Wer im Untergrund des Stiftsbezirks St.Gallen unterwegs ist, kann schnell die Orientierung verlieren: verwinkelte Korridore, enge Durchgänge, diverse Abzweigungen. Sämtliche über Jahrhunderte entstandene Gebäudeteile des Stiftsbezirks sind unterirdisch miteinander verbunden. Eine speziell gesicherte Türe markiert den Übergang von den Gebäuden des Stiftsbezirks zu jenen des Kantons – also vom kirchlichen zum kantonalen Bereich.
Der diesjährige UNESCO-Welterbetag lädt ein, die Welt unterhalb der bekannten Welten zu entdecken – von der Kanalisation über Gräber bis hin zu Krypten. Auch Angebote für Familien und Kinder fehlen nicht.
Eine Führung führt durch die verborgenen Gänge unterhalb der Stiftsbibliothek, der Buebeflade, der Bischofswohnung, des Kantonsratssaals und des Stiftsarchivs. Los geht es beim Westeingang der Kathedrale. Eine steile Treppe führt hinunter in einen Vorraum – den «Hintereingang» zur Ausstellung im barocken Gewölbekeller der Stiftsbibliothek, wo auch das berühmte Evangelium Longum zu finden ist.
Ein Keller voller Geschichte
Gemäss Silvio Frigg, Leiter Zentrale Dienste bei der Stiftsbibliothek, dienten die meisten Räume im Untergeschoss früher als Keller- und Lagerräume. Gemüse, Most, Wein, Bier – alles fand zur Blütezeit des Klosters hier Platz. «Im 18. Jahrhundert wurden bis zu 300 Mahlzeiten zubereitet», so Frigg gegenüber Medienschaffenden, die bereits vor dem Welterbetag eine Führung bekamen.
Mehrmals weist Silvio Frigg auf bauliche Details hin: An einer Stelle verdichten sich geschwungene Bögen, um mehr Traglast zu bieten. «Gleich dort darüber befindet sich das schöne, verschachtelte Treppenhaus zur Stiftsbibliothek. Alles im Untergeschoss ist somit immer ein Spiegel dessen, was sich darüber befindet.»