Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Region
12.03.2025
15.03.2025 10:47 Uhr

Zuviel Widerstand gegen Ritter

Daniel Salzmann.
Daniel Salzmann. Bild: Schweizer Bauer
Mitte-Nationalrat und Landwirt Markus Ritter hat die Wahl in den Bundesrat letztlich relativ deutlich verpasst.

Lesen Sie hier die Analyse von Daniel Salzmann, dem Chefredaktor des «Schweizer Bauer». Er denkt, dass Ritters Neigung, bisweilen sehr selbstbewusst aufzutreten und auch mal einen politischen Triumph ein Stück weit auszukosten, eine Rolle gespielt haben könnte.

Ende Januar lancierte Markus Ritter seine Bundesratskandidatur im Kanton St. Gallen. Sein Auftritt war absolut souverän. Die allermeisten Medienleute waren stark beeindruckt. Aber der Auftritt war auch sehr selbstbewusst, vielleicht zu selbstbewusst. Überraschend war, dass den sonst so gut Vorbereiteten die erwartbare Frage, ob es nicht ein Problem sei, dass bei einer Wahl von ihm nur noch zwei Frauen im Bundesrat wären, ins Straucheln brachte.

Er deutete vor zwanzig offenen Mikrofonen in holprigem Französisch an, für die Frauen in der Mitte-Partei seien Sicherheitsthemen vielleicht schwierig. Diesen eigentlich kleinen Fehltritt brachte der linksliberale Tamedia-Titel «20Minuten» sofort als grosse Schlagzeile, und der Fauxpas wurde in der Folge von den grossen Medien, die sowieso alles dafür taten, Ritter zu verhindern, dutzendfach aufgegriffen.

Im Wahlkampf verbog er sich nicht 

Auch, dass Ritter in einem Interview suggerierte, in den Städten werde weniger hart gearbeitet als auf dem Land, war taktisch ungeschickt, auch wenn sein enormer Fleiss unbestritten ist und die Aussage mit Blick auf viele fleissige Bauersleute in vielen Fällen zutreffen mag. Vermutlich hat Ritter sich im Wahlkampf bewusst nicht verbiegen wollen. Er hat das Bundesratsrennen nicht um jeden Preis gewinnen wollen. Sonst hätte er beispielsweise seine Skepsis zu den ausgehandelten neuen Verträgen zwischen der EU und der Schweiz nicht so deutlich machen dürfen.

Auch sein klares Bekenntnis zu einer eigenständigen Verteidigungsfähigkeit der Schweiz oder seine Worte, für ihn stehe jetzt wieder eindeutig die Verteidigung im Vordergrund, während der Bevölkerungsschutz und der Sport zurückstehen müssten, waren ehrlich und durchaus der Sache angemessen, konnten aber Linke verschrecken. Diese Ehrlichkeit ist Ritter positiv anzurechnen. Es gibt genug Berufs-und Karrierepolitiker, die alles oder nichts sagen, nur um gewählt zu werden. Ritter war ja vor den Absagen viel genannter Kandidaten wie Gerhard Pfister oder Martin Candinas auch nicht als Bundesratskandidat gehandelt worden. 

SRF: «Meisterlandwirt»=«Bauernverbandspräsident» 

Bis zuletzt wurde Markus Ritter von den grossen Medien in die Ecke des Bauernlobbyisten gedrängt. Sein christlicher Glaube, der bei einem Mitglied der früher christlichdemokratischen Volkspartei genannten Mitte-Partei als selbstverständlich vorausgesetzt werden könnte, wurde problematisiert. Hat man bei Simonetta Sommaruga seinerzeit überlegt, ob sie eine Atheistin ist? Natürlich nicht. Der «Tages-Anzeiger» schrieb am Dienstag vor der Wahl auf der Titelseite, mit Ritter könnten die Bauern noch mächtiger werden.

Die «NZZ am Sonntag» schrieb am Sonntag zwei Sätze von Ritter (Zitate von ihm) und etwa 30 negative Sätze über ihn. Bezeichnend war auch, dass während der Übertragung der Bundesratswahl im Staatsfernsehen SRF eine Aussage auf Französisch von Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy falsch übersetzt wurde. Bregy sagte, Ritter sei «ingénieur en gestion d'entreprise et maître agriculteur», also «Wirtschaftsingenieur und Meisterlandwirt». Der SRF-Sprecher übersetzte das mit «Bauernverbandspräsident».

Er musste im Auftrag der Bauern kämpfen

Markus Ritter hat seit 2012 als Präsident des Schweizer Bauernverbandes den Auftrag, die Interessen der fast 50'000 Bauernfamilien und Landwirtschaftsbetriebe zu vertreten. In ihrem Dienst musste er gegen radikale Volksinitiativen von der linksgrünen Seite antreten. Die Trinkwasser-Initiative etwa hätte die Schweizer Landwirtschaft auf den Kopf gestellt, stiess aber auf viele Sympathien in der Bevölkerung. Er musste politisch hart kämpfen gegen das politische Linksgrün und gegen die Umweltverbände, die ihn in der Kampagne «Agrarlobby stoppen» im Herbst 2020 sogar persönlich angriffen und der Lächerlichkeit preisgeben wollten.
Um Mehrheiten für die Bäuerinnen und Bauern, die ihn ins Amt des Bauernpräsidenten gewählt hatten, zu erreichen, musste er im politischen Alltag auch Druck ausüben, Drohkulissen aufbauen, Gegengeschäfte eingehen. Ritter hatte bei allen wichtigen Abstimmungen, bei vielen parlamentarischen Geschäften und durchgehend in Fragen des Budgets Erfolg, was auch immer gross dargestellt wurde und wird in den Medien.

Bauernverband gerne als mächtig dargestellt

Der Bauernverband wird von den linksliberalen Medien und den Umweltschutzverbänden gerne grösser und mächtiger dargestellt, als er ist, um die Notwendigkeit des Widerstands, des Aufbaus von Gegenkräften (wie der Kleinbauernvereinigung von Kilian Baumann) und von finanziellen Spenden zu rechtfertigen. Der Bauernverband hat es, wie überhaupt alle anderen politisch bürgerlich geprägten Wirtschaftsverbände, bislang nicht geschafft, auf die Staatsnähe der linken und grünen NGOs (non-governmental organisations, Nichtregierungsorganisationen) aufmerksam zu machen, unter anderem auf die Steuerbefreiung trotz politischen Aktivitäten.

Wenn dies nicht gelingt, müssen auch die Wirtschaftsakteure eigene Organisationen für den politischen Nahkampf aufbauen, die mit ins Tendenziöse greifenden Aussagen und visionären bis utopischen Forderungen die öffentliche Debatte in eine bestimmte Richtung lenken können. 
 

Erfolge trugen zur Niederlage bei

Gerade seine bisherigen Erfolge als Bauernvertreter haben zu seiner Niederlage Ritters bei den Bundesratswahlen beigetragen. Man wusste, dass er entschlossen vorgeht und sich durchsetzen kann und  keinen Kampf scheut. Sicher hatte Ritter ob all seiner Erfolge und dem trotzdem intakten Familienleben auch mit Neid unter den Parlamentariern zu kämpfen. Man hörte auch, dass die Generäle, wie die Höheren Stabsoffiziere heutzutage fälschlicherweise oft genannt werden, sich vor Ritter fürchteten, weil sie dachten, er weise sie in ihre politischen Schranken oder stelle vielleicht sogar einige vor die Türe oder komplimentiere sie mindestens mit netten Worten in den Ruhestand. 

Als einer, der seit 2011 so viele Interviews gegeben hat und bei vielen tausend Abstimmungen den Knopf drücken musste, war er absolut durchsichtig, und die Medien konnten beispielsweise «beweisen», dass er in Asyl-Fragen fast so tickt wie die SVP. Sein Kontrahent Martin Pfister hingegen musste als Zuger Regierungsrat noch nie zu bundespolitischen Asyl- oder Umweltschutzfragen mit Ja oder Nein Stellung nehmen. Und er hatte bis zur Wahl immerhin einige Wochen Zeit, um sich mit vielen Leuten im Bundeshaus zu treffen, und er hat das als vielfältige und sympathische Person offensichtlich sehr gut gemacht, und darum ist Martin Pfister zur Wahl als Bundesrat auch herzlich zu gratulieren.  

Das Problem an der Wurzel angehen

Und doch muss sich der Bauernverband auch fragen, was er über das Bodigen von linksgrünen Volksinitiativen an der Urne hinaus tun kann, um dem verbreiteten Bauernbashing den Nährboden zu entziehen, nicht die Symptome zu bekämpfen, sondern das Problem an der Wurzel zu packen und die Bauernfamilien noch verbreiteter noch sympathischer darzustellen. Dem angeblich so mächtigen und einflussreichen Bauernverband und seinen vielen Mitgliedverbänden ist es bisher auch nicht gelungen, wissenschaftliche Erkenntnisse zum Methankreislauf und zum Wert der tierischen Proteine, das unterschiedliche Messen der Gewässerqualität in der EU und in der Schweiz, oder etwa den Wert der Berglandwirtschaft für den Tourismus in der Öffentlichkeit und in der Bevölkerung zu verankern, um nur einige Beispiele zu nennen.

Auch die Frage «Wo und wie werden die Importe produziert, die an die Stelle der einheimischen Lebensmittel treten, die wir nicht mehr produzieren?» hört man nur von Landwirtschaftsvertretern an landwirtschaftlichen Veranstaltungen und sonst nirgendwo.

Neigung, zu stark zu triumphieren?

Und es muss auch gefragt werden, ob nicht der Schweizer Bauernverband und Markus Ritter in letzter Zeit eine gewisse Neigung zum Triumphalismus bekommen haben. Gemeint ist damit eine überzogene Siegesgewissheit beziehungsweise der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Seite. In dieses Kapitel gehört, dass der frühere SBV-Kampagnenführer Urs Schneider gerne darüber referiert, wie man linksgrüne Initiativen an der Urne bodige. Zugegeben, es war ja auch so, dass im Vorfeld viele nicht mehr an ein Nein zur Trinkwasser-Initiative glaubten.  Aber Aussagen in den Medien und Vorträge dazu dürften für die Sache der Bauern langfristig wenig hilfreich sein. 

In einer kurzen SRF-Filmsequenz, die während der Bundesratswahl ausgestrahlt worden ist, sagte Markus Ritter, dass Demut und Bescheidenheit ihm auch im Bundesrat hälfen. Vielleicht verrät diese Aussage, dass Ritter weiss, dass ihm diese Eigenschaften nicht alle abnehmen, nicht in Bezug auf die persönliche Bescheidenheit in seinem (äusserlichen) Leben, basierend auf seinem christlichen Glauben, dass letztlich alles in den Händen Gottes liegt – da sind seine Bescheidenheit und seine Demut unbestritten. Vielmehr geht es um sein Wirken als Politiker und Interessenvertreter, wo seine intellektuelle Brillanz, seine strategischen und taktischen Fähigkeiten, sein grosses Wissen, seine rhetorische Stärke und natürlich all die bisher erzielten Erfolge ihn zu einem gewissen Triumphalismus verführen können.

In dem Sinn waren sein Auftritt im Bahnhof St. Gallen und die ersten Interviews wahrscheinlich zu selbstbewusst und zu offensiv. Vielleicht hatte Ritter auch gedacht, dass nach all den Absagen in der Mitte-Partei und seinem Antreten als bestens etablierter und offensichtlich begabter Politiker gar keine andere Person mehr eine Kandidatur gegen ihn wagt.

«Kurz und schmerzhaft» 

Nun, die Wahl ist vorbei. Kurz und schmerzhaft, wie es eine St. Gallerin Bäuerin ausdrückte. Schon kurz nach 9 Uhr war am Mittwochmorgen klar, dass Ritter nicht gewählt ist. Souverän und absolut sympathisch war der Auftritt Ritters nach der Nichtwahl, was dem Schreibenden mehrere sofortige Rückmeldungen aus der Bevölkerung bestätigten. Ritter bleibt weitere fast drei Jahre Nationalrat und weitere fast vier Jahre Präsident des Schweizer Bauernverbandes. Es wäre für die politisch organisierte Landwirtschaft nicht einfach geworden, ihn in dieser Rolle jetzt relativ kurzfristig zu ersetzen. Ritter wird seine Arbeitskraft weiter für sein Nationalratsmandat und für sein Amt in der Landwirtschaft einsetzen.

Bald mehr Zeit für die Familie 

Und dann ist es ja auch so, dass Ritter nicht sein ganzes Leben in Sitzungen verbracht hat und sich in seinem Leben nicht einzig der politischen Karriere verschrieben hat. Nein, schon im jungen Alter von 23 Jahren wurde er als selbstständiger Bauer Unternehmer und verbrachte viel Zeit mit seiner Familie. Nach den Rücktritten aus den Ämtern wird er zuhause seinen zwei Söhnen auf dem Hof helfen können, er wird vielleicht besser Zeit haben für eine Wanderung mit seiner Frau Heidi im Alpstein und vielleicht sind ihm auch Grosskinder gegönnt, um die er sich mit Herzblut und Familiensinn kümmern kann.

Als Schlusswort sei hier der Kommentar von Trudi Stieger, Ritters ehemaliger Stadtratskandidatin aus Altstätten SG, wiedergegeben, den sie in der SRF-Sendung direkt nach der Wahl abgab: «Ich glaube, Ritter war zu stark. Der neue Bundesrat muss sich jetzt beweisen. Bundesrat ist eine andere Liga als Regierungsrat. Das Militärdepartement verlangt viel. Auch wenn man im Militär fast der Höchste gewesen ist, das ist noch einmal etwas anderes. Wir danken Markus für die Kandidatur, die er gemacht hat, und wünschen ihm alles Gute.»

 

Daniel Salzmann, Chefredaktor Schweizer Bauer