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Kolumne
09.05.2025
08.05.2025 21:38 Uhr

Friedliches Verhältnis unter den beiden Konfessionen

Stein um 1908. (Symbolbild)
Stein um 1908. (Symbolbild) Bild: pixabay
Der Pfarrer Robert Rotach (1881 bis 1969) lebte ein religiöses Leben in Stein und begann 1953 seine Memoiren unter dem Titel «Mein Lebensgang» zu schreiben.

Der Herisauer Robert Rotach war ein bedeutender reformierter Theologe im Kanton St. Gallen, Pfarrer in St. Mangen.St. Laurenzen in St. Gallen, auch Präsident des kantonalen Kirchenrats 1943 – 1953. Im Jahre 1953 begann er seine Memoiren unter dem Titel „Mein Lebensgang“ zu schreiben und vergass dabei auch seine vier Jahre (1904 – 1908) im gemischtkonfessionellen Stein nicht. Rotach interessierte sich u.a. für das volkskundliche Brauchtum im Obertoggenburg. Die Volkskunde war eine wissenschaftliche Disziplin, die sich um 1900 in der Schweiz zu etablieren begann.

Dreifünftel Anrecht auf die Kirche

In den Steiner Jahren Rotachs gestaltete sich das Zusammenleben der Konfessionen, die sich auch die Kirche paritätisch teilten, vergleichsweise „friedlich“. Das war nicht immer so gewesen, wie der jahrelange erbitterte Streit um die Installation einer Kirchenorgel zeigt. Mit dem katholischen Priester Giger hatte Rotach sogar „das beste Verhältnis“. Giger war ein lebensfroher Geistlicher, der mit Rotach verkehrte, ohne sich auf theologische Diskussionen einzulassen. 

Die Protestanten hatten offiziell dreifünftel Anrecht auf die Kirche. Deshalb waren Bilder- und Blumenschmuck nur äusserst bescheiden. Nachdem einmal der Spruch „Ein Herr, Ein Glaube, Eine Taufe“ auf dem Taufstein übermalt worden war, ging Rotach zu Giger, der die Sache unbürokratisch regelte. Befremdender für den eher kühl-rationalen Pfarrer Jakob Rotach war indessen, dass Prieseter Giger „Exorzist“ war und allerhand magische Praktiken verrichtete. 

Abendmahlbrot gegen Viehseuchen

Aber: „Übrigens war der Aberglaube bei den Protestanten nicht geringer.  Nicht nur traf man bei Protestanten Ställe, über deren Eingang C.M.B. Stand (Caspar, Melchior, Balthasar), sondern ich entdeckte auch einmal, wie unser Mesmer mit dem Abendmahlbrot vom Karfreitag einen schwunghaften Handel trieb; die Bauern benützen es als Abwehrmittel gegen Viehseuchen.“

Quelle

Rüsch, Ernst G. (Herausgeber). Erinnerungen an das Leben in Stein im Togenburg um 1905. Aus den Memoiren von Pfarrer Robert Rotach. In: Toggenburger Annalen 1993, S. 61 – 68.

Dr. Fabian Brändle, Historiker und Volksschriftsteller / Toggenburg24