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Kultur
26.11.2024

Musikwelten der Seele entsprungen

Melchior Hürner, Mr.Mojo, Bruno Niederhauser und Thomas Reiser (v.l.) bilden die gleichnamige Band Mr.Mojo aus Schaffhausen.
Melchior Hürner, Mr.Mojo, Bruno Niederhauser und Thomas Reiser (v.l.) bilden die gleichnamige Band Mr.Mojo aus Schaffhausen. Bild: zVg. / Daniel Stricker
Seinen ersten nennenswerten Auftritt hatte er mit zehn Jahren – die «Vier Jahreszeiten» auf der Flöte. Der Musikstil hat sich gewandelt, aber nicht die grosse Leidenschaft für die Musik. Der Schaffhauser Singer-Songwriter Mr.Mojo feiert das 20-jährige Bestehen des «Mojo-Grooves». Höchste Zeit für eine Reise durch sein künstlerisches Schaffen.

«Musik hat für mich seit jeher eine essenzielle Bedeutung. Bereits als Kleinkind bekam ich von meiner Mutter Frank Zappa, David Bowie und Lou Reed eingeimpft. Aber auch Angelo Branduardi und Edoardo Bennato liefen regelmässig auf dem Plattenspieler», erzählt der 45-jährige Ronny Bien aka Mr.Mojo im Gespräch mit dem «Bock». Hingegen habe ihn der ganz alte Old-School-Jazz, den sein Vater hörte, nur im Unterbewusstsein beeinflusst. «Er erwischte mich regelmässig beim Herumdudeln auf seinem Saxofon.»

Die Lehrjahre des Mr.Mojo

In einer Band spielen zu können, sei ein Kindheitstraum gewesen. Die Inspiration dazu habe er durch sein Jugendidol Rod Stewart erhalten. Seine Authentizität in der Öffentlichkeit sowie sein Talent, sämtlichen Songs eine persönliche Duftnote zu verpassen, hätten ihn motiviert. «Nun, ich bin wahrscheinlich weder eine Ulknudel noch klinge ich wie er. Dafür habe ich seine Intonation und die Art, wie Stewart die Songs ausschmückt, adaptiert», so Mr.Mojo.

Nach dem Erlernen der Gitarre ergaben sich immer mehr Gelegenheiten für Auftritte. Auch der «Lehrgang» bei den Beni Singers zeigte erste Früchte. Seine eigenen Songs nahm der Chorleiter Beni Pletscher zwar nicht ins Repertoire auf, liess Ronny Bien dafür als Leadsänger Songs wie «Oh Happy Day» zum Besten geben. «Belohnt wurde ich mit dem Einsingen des Schunkelsongs ‹Anyhow›. Oh, wie hatte ich dieses Stück geliebt», lacht er ironisch.

Wegweisende Begegnungen

1996 kreuzten sich die Wege des noch jungen Schaffhauser Musikers und Les Getrex, dem ehemaligen Gitarristen von Fats Domino und Louis Armstrong. Eine weitere prägende Begegnung sei jene mit Long John Baldry, einem der Väter der britischen Bluesbewegung, gewesen. «Baldry ermutigte mich, den Fokus auf die Musik zu richten», erinnert sich Mr.Mojo gerne an die «Initialzündung» zurück. «Eigentlich interviewte ich ihn nur für eine Tageszeitung. Am Ende sangen wir zusammen ‹Got My Mojo Working›. Was für ein Erlebnis.»

«The Nee», was sinngemäss «das erstgeborene Mädchen» heisst, war die erste Band, in welcher Mr.Mojo mitwirkte. «Dennoch würde ich nicht behaupten, dass da bereits mein Kindheitstraum in Erfüllung ging. Das war erst mit ‹Mojo Infection›.» Bei «The Nee» mussten die wilden Jungen erst ihre Sporen abverdienen. Doch während der dreieinhalb Jahre ihres Bestehens lag der Fokus der Bandmitglieder vorrangig auf der Ausbildung. Bereits am 22. Dezember 2000 endete deshalb mit dem Konzert im damaligen Dolder2 in Feuerthalen dieses Projekt.

Mr.Mojo bei einem Auftritt im Kammgarn. Bild: zVg. / Roger Albrecht

Bubentraum in Sichtweite

Sandro Hengartner und Ronny Bien kennen sich seit der Jugendauswahl für einen Fussballclub – das war Ende der Achtziger. Das Thema Bandgründung kam erst etwa sechs Jahre später aufs Tapet. Nur mit der Umsetzung sollte es noch bis ins erste Quartal 2001 hapern. Dafür entdeckte Mr.Mojo da die Liebe zum Blues: «Zu dieser Zeit führten Jefferson Airplane und Velvet Underground meine persönliche Hitparade an. Sandro schaffte es, dass ich Gefallen am Sound von Jimi Hendrix fand.» Plötzlich seien Bands wie Ten Years After, Peter Green’s Fleetwood Mac sowie Künstler wie Rory Gallagher und Little Richard in sein Leben getreten. Mit «Mojo Infection» begann endlich der Bubentraum greifbar zu werden. Die Entstehung des Bandnamens hatte jedoch einen traurigen Hintergrund. Zugleich war er der fruchtbare Boden, der das Künstler-Pseudonym von Ronny Bien erblühen liess. Bei der Suche nach einem passenden Namen für die Band warf Dave Hugentobler «Mojo Infection» in die Urne. Er verstarb tragischerweise im zarten Alter von 20 Jahren. Zu seinen Ehren schrieb Bien für die Beerdigung einen Song mit diesem Titel. Zudem waren sich alle einig, dass als letzte Ehrerweisung sein Namensvorschlag umgesetzt werden sollte.

Mr.Mojo erblickt das Licht der Welt

«Im Frühling des Jahres 2004 entwickelte sich aus dem von den Mitmusikern erhaltenen Rufnamen ‹Mojo-Man› der Begriff ‹Mr.Mojo›. Dieser blieb schliesslich an mir haften», erinnert sich Bien, wie wenn es gestern gewesen wäre. Diese «geile, wilde Zeit» fand 2004 ein jähes Ende. «Von 0 auf 100 und zurück», betitelt der Schaffhauser Musiker diesen Abschnitt seines Werdegangs.

Bevor aber sozusagen Mr.Mojo den Takt angab, war da noch von 2009 bis 2012 «Unchained Groove». Diese Band hatte mit einer hohen Fluktuation bei den Schlagzeugern zu kämpfen. «Unchained Groove» gab die Klinke «SunDavis» in die Hand. Bien übernahm darin die Rolle des Sängers. Nach rund zehn Konzerten und drei Jahren auf dem Buckel, ging im April 2015 in der Kerze, Schaffhausen, die letzte Show über die Bühne.

Die ersten «Gehversuche» hatte Mr.Mojo bereits während der Ära «Mojo Infection». Mit diesem neu geschaffenen «Brand» startete Ronny Bien aber erst 2014 richtig durch. Dazu wurde er von Marco Clerc überredet. Zusammen mit Werni Raschle an der Gitarre, Andi Hinz am Schlagzeug und Marco Clerc am Bass, sowie später mit Martin Sermek am Keyboard und Luca Fortuna, Jacky Widmer und Sven Etan Binkert als Backgroundsänger nahm der «Soultrain» nun so richtig Fahrt auf.

Ausgelassene Mojo-Stimmung bei einem Lindli Fäscht-Auftritt. Bild: zVg. / Cherry Greutener

Das erste Album

Nach dem Rücktritt mehrerer Bandmitglieder formierte sich Mr.Mojo fast komplett neu. «In dieser neuen Zusammenstellung spielten wir im Frühling 2017 ein komplett neues Programm ein, welches wir auf einer kleinen Tournee präsentierten», erzählt Bien. Zwischen Oktober und Dezember des selben Jahres ging es ins Schaffhauser Backstage Studio – zusammen mit Mätze Muggli und Simon Schürch. Es wurden zwölf Songs eingespielt, welche schlussendlich den Weg auf ihr erstes Album fanden. Der Trompeter Beat Bossart, der Blues Harper Tom Albatros Luley, sowie Alex Nauva, Frontman von OGMH, durften als Gastinterpreten eine Ecke ihrer musikalischen Seele in das Werk einfliessen lassen. Live konnten die Fans das Debutalbum «Arouse The People» das erste Mal im September 2018 im TapTap Schaffhausen hautnah erleben. Im Allgemeinen war dieses Jahr ein musikalischer Erfolg für Mr.Mojo. Doch wie es so kommen musste, gab es weitere Rotationen der Mitglieder. Zudem legte sich ein weiterer Schatten über das Musikmärchen. Bereits das Silvesterkonzert 2019 bestritt Bien angeschlagen. Kurz davor fing er sich, bei einem kosmetischen Eingriff, Bakterien ein, die schlussendlich die schon behandelte Aortenklappe angriffen und eine schwere Endokarditis auslösten. Im darauffolgenden Febraur stand eine grosse Herzoperation an. Mit ihr war der «Fluch» aber noch nicht gebrochen. Eine Komplikation löste einen Hirnschlag aus. «Ich lag 59 Tage im Spital und zehn Tage in der Reha», erinnert sich Bien ungern zurück.

Der unverkennbare Mojo-Sound

Mr.Mojo und seinem Soul kann auch der stärkste Hurrikan nichts anhaben. So komponierte er durch Sturm und Regen hindurch bis heute 800 Songs. Darin verarbeite er Liebschaften, Hinschiede und Erfahrungen. Nach einer Kreativpause sollen bald die nächsten «800» folgen. Aber wer ist eigentlich Mr.Mojo? «Er ist ein charismatischer Sänger, der Einflüsse des britischen Rhythm’n’Blues-Rock, des klassischen Blues, und allen verwandten Genres, mit einer Mischung aus progressivem Rock und Flower Power verschmelzen lässt», so Bien. Und welcher ist der Lieblingssong? «Aus so vielen eigenen Liedern, ist es schwer einen Favoriten zu erkoren. Aber etwa die Ballade <Perseverance>, welche ich noch nie live gespielt habe, steht mir sehr nahe», sagt der Schaffhauser Sänger und Blues Harp-Spieler. Ein Geistesblitz für neues Material oder unvergessliche Begegnungen mit Bekanntheiten seien alles schöne Momente. Aber vollkommen fühle sich Mr.Mojo nur an einem Ort: «Die Bühne ist mein eigentliches Zuhause. Da kann ich mich vollends der Kreativität hingeben.»

Sandro Zoller, Schaffhausen24