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06.06.2025
05.06.2025 23:50 Uhr

Seekrieg auf dem Bodensee

Antwortschreiben des schwedischen Oberst Volckmar aus dem Jahr 1648
Antwortschreiben des schwedischen Oberst Volckmar aus dem Jahr 1648 Bild: StadtASG, Missive 3850
Das Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde hat den Briefverkehr («Missiven») der Stadt St.Gallen von 1400 bis 1650 digital erfasst. Als «Missive des Monats» stellen wir Ihnen jeden ersten Freitag im Monat ein besonders interessantes Schriftstück vor. Heute zeigen wir, wie sich der 30-jährige Krieg auch auf unsere Region ausgewirkt hat.

«Seekrieg auf dem Bodensee» bezeichnet die Kriegshandlungen, die ab 1632 im Rahmen des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) auf dem See stattfanden.

Die Mächte, die damals das nördlich und das östlich gelegene Seeufer beherrschten, versuchten aus strategischen Gründen, die Hoheit über den Bodenseeraum zu gewinnen: Im Norden und im Osten das katholische habsburgische Vorderösterreich, im Nordwesten und im Westen die verbündeten protestantischen Königreiche Schweden und Frankreich mit dem Herzogtum Württemberg.

Die am Südufer gelegenen Gebiete der Alten Eidgenossenschaft verhielten sich hingegen mehr oder weniger neutral. Der Bodensee war ein Nebenkriegsschauplatz des 30-jährigen Krieges. Der wechselnde Verlauf brachte keiner Partei einen nachhaltigen Erfolg.

Früher glaubte man, der Rhein fliesse durch den Bodensee, ohne sich mit dessen Wasser zu vermischen. Heute ist bekannt, dass eine Vermischung stattfindet, wenn auch verzögert und strömungsabhängig Bild: Der Bodensee, Lacus Podamicus, Kolorierter Kupferstich um 1650 von Matthäus Merian

Bereits 1632 hatten die protestantischen Schweden, verbündet mit Frankreich und dem Herzogtum Württemberg, das Ufer des Bodensees erreicht. Sie eroberten zunächst das katholische Radolfzell. In der Folge stellten die Kriegsparteien Kriegsflotten mit bewaffneten Lastschiffen, aber auch mit eigentlichen Kriegsschiffen. Gegenseitig wurden Transportschiffe gekapert, aber auch Orte vom See her beschossen.

1633 versuchten die Schweden erfolglos, Konstanz zu erobern. Katholische Orte der Eidgenossenschaft versorgten Konstanz unter Missachtung der Neutralität mit Nachschub. Die Schweden belagerten daraufhin Überlingen, aber ebenfalls erfolglos. Hingegen eroberten sie Buchhorn (das heutige Friedrichshafen) und bauten dort das grösste Bodenseekriegsschiff mit 22 Kanonen.

Nach der grossen Landschlacht bei Nördlingen im Spätsommer 1634, die mit einer totalen Niederlage der Schweden endete, räumten sie Radolfzell und Buchhorn, versenkten ihre Schiffe und zogen ihre Truppen aus dem Bodenseeraum zurück.

Bis 1642 blieb der Bodenseeraum ohne grössere Kampfhandlungen. Doch anfangs 1643 besetzten französische Truppen Überlingen. Mit ihren 16 Kriegsschiffen eroberten sie zusammen mit den Württembergern weitere Stützpunkte am nördlichen Seeufer. Im Frühjahr 1644 erzwangen bayrische Truppen jedoch die Rückgabe von Überlingen.

So ging das über längere Zeit stets hin und her. Die protestantische Seite blieb mit ihren Überfällen eine dauernde Gefahr für die kaiserlichen Stellungen; sie kaperte mit eroberten Schiffen immer wieder feindliche Transportschiffe. Ende 1646 tauchten am östlichen Seeufer starke schwedisch-französische Truppen auf.

Sie griffen Bregenz an und nahmen Stadt und Hafen ein, ebenso fielen Überlingen, Langenargen, Radolfzell und die Mainau an die Schweden. Sie beherrschten jeden Punkt des Sees, obwohl sie Bregenz bald wieder räumten. Sie verfügten über vier grosse Kriegsschiffe und zahlreiche kleinere Einheiten, erhoben Steuern sowie Zölle für den Korn- und den Salzhandel und blockierten die Häfen von Lindau und Konstanz.

Die Inselfestung Lindau wurde gegen Ende des 30jährigen Krieges zwei Monate lang, im Januar und Februar 1647, von der königlich schwedischen Armee belagert Bild: Kupferstich von Matthäus Merian

Kaperung von Handelsschiffen

Der Fokus aller Kriegsparteien lag in dieser letzten Phase des Krieges weniger auf eigentlichen Seeschlachten als vielmehr auf der Kaperung reich beladener gegnerischer Schiffe.

In diesem Kontext stehen denn auch die beiden Missiven Nrn. 3847 vom 15. September und 3850 vom 17. September 1648. Sie bilden den Abschluss einer ganzen Reihe von Missiven aus dem Jahr 1648, in denen es jeweils um die Rückgabe von Waren aus gekaperten Schiffen an St.Galler Kaufleute ging.

Sie kauften jeweils Waren, vornehmlich Korn und Salz, auf deutschen Märkten und liessen sie über den Bodensee nach Steinach oder Arbon transportieren. Oft aber wurden die Schiffe von den Schweden, die im letzten Kriegsjahr 1648 den Bodensee beherrschten, gekapert und die Ladung beschlagnahmt.

«Überlingen zur Zeit des schwedischen kommantandten J.Volckmar» Bild: Kupferstich aus Topographia Sueviae von Matthäus Merian, 1643

Am 15. September 1648 wandten sich Bürgermeister und Rat zu St.Gallen schriftlich an Oberst Volckmar, den schwedischen Kommandanten zu Überlingen. Sie setzten sich für ihren Bürger Jeremias Locher und ihre Bürgerin Marie Merzin ein. Die beiden hätten in Isny Salzfässchen gekauft und auf einem lindauischen Schiff über den See transportieren lassen.

Das Schiff sei aber von schwedischen Soldaten aufgegriffen und nach Überlingen verbracht worden. Die St.Galler Regierung ersucht den Kommandanten um unentgeltliche Rückgabe der Salzfässchen. Käufer und Käuferin seien ehrliche Leute, die in bescheidenen Verhältnissen leben müssten. 

Nur zwei Tage später antwortete der Kommandant Volckmar der St.Galler Regierung. Er erinnerte daran, dass er erst vor Kurzem in einem gleichen Fall Güter, die St.Galler Bürgern gehörten, aber auf feindlichen Schiffen transportiert worden seien, zurückgegeben habe. Er sei nach wie vor bereit, St.Gallen und der ganzen Eidgenossenschaft alle freundschaftlichen Dienste zu erweisen.

Wenn nun aber St.Galler Kaufleute trotz Warnung ihre Güter auf feindlichen Schiffen transportieren liessen, was dem Verbot der schwedischen Generalität zuwiderlaufe, dürfe die St.Galler Regierung nicht erwarten, dass er solche Güter wieder aus der Hand gebe, zumal jedermann wisse, welche Schiffe nicht benützt werden dürften.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erneuerten die Berner, die das Nordufer des Genfersees beherrschten, ihre Kriegsflotte nach dem Vorbild jener Schiffstypen, die sich im 30jährigen Krieg auf dem Bodensee bewährt hatten. Das Genfersee-Kriegsschiff «Grand ours», ein Plan von 1667 von Maximilien Ivoy Bild: Staatsarchiv Bern, Pläne und Karten, Atlas 8, Nr. 20

Die schwedischen Kommandanten hatten sich bis zu diesem Vorfall – dem letzten vor dem Friedensschluss und dem Abzug der Schweden Ende 1648 – in der Tat in vielen Fällen nachsichtig gezeigt. Sie erstatteten Waren von St.Galler Kaufleuten, die auf gekaperten Schiffen transportiert wurden, zurück, wie sich aus mehreren Missiven ergibt.

Dabei hielten sie die St.Galler Regierung immer wieder an, ihre Kaufleute klar zu instruieren, welche Vorschriften beim Transport zu beachten seien. Die Kommandanten gaben Passierscheine aus, die sicherstellten, dass St.Galler Kaufleute im Fall einer Kontrolle des Schiffes durch schwedische Truppen mit ihren Waren unbehelligt und verzugslos weiterfahren durften, allerdings nur, sofern es sich beim Schiff nicht um ein feindliches, d.h. katholisch-habsburgisches Schiff handelte. 

Der Bodenseeraum war zwar öfters vom Krieg heimgesucht worden, im Vergleich mit anderen Gebieten des Reichs aber weit weniger dramatisch. Der See war als wichtige Handelsroute für das Gebiet der Alten Eidgenossenschaft und insbesondere für die Stadt St.Gallen von existentieller Bedeutung.

Die grundsätzlich neutrale Haltung der Eidgenossenschaft ermöglichte es St.Gallen, die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wie Korn und Salz auch während des Krieges einigermassen aufrecht erhalten zu können. 

Die erwähnte Missive Nr. 3850 und die Anfrage von St.Gallen, Nr. 3847 sind abrufbar unter: missiven.stadtarchiv.ch

Alle Missiven finden Sie hier: missiven.stadtarchiv.ch

Literatur

  • Fritz Eberhard: Der Bodenseeraum im Dreißigjährigen Krieg, Schauplatz politischer und militärischer Konflikte, in: Schriften für die Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 141/2023, S. 99–129.
  • Heribert Küng: Vor 350 Jahren, Ende des dreißigjährigen Krieges in der Region Bodensee-Alpenrhein, in: Montfort 3/1998, S. 185–190.
  • Stefan Sonderegger: Das Bodenseegebiet als historische Region, in: Verein Expo Bodensee 2027. Online: zenodo.org/records
Werner Hagmann / Toggenburg24