokio 2020 diese silberne Auszeichnung im Strassenrennen – zu einem Zeitpunkt, in dem mich schon alle abgeschrieben haben. Und das im zarten Alter von 63 Jahren. Das hat mehr ausgelöst als jede Goldmedaille davor. Ich könnte aber auch sagen, dass die wichtigste Medaille nicht aus Gold, Silber oder Bronze besteht. Am bereicherndsten ist die Tatsache, dass das Leben mir wieder so viel schenken konnte und ich dadurch glücklich, fit und zufrieden wurde.
Was spornte Dich zu diesen Höchstleistungen an und liess Dich so lange im Spitzensport Medaillen abräumen?
Die pure Freude an der Bewegung und die Dankbarkeit, dass ich mit Sport eine derart gute Lebensqualität aufbauen und nachhaltig aufrechterhalten konnte. Dazu kam ein gewisser Ehrgeiz, eine angeborene Hartnäckigkeit und ein Wille, sich gegen Abhängigkeit und Schicksal aufzulehnen.
Rio 2016 sollte Dein letztes Rodeo an den Paralympics werden. Schlussendlich nahmst Du 2021 auch noch in Tokio teil. Wolltest Du es mit über 60 Jahren nochmals wissen?
Rio waren keine besonderen Spiele und ich fuhr äusserst knapp an den Medaillen vorbei. Sollte ich so aufhören müssen? Auch hier sträubte sich in mir etwas dagegen. So wollte ich mindestens den Versuch wagen, bis Tokio am Ball zu bleiben. Verlieren konnte ich nicht viel, weil Japan durchaus geeignet war, einen Kreis zu schliessen. In Japan war ich bereits an den Winterspielen 1998 in Nagano mit dem Langlaufschlitten. In Oita, Japan, gewann ich 14-mal einen Rollstuhlmarathon. Als ich dieses Rennen 1999 gerade zum zehnten Mal gewann, siegte ich in Weltrekordzeit. Aus Dankbarkeit, Wertschätzung und Anerkennung wurde ich dadurch zum Ehrenbürger ernannt. Tokio 2020 hatte deshalb eine gewisse Anziehungskraft auf mich. Dass es eine Medaille wurde, war auch für mich persönlich kaum vorstellbar.