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St. Gallen
11.06.2025

«Der Untergrund spiegelt das Leben darüber»

Silvio Frigg, Leiter zentrale Dienste bei der Stiftsbibliothek, zeigt anhand eines Modells, unter welchen Gebäuden die Kellerkorridore durchführen
Silvio Frigg, Leiter zentrale Dienste bei der Stiftsbibliothek, zeigt anhand eines Modells, unter welchen Gebäuden die Kellerkorridore durchführen Bild: Roger Fuchs
Am Sonntag, 15. Juni, öffnet der diesjährige UNESCO-Welterbetag die Tore zu einem kaum bekannten Teil des Stiftsbezirks St.Gallen: dem Untergrund.

Wer im Untergrund des Stiftsbezirks St.Gallen unterwegs ist, kann schnell die Orientierung verlieren: verwinkelte Korridore, enge Durchgänge, diverse Abzweigungen. Sämtliche über Jahrhunderte entstandene Gebäudeteile des Stiftsbezirks sind unterirdisch miteinander verbunden. Eine speziell gesicherte Türe markiert den Übergang von den Gebäuden des Stiftsbezirks zu jenen des Kantons – also vom kirchlichen zum kantonalen Bereich.

Der diesjährige UNESCO-Welterbetag lädt ein, die Welt unterhalb der bekannten Welten zu entdecken – von der Kanalisation über Gräber bis hin zu Krypten. Auch Angebote für Familien und Kinder fehlen nicht.

Eine Führung führt durch die verborgenen Gänge unterhalb der Stiftsbibliothek, der Buebeflade, der Bischofswohnung, des Kantonsratssaals und des Stiftsarchivs. Los geht es beim Westeingang der Kathedrale. Eine steile Treppe führt hinunter in einen Vorraum – den «Hintereingang» zur Ausstellung im barocken Gewölbekeller der Stiftsbibliothek, wo auch das berühmte Evangelium Longum zu finden ist.

Ein Keller voller Geschichte

Gemäss Silvio Frigg, Leiter Zentrale Dienste bei der Stiftsbibliothek, dienten die meisten Räume im Untergeschoss früher als Keller- und Lagerräume. Gemüse, Most, Wein, Bier – alles fand zur Blütezeit des Klosters hier Platz. «Im 18. Jahrhundert wurden bis zu 300 Mahlzeiten zubereitet», so Frigg gegenüber Medienschaffenden, die bereits vor dem Welterbetag eine Führung bekamen.

Mehrmals weist Silvio Frigg auf bauliche Details hin: An einer Stelle verdichten sich geschwungene Bögen, um mehr Traglast zu bieten. «Gleich dort darüber befindet sich das schöne, verschachtelte Treppenhaus zur Stiftsbibliothek. Alles im Untergeschoss ist somit immer ein Spiegel dessen, was sich darüber befindet.»

Der verborgene Brunnen aus dem Mittelalter im Untergrund des Stiftsbezirks Bild: Roger Fuchs

Das älteste Element im Kellergeschoss ist ein mittelalterlicher Brunnen rund sieben Meter unterhalb der Erdoberfläche. Der Gebäudeteil darüber stammt aus dem Jahr 1666, also mitten aus dem Hochbarock. Der Brunnen selbst dürfte einiges älter sein. Im Deckengewölbe direkt darüber ist ein Loch auszumachen.

Wie Silvio Frigg erzählt, befand sich dort die Küche des Fürstabts. «So konnte man einen an einem Seil befestigten Kübel in den Brunnen hinunterlassen und Wasser schöpfen.» Im Brunnen sammelt sich bis heute Grundwasser, das dort hineindrückt. «Nach wie vor kann der Wasserpegel bei extremen Wetterlagen gefährlich ansteigen.»

Verborgene Räume und moderne Nutzung

Viele weitere unbekannte Seiten des Stiftsbezirks lassen sich beim Rundgang durch die einstigen Kellerräume entdecken. Wer nicht in die Buebeflade ging, weiss kaum, dass sich auch die Schulmensa oder Werkstatträume hier unten befinden. Direkt unterhalb der Bischofswohnung hat die Stiftsbibliothek ihr Magazin eingerichtet.

Später führt der Rundgang durch die eingangs erwähnte Sicherheitstüre und sodann quer durch den Hofkeller und die Pfalz, von wo ein Abstecher durch die Heizungsräume bis zum Karlstor möglich ist, wie Marcus Flepp, Hauswart beim Kanton, zeigt. Noch bevor es via Büros des Stiftsarchivs wieder ans Tageslicht geht, folgen eine Schreinerei und ein Raum zur Digitalisierung von Daten.

Wie die Medienschaffenden, so kann sich am neunten UNESCO-Welterbetag vom 15. Juni auch die Öffentlichkeit von einer Führung durch den Untergrund begeistern lassen. Andere Führungen an diesem Tag fokussieren auf die Kanalisation und den Steinachstollen, die Krypta oder auch auf die Unterwelt der Bestattungen. Den Start zum Welterbetag markiert ein Domorgelkonzert von 13 bis 14 Uhr.

Angeboten werden sämtliche Führungen am Nachmittag zu mehreren Zeiten. Vorgängig ist ab 12 Uhr im Welterbezelt auf der Klosterwiese ein Ticket zu beziehen. Die Platzzahl ist beschränkt, die Tickets sind kostenlos.

Eine Übersicht über alle Angebote gibt es unter www.stiftsbezirk.ch

Den Inhalt des Flyers zum 9. UNESCO-Welterbetag in St.Gallen mit dem gesamten Programm finden Sie hier.

Roger Fuchs / Toggenburg24