Grund für die schweren Vorwürfe ist ein Verfahren gegen einen unbekannten Kommentarschreiber sowie die Verantwortlichen des Online-Portals – und konkret: dessen Chefredaktor Roger Huber.
Im Kontext der Berichterstattung über einen Bündner Verwaltungsrichter, welcher der Vergewaltigung bezichtigt (und unterdessen erstinstanzlich verurteilt) wurde, hatte ein Kommentarschreiber den beschuldigten Richter als «arroganten Grosskotz» bezeichnet und behauptet, in dessen italienischen Heimat seien Vergewaltigungen «keine grosse Sache».
Die Redaktion von Inside Justiz löschte den Kommentar nach kurzer Zeit, gleichwohl stellte der Richter Strafanzeige.
Weil der Sitz des Trägervereins von «Inside Justiz» in St.Gallen liegt, begann der St.Galler Staatsanwalt Daniel Burgermeister mit den Ermittlungen. Zunächst verlangte er im Geheimen von der Firma, die den Internetauftritt von «Inside Justiz» hostet, Unterlagen zur Korrespondenz zwischen Redaktion und Kommentarschreiber.
Damit habe Burgermeister gegen das Redaktionsgeheimnis verstossen, schreibt nun «Inside Justiz» unter Berufung auf Medienjuristen.
Denn Art. 17 der Bundesverfassung garantiert, dass die Korrespondenz zwischen Redaktionen und ihren Quellen tabu ist – was auch der Praxis des Bundesgerichts entspricht.
Den zweiten Rechtsverstoss ortet «Inside Justiz» darin, dass sowohl die Redaktion als auch der Beschuldigte selbst darauf hätten aufmerksam gemacht werden müssen, dass sie eine Siegelung der beschlagnahmten Informationen verlangen können – damit hätte dann ein Gericht darüber entscheiden müssen, ob die Informationen für ein Strafverfahren verwendet werden dürfen oder nicht.
Die St.Galler Staatsanwaltschaft hatte aber weder die Redaktion noch den mutmasslichen Kommentarschreiber auf dieses Recht aufmerksam gemacht.
Schliesslich hatte Staatsanwalt Burgermeister über die zuständigen Bundesstellen und die Swisscom Auskunft darüber verlangt, wer hinter der ermittelten IP-Adresse steht, unter welcher der Kommentar eingeschickt worden war.
Für eine solche Teilnehmeridentifikation schreibt die Strafprozessordnung einen richterlichen Beschluss des Massnahmengerichts vor.
In den Akten, die «Inside Justiz» vorliegen, sei ein solcher allerdings nicht zu finden.
Damit habe Burgermeister ein weiteres Mal gegen geltendes Recht verstossen, so Roger Huber.
Für den Chefredaktor und Präsident des Trägervereins von «Inside Justiz» ist deshalb klar: «Wir reden hier nicht von einer Bagatelle, sondern von einem schweren Verstoss gegen die Pressefreiheit, wie sie sonst nur aus autokratisch regierten Staaten kennen, wo es keine Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gibt. Dieser Vorgang sollte allen Medienschaffenden in diesem Land zu denken geben.»
Das Verfahren gegen den Chefredaktor selbst wurde von der Staatsanwaltschaft St.Gallen übrigens ergebnislos eingestellt.
Der ausführliche Artikel von Inside Justiz ist nachzulesen unter: inside-justiz.ch