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11.01.2025

Fussballer profitierten vom «Grenzgängerstatus»

Didi Metzler (r.) mit Ivan Zamorano (M.) und Urs Fischer
Didi Metzler (r.) mit Ivan Zamorano (M.) und Urs Fischer Bild: Archiv
In den 1980er-Jahren nutzte der FC St.Gallen den sogenannten «Grenzgänger-Paragraphen», um talentierte Fussballer aus dem nahen Vorarlberg zu verpflichten.

Spieler wie Dietmar «Didi» Metzler und Martin Gisinger prägten mit ihrer Leidenschaft und ihrem Können eine aufregende Zeit im Ostschweizer Fussball – und machten das Espenmoos zu ihrer Bühne.

Es war eine wilde Zeit im Schweizer Fussball, die 1980er-Jahre. Alternde Weltstars wie Karl-Heinz Rummenigge (Servette Genf), Kurt Jara (Grasshoppers Zürich), Mats Magnusson (Servette Genf) oder der französische Europameister Bernard Genghini (ebenfalls Servette) gaben sich in der damaligen Nationalliga A die Ehre.

In St.Gallen begann der blutjunge Chilene Ivan Zamorano seine grandiose Karriere, während der italienische Weltmeister Marco Tardelli (Juventus) diese dort ausklingen liess.

Mittendrin in dieser Ansammlung von jungen und alternden Superstars bewegten sich auch einige weniger bekannte Vorarlberger, die als sogenannte «Grenzgänger» das Ausländerkontingent des bereits 1879 gegründeten Ostschweizer Vereins nicht belasteten.

Der sogenannte «Grenzgänger-Paragraph» erlaubte es peripher gelegenen Vereinen, neben einem einzigen Ausländer zwei weitere Spieler aus grenznahen Gebieten zu verpflichten. Der Rayon war jedoch auf 30 Kilometer eingeschränkt.

Wer waren nun die Vorarlberger Kicker?

Beginnen wir mit dem seinerzeit populärsten Vertreter des österreichischen «Grenzgängerkontingents»: Dietmar «Didi» Metzler, der 1985 das Dress der «Espen» überstülpte. Gross geworden war Metzler beim FC Götzis im Vorarlberg, ehe ihm beim St.Galler Club FC Widnau viele Tore gelangen.

In Österreich hatte sich ihm keine Gelegenheit geboten, sich im Profifussball zu etablieren, sodass Metzler froh war über das Angebot des FC St.Gallen. Die Anerkennung des Grenzgängerstatus verzögerte sein Debüt um einige Wochen. 

Gleich beim ersten Einsatz gegen den FC Wettingen traf Metzler doppelt, eines der Tore war ein «Wembley-Tor», das die mitgereisten Fans verzückte. Schnell avancierte er zum Publikumsliebling, auch wegen seiner schnellen Dribblings und genauen Flanken. 

Metzler war Fussballer mit jeder Faser seines Körpers, die Fans spürten sein Herzblut. «Diiidi, Diiidi», schrien sie durchs altehrwürdige, schmucke Espenmoos, ein Stadion mit einer Kapazität von etwa 15’000 Zuschauern, das an die Arenen unterklassiger englischer Vereine erinnerte.

Später wechselte Metzler nach Linz, wo er insgesamt sechs Jahre verbrachte, erst beim LASK, dann bei Stahl Linz, was ihm den unverdienten Ruf eines Verräters einbrachte. Sein Spitzname war «Turbo», und neben Gerhard Rodax und Andreas Ogris gehörte er zu den schnellsten Stürmern des Landes. Für ein Aufgebot ins Nationalteam reichte es Metzler leider trotzdem nie. Nach seiner Karriere kehrte er ins Rheintal zurück und trainierte dort unterklassige Mannschaften. Er lebt mit seiner Partnerin Anita in Hohenems.

Ein Vorgänger Metzlers beim FC St.Gallen war von 1977 bis 1985 der elegante, gut aussehende, defensive, bissige Mittelfeldspieler Martin Gisinger (geboren 1955), der es bis ins österreichische Nationalteam schaffte und dort in sieben Einsätzen immerhin zwei Tore erzielte.

Gisinger wurde bei Mäder sowie beim Zweitligisten FC Dornbirn 1913 ausgebildet und entwickelte dort seine Qualitäten und seine ausgesprochene Torgefahr. In der schweizerischen Nationalliga A erzielte er, bemerkenswert für einen Defensiven, beinahe 50 Tore, viele davon per Freistoss.

Gerhard Ritter und Martin Gisinger, 1978 Bild: Archiv

Martin Gisinger würzte den kampfbetonten Stil der «Espen» mit einer Prise Raffinesse. Nach seinen besten Jahren bei St.Gallen wechselte er über den Rhein zum FC Vaduz ins Fürstentum Liechtenstein, wo er seine Karriere ausklingen liess. Schon früh, mit nur 22 Jahren, hatte Gisinger in Mäder ein Haus gebaut und bei der örtlichen Raiffeisenbank gearbeitet.

Zunächst arbeitete er auch während seiner Zeit beim «FCSG» weiter in der Bank und ging nur zum Abendtraining, ehe die Belastung zu gross wurde und er zum «Standby-Profi» wurde. Seine Frau wollte Vorarlberg nie verlassen, was vielleicht der Grund war, weshalb die ganz grosse Karriere ausblieb. Gisinger war ein Familienmensch und einer der letzten Spieler, die Beruf und Fussball unter einen Hut brachten.

Gerhard Ritter (geboren 1956 in Dornbirn), ein Jugendfreund Gisingers, spielte ebenfalls für St.Gallen.

Ritter war ein begabter, torgefährlicher offensiver Mittelfeldspieler. Er half mit, den FCSG vom «Zitterclub» zu einem schweizerischen Spitzenclub zu entwickeln, der sogar in Europa mithielt und gegen Inter Mailand remisierte.

Ein weiterer Vorarlberger «Grenzgänger» war Hannes Gort (geboren 1963). Gort spielte drei Jahre in St.Gallen und war ein verlässlicher Abräumer im Mittelfeld, der allerdings eher unauffällig agierte.

Das Bosman-Urteil brachte ab 1992 die Freizügigkeit für EU-Fussballer. Der «Grenzgänger-Paragraph» hatte jedoch den FC St.Gallen eine Zeit lang bevorteilt und dem Traditionsverein ermöglicht, gute Spieler aus dem «Ländle» zu integrieren.

Dr. phil. Fabian Brändle, Historiker und Volksschriftsteller