Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
St. Gallen
23.12.2024

Tempo-30-Offensive der Stadt geht weiter

(Symbolbild)
(Symbolbild) Bild: Archiv
An der Gottfried-Keller-Strasse entsteht seit dem 12. Dezember 2024 eine Tempo-30-Zone.

Weshalb die Stadt trotz Kritik weiter am flächendeckenden Ausbau von Tempo 30 festhält, erklärt Christian Hasler, Bereichsleiter Verkehr und stellvertretender Stadtingenieur beim Tiefbauamt der Stadt St.Gallen.

In der Planung von Tempo-30-Zonen beruft sich die Stadt St.Gallen auf die Signalisationsverordnung sowie auf das Lärmschutzgesetz des Bundes. Die Auswahl der Strassen, auf denen Tempo 30 eingeführt werden soll, erfolgt auf Basis dieser Vorgaben.

Die Frage, welche Kriterien zur Einführung von Tempo 30 auf der Gottfried-Keller-Strasse herbeigezogen wurden, beantwortete die Stadt nicht. Die Signalisationsverordnung gibt eine Auswahl für mögliche Beweggründe vor: Die Höchstgeschwindigkeit kann demzufolge herabgesetzt werden, wenn:

  • «eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben ist
  • bestimmte Strassenbenützer eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes bedürfen
  • auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann
  • dadurch eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden kann. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu wahren.»

Stadtrat entscheidet auf Grundlage von Empfehlungen

Der Stadtrat entscheidet jeweils über die Einführung einer Tempo-30-Zone. «Die Entscheidung folgt basierend auf den Empfehlungen der Verkehrsfachleute des Tiefbauamtes und der Stadtpolizei», erklärt Christian Hasler, Bereichsleiter Verkehr und stellvertretender Stadtingenieur.

Nachdem die Einführung beschlossen ist, werde die Verkehrsanordnung öffentlich ausgeschrieben. Für die Bevölkerung bestehe ausserdem die Möglichkeit, gegen die Verkehrsanordnung Einsprache zu erheben.

Im Fall der Gottfried-Keller-Strasse habe man auch den betroffenen Quartierverein informiert: «Der Quartierverein Tschudiwies-Centrum wurde über das Vorhaben informiert, hat jedoch auf eine Stellungnahme verzichtet», berichtet Hasler.

Kanton will kein Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen

Was Tempo 30 angeht, sind die Stadt und der Kanton St.Gallen nicht immer gleicher Meinung. Ein gemeinsames Mobilitätskonzept aus dem Jahr 2022 sah vor, dass schrittweise auf diversen Abschnitten in der Stadt Tempo 30 eingeführt werden solle. So waren damals auch Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsachsen wie der Zürcher Strasse oder der Rorschacher Strasse geplant.

Die Rückmeldungen zum Projekt fielen jedoch sehr kritisch aus. Der Regierungsrat entschied im Sommer 2023, auf der Ost-West-Hauptverkehrsachse auf Tempo 30 zu verzichten. Weil dadurch das Projekt nur noch Stückwerk war und nicht sinnvoll umgesetzt werden könnte, wurde es im Mai 2024 vom Kanton gekippt.

Stadt setzt weiter auf Tempo 30

Trotz dessen hält die Stadt an Tempo 30 fest. «Die Stadt erachtet Temporeduktionen als wichtigen Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor Strassenlärm und zur Steigerung der Verkehrssicherheit und Lebensqualität. Deshalb wird sie das Thema Geschwindigkeitsreduktion auf Gemeindestrassen weiterverfolgen», betont Hasler.

Dieses Ziel zeigt auch einen Blick auf den digitalen Stadtplan. Der Grossteil ausserhalb des Zentrums befindet sich in einer Tempo-30-Zone der Stadt. Die Gottfried-Keller-Strasse liegt genau zwischen zwei solchen Zonen.

Auf die Frage, ob die Stadt sämtliche Gemeindestrassen mit Tempo 30 belegen wolle, antwortet Christian Hasler: «Sofern eine Temporeduktion aus Lärmschutzgründen oder Sicherheitsgründen notwendig und verhältnismässig ist, wird eine solche Massnahme dem Stadtrat zur Genehmigung vorgelegt. Erfahrungen und Untersuchungen zeigen, dass der Verkehrsfluss dadurch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird.»

«Alle Verkehrsteilnehmer werden berücksichtigt»

Der Kritik, Autofahrer und Personen, die auf das Auto angewiesen sind, würden bei der Verkehrsplanung vernachlässigt, widerspricht Hasler: «Bei der Planung werden alle Verkehrsteilnehmer sowie die Anwohner mitberücksichtigt. Es geht stets um ein Gesamtkonzept, das alle Verkehrsarten berücksichtigt.»

Aspekte wie Verkehrsfluss, Verkehrsroutenwahl und Verkehrssicherheit spielten bei der Planung eine wichtige Rolle. Bezüglich der Sorge, die Tempo-30-Zone könnte zu einem Zeitverlust führen, beruhigt Hasler: «Ein möglicher Zeitverlust infolge der Temporeduktion bewegt sich im Vergleich zur effektiv gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit im Bestand in einem eher geringen Mass.»

Die Gottfried-Keller-Strasse ist nicht die einzige in der Stadt, auf der die Geschwindigkeit reduziert werden soll. Neben ihr soll künftig auch noch auf einigen anderen Strassen Tempo 30 herrschen, so beispielsweise auf der Demutstrasse oder der Davidstrasse.

Zieglers Meinung: Wann sind die Automobilisten an der Reihe? 

Offenbar hat sich die Stadt St.Gallen endgültig dem Ziel verschrieben, den Autofahrern das Leben so schwierig wie nur eben möglich zu machen. 

Während Velofahrer regelrecht hofiert werden und ihnen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wird, geht der Kreuzzug gegen den motorisierten Individualverkehr unbeirrt weiter. Die Einführung einer weiteren Tempo-30-Zone auf der Gottfried-Keller-Strasse zeigt exemplarisch, wie weit die Stadt bereit ist, zu gehen, um den Autofahrer zu gängeln.

Und mit der Gottfried-Keller-Strasse ist noch längst nicht «Ende Feuer» gegen die Automobilisten:

Die Stadt plant ganz unverfroren, flächendeckend Tempo 30 einzuführen – ungefragt, ohne Not, nur damit der «böse» Autoverkehr endlich zum Erliegen gebracht wird.

Es drängt sich die Frage auf, ob die Damen und Herren Stadträte im Rathaus – ihrem «Elfenbeinturm» – die arbeitende Bevölkerung «nur» vergessen haben oder ob diese ihnen schlicht egal ist. 

Warum wird nie an den Autofahrer gedacht?

Mehr Parkplätze, ein flüssigerer Verkehrsfluss und spürbare Verkehrserleichterungen sind längst überfällig. Stattdessen wird man mit fragwürdigen Argumenten wie Lärmschutz und Verkehrssicherheit abgespeist. Dabei ziehen diese Begründungen im Zeitalter leiser, sauberer und intelligenter Elektroautos schlicht nicht mehr.

Wann kommt endlich ein Umdenken?

Oder bleibt das Auto weiterhin der Feind Nummer eins der Stadt? Für die arbeitende Bevölkerung, die auf das Auto angewiesen ist, bleibt die hiesige Verkehrsplanung ein frustrierendes Trauerspiel.

Stephan Ziegler, Chefredaktor stgallen24

Was denken Sie? Ist die flächendeckende Einführung von Tempo 30 auf städtischem Gebiet für Sie in Ordnung oder gar notwendig? Schreiben Sie uns auf redaktion@stgallen24.ch

 

jos/stz./toggenburg24