So wurde sie Teil des engagierten Stadtführer*innen Teams. Zur Zeit sind es acht Personen, die die Geschichte und Geschichten aus dem Städtli an Interessierte vermitteln. Im Jahr 2023, dem Jahr des Wakker Preises, gab es, wie vermutet, deutlich mehr Anfragen für Stadtführungen. Martha Rätz berichtet stolz, dass jede der angefragten Führungen stattfinden konnte.
Viele spannende Themenführungen
Im Angebot sind die historische Stadtführung, die extra für den Wakkerpreis kreierte Stadtentwicklung-Führung und sechs neue Themenführungen. Die Themenführungen werden von den Stadtführer*innen eigenständig entwickelt. Sie recherchieren und bereiten die Inhalte für ihre Führungen selbstständig auf. Martha Rätz hat sich zum Thema Frauenspuren im Toggenburg eingelesen und berichtet, dass dies gar nicht einfach war, da Frauen in der Geschichtsschreibung selten auch nur erwähnt wurden. Ein paar Spuren finden sich aber doch. Gut dokumentiert ist ein Prozess gegen Barbara Rigoltin, die der Hexerei beschuldigt wurde. Auch Salome Bräker, die Frau von Ueli Bräker kommt vor, genauso wie Susanna Müller aus Wattwil, die man als Vorgängerin von Betty Bossi sehen kann und Bücher mit Koch- und Haushaltstipps schrieb. «Ihr Buch wurde über 100 Jahre lang immer wieder überarbeitet und neu aufgelegt. Bleibt noch Babeli Giezendanner zu erwähnen, die durch ihre Bauernmalerei bekannt wurde und ein beachtliches Werk hinterliess», erzählt Martha.
Die Geschichtsschreibung von Frauen beginnt jetzt
Martha Rätz kann sich gut vorstellen, in der Zukunft eine Führung zu erarbeiten, in der sie die heutigen Errungenschaften von Frauen aus Lichtensteig beleuchtet. «Da gibt es sicherlich viel Interessantes zu erzählen!», findet sie. Sie würde gern Interviews mit verschiedenen Frauen aus Lichtensteig machen und so die nächste Führung vorbereiten.
Faszination Jost Bürgi
Die Geschichte von Jost Bürgi erzählt sie an den historischen Führungen immer am liebsten. «Jost Bürgi muss ein ganz spezieller Charakter gewesen sein. Wortkarg und mit einer Inselbegabung, hat er sich viele Dinge selbst beigebracht und seinen Weg ohne Studium bis an die Spitze der damaligen Wissenschaft gemacht», berichtet Martha Rätz beeindruckt. «Ich glaube, dass Jost Bürgi eine Person war, die nur schwer in die damalige Gesellschaft gepasst haben muss. Trotzdem hat er es bis an den Hof von Kassel und später an den Kaiserhof in Prag geschafft!», staunt sie. Hier schlägt sie eine Brücke ins Jetzt: «Jeder Mensch hat besondere Fähigkeiten! Jede Person sollte die Möglichkeit haben, sich ihren Begabungen entsprechend entwickeln und entfalten zu können, ob sozial erwünscht oder nicht!»
Verbindungen schaffen über das Geschichten erzählen
Martha Rätz ist schon oft umgezogen und sie findet es immer sehr bereichernd, die Geschichte der Orte zu kennen, an denen sie wohnt. «Für mich ist das Lernen über die Geschichte immer auch eine Möglichkeit anzukommen und mich mit der Stadt in der ich lebe zu verbinden», erklärt sie. An Lichtensteig mag sie sehr, dass man sich kennt und als Zugezogene schnell aufgenommen wird. Zuletzt lebte sie mit ihrem Mann und ihrer Familie in Uzwil. Durch das Mountain Biken, ihr gemeinsames Hobby, kannten sie Lichtensteig und das Toggenburg bereits. Irgendwann fiel dann die Entscheidung das Haus in Uzwil gegen eine Wohnung in Lichtensteig einzutauschen. Martha Rätz arbeitet an der Sprachheilschule in Wattwil. Sie freut sich bereits auf die nächste Städtliführung.