Der Protestantismus neigt viel mehr als der Katholizismus zur Aufsplitterung in diverse Denominationen. Schon im 18. Jahrhunderten gründeten Toggenburger Pietisten genauso wie ihre Appenzeller oder Emmentaler Glaubensgenossen eigene, so genannte „Konventikel“, trafen sich, misstrauisch beäugt von der reformierten Landeskirche und von orthodoxen Nicht-Pietisten als „Stündeler“ verspottet, um gemeinsam inbrünstig zu beten, die Sünden zu bekennen, die Bibel sowie verschiedene Erbauungsschriften zu lesen sowie Psalmen zu singen.
Der reformierte Krummenauer Bauernsohn Jakob Lieberherr wurde streng religiös erzogen. Vor dem Essen sprachen die Mitglieder der Familie beispielsweise stets als Tischgebet das „Unser Vater“. Auch eine Morgenandacht wurde am Tisch abgehalten. Der Vater war ein fleissiger, strenger Patriarch.
Bibellesen so wichtig wie Morgenessen
Der lange Schulweg war rund drei Kilometer lang. Beim „Hengstenbächlein“ angelangt, kam Jakob Lieberherr oft ins Sinnieren, dachte nach über Gott und die Welt. Im Elternhaus gehörte das gemeinschaftliche Bibellesen zum Morgenessen dazu wie Brot, Milch und Haferbrei. Manchmal konnte der Knabe kaum noch ruhig sitzen, wenn der Vater die Morgenandachten ausdehnte.
«Weber-These» vielfach bestätigt
Jakob Lieberherrs „Feinde“ waren die katholischen Kinder, mit denen er sich auf dem langen Schulwag oft balgte. Gemäss Lieberherr hätten die Katholiken weniger streng gearbeitet als die Protestanten. Der berühmte deutsche Gelehrte Max Weber hat vor über hundert Jahren gemeint, dass Protestanten einen gehörigen Fleiss entwickeln würden, mehr als alle anderen Religionen, und in Askese leben würden, also ihr Geld nicht in Luxus ausgäben, sondern wieder investierten. Diese „Weber-These“ ist heute vielfach bestätigt und vielfach widerlegt. In Arthur Lieberherrs Bemerkungen erkennen wir zwar Vorurteile, aber eben doch ein Körnchen Wahrheit.