Als «Missive des Monats» stellen wir Ihnen jeden ersten Freitag im Monat ein besonders interessantes Schriftstück vor. Heute zeigen wird, dass hohe Verschuldungen weder eine Folge der Erfindung der Kreditkarte noch des Onlinehandels sind.
Misst man die Verschuldung der Schweizer Bevölkerung mit der Anzahl Betreibungen und Konkurseröffnungen, so ist diese stark wachsend. 2023 wurden in der Schweiz mehr als drei Millionen Zahlungsbefehle ausgestellt (gegenüber 2,7 Millionen im Vorjahr). Dieser Anstieg wird unter anderem mit verändertem Konsumverhalten erklärt: Online-Angebote verleiten zu spontanen Käufen, und bargeldlose Zahlungen erschweren die Kontrolle über die eigene Liquidität.
Schaut man allerdings zurück in der Geschichte, so relativiert sich die Ansicht des hohen Verschuldungsgrads von Personen und Firmen im 21. Jahrhundert, und es zeigt sich, dass hohe Verschuldungen weder eine Folge der Erfindung der Kreditkarte noch des Onlinehandels sind.
Am 26. März 1650 traf Post aus Frauenfeld bei der St.Galler Stadtobrigkeit ein. Die Sendung bestand aus zwei Briefen. Der eine stammte von Werner Hurter, ehemaliger Schultheiss, der seine Zeilen an die St.Galler Firma «Hans Fitler und Mitverwandte» richtete. Aus seinem Schreiben geht hervor, dass sein Sohn Franziskus der genannten St.Galler Firma Geld schuldete.
Werner Hurter bot den Gläubigern an, für die Schulden seines Sohnes als Bürge einzustehen und diese gestaffelt zu bezahlen. Im zweiten beigelegten Schreiben empfahl die Frauenfelder Stadtobrigkeit den St.Galler Gläubigern, auf Hurters Angebot einzugehen. Angesichts der derzeitigen Teuerung sei es nicht realistisch, die gesamte Schuldsumme inklusive Zinsen auf einmal zurückzuerhalten.