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St. Gallen
22.12.2024

Das Rind ist ein Auerochse

Madeleine Geiger, Leiterin Sammlung und Forschung, vor der neu eingerichteten Vitrine
Madeleine Geiger, Leiterin Sammlung und Forschung, vor der neu eingerichteten Vitrine Bild: Naturmuseum St.Gallen
Seit vielen Jahren sind im Naturmuseum St.Gallen Knochen eines vermeintlichen «Auerochsen» zu sehen.

Neue Forschung an den 50-jährigen Fundstücken von einer Baustelle in Goldach hat nun gezeigt, dass nicht diese Knochen zu einem Auerochsen gehören, sondern diejenigen eines Rinderartigen, die auf dem St.Galler Marktplatz gefunden wurden.

Wer sich mit Sammlungsobjekten in der Ausstellung des Naturmuseums St.Gallen auseinandersetzt, geht von der Richtigkeit der beschriebenen Fakten aus. Doch weiterführende Forschung mit den Objekten kann auch neue Erkenntnisse ans Licht bringen. Dies ist aktuell der Fall mit dem Goldacher «Auerochsen», dessen Schädel und Knochenmaterial seit mehreren Jahren ausgestellt ist.

Jünger als gedacht

Entdeckt wurde er 1974 auf einer Baustelle in Goldach, wo ihn die Kantonsarchäologie freilegte. Aus der Fundlage und der Grösse des mächtigen Tieres schätzten Experten sein Alter auf ungefähr 12'000 Jahre, was auf einen Auerochsen – die Wildform des Hausrindes – schliessen liess. Der Fund machte in den 70er-Jahren schweizweit Schlagzeilen.

Doch die Schädel- und die Hornform passten aus Sicht von Madeleine Geiger, der heutigen Leiterin Sammlung und Forschung des Naturmuseums St.Gallen, und ihren Kollegen nicht zu einem Auerochsen.

Sie veranlasste eine Radiokarbondatierung an der ETH Zürich, mittels der sich der Gehalt des radioaktiven Kohlenstoffs (C14) in organischem Material wie Knochen messen lässt. Aus den Ergebnissen sind Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt möglich. Die Radiokarbondatierung zeigte, dass das Tier zwischen 1694 und 1918 verendete, als die Auerochsen bereits ausgestorben waren.

Links der vermeintliche Auerochse, rechts die Knochen des echten Auerochsen Bild: Naturmuseum St.Gallen

Älter als vermutet

Genau umgekehrt ist der Fall aber bei den in der Sammlung des Naturmuseums enthaltenen Knochenstücken eines Rinderartigen, die 1961 bei Bauarbeiten auf dem St.Galler Marktplatz gefunden wurden. Die Radiokarbondatierung ergab dort ein Alter von rund 10'500 Jahren.

Damals gab es in Westeuropa aber noch keine domestizierten Hausrinder, weshalb es sich in diesem Fall tatsächlich um einen Auerochsen handelt. Dazu passt gemäss Madeleine Geiger auch die für Auerochsen typische Hornform dieses Tieres. 

Um die neuen Erkenntnisse zu beiden Sammlungsobjekten der Öffentlichkeit zu präsentieren, wurde im vierten Stock neu eine Vitrine eingerichtet, in der auch die Forschungsmethode der Radiokarbondatierung erklärt wird. 

Ergänzend ist im neuen Band der St.Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft (NWG) ein ausführlicher Bericht von Madeleine Geiger, dem paläontologischen Präparator Urs Oberli sowie der Archäozoologin Martina Pacher zu den Forschungsergebnissen enthalten.

pd/jos/toggenburg24