Er könne den Verdruss verstehen, der durch die Absage der Abstimmung über den Tunnelprojektierungskredit entstanden ist, sagte Regierungsrat Dölf Biasotto in einem Gespräch mit der Appenzeller Zeitung (21. September 2020). Wow, da fühlt man sich als Teufnerin und als Teufner doch so richtig verstanden! Zwar dürfen sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nicht zu einer für die Zukunft unseres Dorfes wesentlichen Frage äussern, aber wenn sie sich darüber ärgern, dürfen sie wenigstens auf obrigkeitliches Mitgefühl zählen.
Lokale Aspekte zählen nicht
Regierungsrat Dölf Biasotto und Kantonsingenieur Urban Keller wiederholen gebetsmühlenartig im Wesentlichen ihre bekannten Argumente: Man dürfe das Stimmvolk nicht über etwas abstimmen lassen, das so gar nicht realisiert werden könne. Denn: Nur mit der Doppelspur durch den Dorfkern liessen sich die Anschlüsse an den Fernverkehr in St.Gallen gewährleisten.
Kantonsingenieur Keller macht eine Interessenabwägung und kommt zum Schluss: Regionale Aspekte müssten eben höher gewichtet als lokale. Auf gut Deutsch: Es spielt keine Rolle, wenn das Teufner Dorfzentrum zu einer Bahninfrastruktur mit hübschen Hauskulissen degradiert wird, solange die Pendler schnell genug in Zürich sind.
Vollends realitätsfern ist die Aussage des Regierungsrats, wonach das Dorfleben profitiere, wenn die Bahn mitten durchs Dorf fahre. Das Gegenteil wird eintreten: Der Ortskern wird durch hässliche Installationen für Oberleitungen verschandelt, die in hoher Frequenz kreuzenden Züge werden Rückstaus verursachen. Das Parkieren auf etlichen für das Gewerbe im Dorf wichtigen Parkplätzen dürften sich nur noch besonders abenteuerlustige Automobilisten zutrauen. An entscheidenden Lagen wird durch Hausverschiebungen der ursprüngliche Dorfkern ortsuntypisch aufgeweitet. Die Sicherheit für Velofahrer und Fussgänger, namentlich Schülerinnen und Schüler, wird massiv verschlechtert.
Es gibt Alternativen
Der zentralen Frage, ob sich die gewünschten Anschlüsse in St.Gallen auch anders realisieren liessen, weichen Biasotto und Keller allerdings aus. Dabei gibt es offenbar auch Fahrplanberechnungen, nach denen trotz Einspur-Strecke in Teufen (wie im zu projektierenden Tunnel) die Fernverkehrsanschlüsse sichergestellt werden könnten. Dazu wäre dann beispielsweise ein Doppelspur-Ausbau zwischen Gais und Sammelplatz notwendig. Solche Projektvarianten wurden bisher aber gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Appenzeller Bahnen, Regierung und Gemeinderat haben sich längst auf eine Lösung eingeschossen, die sie ungeachtet legitimer Einwände und ohne Gehör für sachliche Kritik auf Biegen und Brechen durchsetzen.
In der Appenzeller Zeitung lässt sich Biasotto auch dahingehend zitieren, dass die Bahninfrastruktur nicht in der Entscheidungshoheit der Gemeinde Teufen liege. Das ist allenfalls nur die halbe Wahrheit. Das Eisenbahngesetz sieht nämlich ausdrücklich eine Mitsprachemöglichkeit der Gemeinde vor. Eine betroffene Gemeinde kann mit einer Einsprache gegen ein Streckenführungsprojekt ihre Interessen wahren. Sie müsste aber die Mehrkosten einer allfälligen Alternativlösung tragen.
Darauf spielt Kantonsingenieur Urban Keller an, wenn er flapsig zu Protokoll gibt, wenn niemand die Mehrkosten für einen doppelspurigen Tunnel und Änderungen am bereits gebauten Bahnhof übernehme, komme die Doppelspur im Ortskern «ziemlich sicher.»
Kanton könnte Doppelspur stoppen
Was Biasotto gerne vergisst: Die Ortsdurchfahrt ist eine Kantonsstrasse, das Trassee der AB als Strassenbahn braucht eine Bewilligung des Kantons. Der Kanton könnte also durchaus die Doppelspur im Dorfkern verhindern, wenn er wollte und auf die lokalen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen würde.
In der Appenzeller Zeitung lässt sich Biasotto mit der Behauptung zitieren, dass die meisten Teufnerinnen und Teufner, mit denen er Kontakt hatte, den Entscheid, «die beste Lösung für die Mobilitätsbedürfnisse der Region anzustreben», befürworten. Wieso will die Obrigkeit dann mit allen Mitteln eine Abstimmung verhindern, in der das gemeine Volk seinen Willen dokumentieren könnte?
Zu den verschiedenen Rechtsverfahren, mit denen die IG Tüüfner Engpass die Abstimmung doch noch ermöglichen will, schweigt der Regierungsrat. Dabei gäbe es da einiges zu erklären: Etwa das nonchalante Abschmettern der Beschwerde, die nach der Ungültigkeitserklärung der Initiative für eine Tunnel-Abstimmung, eingereicht wurde. Der Regierungsrat hat den sachlich höchst fragwürdigen und formal definitiv unkorrekten Entscheid des Gemeinderates mit ihrem «Nichteintreten auf den Rekurs» mit einer weiteren windigen Argumentation gedeckt.
Die IG Tüüfner Engpass wird sich durch solche Winkelzüge aber nicht kleinkriegen lassen und hat gegen den unhaltbaren Entscheid des Regierungsrates beim Obergericht Beschwerde eingelegt.