Nationale kirchliche Informationsstelle ist bereit
Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den kantonal anerkannten Opferberatungsstellen war die Schaffung einer Informationsstelle seitens der Kirche, welche die unabhängigen Beraterinnen und Berater in sämtlichen kirchenspezifischen Fragen unterstützt. Sie nimmt die Anfragen der
Opferberatungsstellen entgegen und beantwortet diese mit Unterstützung eines Pools von
Fachpersonen, die mit kirchenrechtlichen Fragen sowie mit den Strukturen und Institutionen der
katholischen Kirche in der Schweiz vertraut sind. Angelica Venzin ist als Ansprechperson der
deutschen Schweiz tätig, für die lateinische Schweiz ist es Béatrice Vaucher. Der Aufbau des Pools
an Fachpersonen ist in Gang.
Das Zusammenwirken der Opferberatungsstellen mit der kirchlichen Informationsstelle wird nach einer zweijährigen Pilotphase evaluiert.
Grundlagen für die Professionalisierung des Personalmanagements sind erarbeitet
In den letzten Monaten wurde mit dem für HR-Fragen spezialisierten Unternehmen von Rundstedt ein Leitfaden erarbeitet, der Standards zur Führung und Archivierung von Personaldossiers sowie der Weitergabe von Personalinformationen formuliert. Um die Praxistauglichkeit auf allen Ebenen
sicherzustellen, werden nun Rückmeldungen bei Personalverantwortlichen eingeholt.
Schulungsangebote zur Umsetzung des Leitfadens starten voraussichtlich Mitte 2025.
In Zusammenarbeit mit Prof. Jérôme Endrass, Leiter Forschung & Entwicklung beim Amt für
Justizvollzug und Wiedereingliederung des Kantons Zürich, und seinem Team wurde ein
psychologisches Assessment (Abklärungsverfahren) ausgearbeitet. Dieses dient als Basis für ein
sorgfältiges und schweizweit einheitliches Auswahlverfahren. Priesteramtskandidaten sowie
angehende Seelsorger und Seelsorgerinnen werden dieses Assessment künftig standardmässig
durchlaufen.
Die katholische Kirche hat dafür verbindliche Standards festgelegt. Grundlage bilden
Basiskompetenzen, die für den Erwerb seelsorgerischer Fertigkeiten und eine erfolgreiche
Berufsausübung erforderlich sind. Ziel des Assessments ist die Überprüfung dieser Kompetenzen
sowie die Identifikation möglicher Risiken für Dritte. Die Bischofskonferenz hat der flächendeckenden Einführung und Umsetzung der Assessments ab Mitte 2025 zugestimmt. Dazu sind nun Fragen zu Organisation und Kommunikation zu klären.
Weitere Massnahmen sind in Arbeit (mehr dazu im beiliegenden Faktenblatt):
– Im Herbst 2024 haben die zuständigen vatikanischen Stellen in Rom der Schaffung des nationalen
kirchlichen Straf- und Disziplinargerichts zugestimmt. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von
Bischof Joseph Maria Bonnemain erarbeitet nun die rechtlichen Grundlagen. In dieser
Arbeitsgruppe wirken neben kircheninternen Kirchenrechtsexperten auch Prof. Dr. Brigitte Tag
(Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medizinrecht an der Universität Zürich) und Pierre Cornu (Richter am Obergericht des Kantons Neuenburg) mit. Bereits in Gang ist auch die Suche
nach dem künftigen Gerichtspersonal.
Ziel des Gerichts ist, die Gefahr der Befangenheit zu reduzieren und die korrekte und schweizweit
einheitliche Anwendung der kircheneigenen Richtlinien und Strafnormen im Umgang mit
Missbrauchsfällen zu gewährleisten. Analog zum staatlichen Strafverfahren sollen im kirchlichen
Strafverfahren die Schutz-, Informations- und Verfahrensrechte der Betroffenen definiert und
garantiert werden. Dabei haben die zivilen schweizerischen Strafgesetze und das Einschalten der
Strafverfolgungsbehörden weiterhin in jedem Fall Vorrang.
– Seit Januar 2024 läuft die dreijährige historische Fortsetzungsstudie, welche die Kirche bei der
Universität Zürich in Auftrag gegeben hat und mit 1,5 Mio. Franken finanziert. Die Resultate werden
2027 präsentiert.
– Bereits 2023 haben sich die Bistümer und Landeskirchen sowie zahlreiche Ordensgemeinschaften
verpflichtet, künftig keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen
stehen.
Nationale Dienststelle neu mit Dreierteam für alle drei Sprachregionen
Im Juli 2024 hat die nationale Dienststelle Missbrauch im kirchlichen Kontext unter der Leitung von
Stefan Loppacher ihre Arbeit aufgenommen. Seit Anfang Januar 2025 verstärken Annegret Schär und Mari Carmen Avila das Team. Mit 140 Stellenprozenten wird die Dienststelle im Auftrag der drei
kirchlichen Institutionen die gemeinsam beschlossenen Massnahmen zur Verhinderung von
Missbrauch und dessen Vertuschung bearbeiten und koordinieren.
Statements der drei kirchlichen Auftraggeberinnen:
«Die Betroffenen von Missbrauch im kirchlichen Umfeld sowie die gesamte Gesellschaft sollen sich vergewissern können, dass die katholische Kirche in der Schweiz Machtmissbrauch bekämpft und griffige Präventionsmassnahmen umgesetzt hat. Den Worten und Versprechungen sind Taten gefolgt. Der Prozess der wirkungsvollen Verhinderung von Missbrauch jeglicher Art wird dennoch niemals beendet sein. Die Kirche, wie die gesamte Gesellschaft, muss sich dem Thema auf allen Ebenen und in jeder Form ihrer Auswüchse fortlaufend annehmen, um gemeinsam die nötigen präventiven Massnahmen auszuarbeiten und umzusetzen.»
Joseph Maria Bonnemain, Bischof von Chur und Themenverantwortlicher der SBK
«Gewisse erste Meilensteine wurden 2024 erreicht; die Intensität der Weiterarbeit an der Umsetzung dieser Massnahmen wird nicht abnehmen und uns noch lange beschäftigen. Wir wollen das
gesamtschweizerische Umfeld mit unseren verschiedenen Sprachen, Kulturen, Erfahrungen und
rechtlichen Strukturen nutzen, um, mit Einbezug der Betroffenenorganisationen, breitabgestützte
Lösungen für unsere Kirche zu finden.»
Roland Loos, Präsident der RKZ
«Die Ordensgemeinschaften – insbesondere die Männerorden, in deren Reihen sich
erwiesenermassen bereits verstorbene oder noch lebende Täter finden – tragen nach wie vor eine
besondere Verantwortung gegenüber den Opfern von sexuellem und anderen Formen von
Missbrauch. Obwohl sich viele Ordensgemeinschaften in einer personell prekären Lage befinden, sind sie sich der Pflicht bewusst, die beschlossenen Massnahmen mitzutragen und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in ihren Zuständigkeitsbereichen umzusetzen. Trotz ihres fragilen Zustandes wollen sie auf ihre ordensspezifische Weise den für die gesamte Kirche überfälligen Kulturwandel aktiv mitgestalten und voranbringen.»
Pater Peter von Sury, Mariastein, Themenverantwortlicher der KOVOS