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19.07.2025

Politiker und Verbraucherschutz im Interview

In dem Sinne: En Guete!
In dem Sinne: En Guete! Bild: Archiv
Nach den Enthüllungen über das Carna Center schlagen im Rheintal die Wellen hoch.

Der Altstätter Kantonsrat Meinrad Gschwend verlangt strengere Lebensmittelkontrollen, Nationalrat Mike Egger verteidigt die Branche – und Jürg Daniel, Leiter Amt für Verbraucherschutz erklärt, wo die Grenzen des Kontrollsystems liegen.

Der Skandal rund um die Geschäftspraktiken der Carna Center wirft im Kanton hohe Wellen. Vor wenigen Wochen deckte der «Blick» dubiose Machenschaften der bekannten «Carna Center» auf.

Fleisch aus dem Ausland soll als Schweizer Fleisch verkauft worden sein, abgelaufene Ware sei als frisch verkauft worden und zudem wurden angeblich auch Mitarbeiter bedroht. Für den Grünen-Kantonsrat Meinrad Gschwend aus Altstätten war dies Grund genug, dem Kanton auf den Zahn zu fühlen. Denn auch hier im Rheintal sowie in der Stadt St.Gallen hat Carna die Finger im Spiel. Doch der Reihe nach.

Kontrollen als Mammutaufgaben

Im Rheintal gibt es in Heerbrugg ein Carna Center. Seit 2024 sei dies allerdings eine eigenständige Niederlassung mit einem tadellosen Ruf. So jedenfalls der Carna-Center-Anwalt Andreas Meili zum Blick. In St.Gallen firmiere man seit Anfang Jahr unter dem Namen «Gastroblitz».

Die GastroBlitz AG (Sitz in St.Gallen) und das Carna Center (Unternehmen der Carnapartner AG, Sitz in Heldswil TG) sind aktuell zwei eigenständige juristische Einheiten.

In einem Vorstoss will der Grünen-Kantonsrat Meinrad Gschwend von der Regierung wissen, wie sich diese zu einer Erhöhung der Kontrolle in Lebensmittelbetrieben stelle und vor allem, ob die personelle Aufstellung eine Bewältigung der Aufgaben überhaupt zulasse. 

Laut Carna Center soll es bei Kontrollen in der Vergangenheit angeblich keine Beanstandungen gegeben haben. Gschwend sieht den Kanton hierbei allerdings klar in der Pflicht. «Wenn tatsächlich offensichtliche Mängel und Gesetzesverstösse bestanden, zeugt dies von einer mangelhaften Kontrolltätigkeit. Dazu kommt, dass – gemäss Medien – das zuständige Amt von ehemaligen Mitarbeitern auf die Unregelmässigkeiten aufmerksam gemacht worden ist, ohne dass etwas geschehen ist.»

Zwar bezweifelt Gschwend nicht, dass der Kanton seiner Pflicht nachkommt und Kontrollen durchführt. Allerdings stelle sich die Frage, ob die jetzigen Kontrollen genügen. Denn es gibt mehrere Tausend Betriebe, die man kontrollieren muss – eine Mammutaufgabe. 

«Je geringer die Busse, desto verlockender sind Übertretungen»

Laut Gschwend isst der durchschnittliche Schweizer im Jahr rund 50 Kilo Fleisch. Mit der steigenden Anzahl von Leuten, die auf den Fleischkonsum verzichten, wird diese Zahl wohl in Zukunft abnehmen. Das macht den Fleischmarkt schwierig. «Die Grossverteiler überbieten sich mit Fleischaktionen und bewerben ihr Angebot entsprechend. Für Händler und Produzenten ist das ein riesiger Druck.»

Auch die Grenznähe im Rheintal sei ein Faktor, der sich auf den Fleischmarkt auswirke. «Jenseits der Grenze ist Fleisch wesentlich günstiger. Das fördert den Druck noch mehr – damit die Verlockung von Schummeleien. So gesehen ist es sicher auch ein systemisches Problem.» Ein Ansatz für bessere Kontrollen könnte sein, dass man in Betrieben, welche bereits negativ aufgefallen sind, in Zukunft genauer hinschaue. «Ein Anderer: Den Bussenkatalog anpassen. Denn es ist ein altes Muster: je geringer die Busse, desto verlockender sind Übertretungen.»

«Zweifel an der Wirksamkeit»

Falsch deklarierte oder bereits abgelaufene und neu etikettierte Produkte würden im Widerspruch zum Gesetz stehen. «Dass erst die Medien auf den Fall aufmerksam machen mussten, weckt Zweifel an der Wirksamkeit des Kontrollsystems.» Die Fleischbranche sei vermutlich anfällig für unsaubere Machenschaften. «Der enorme Preisdruck, die komplexen Abläufe in Verarbeitung und Handel, geringe Strafen und wenig Transparenz sind einige der Ursachen.» 

Noch hat die Regierung keine Stellung zu den Fragen von Gschwend genommen.

Meinrad Gschwend, Kantonsrat (Grüne) Bild: leaderdigital.ch

Transparenz gegenüber den Konsumenten

Nationalrat und Fleischfachmann Mike Egger findet ebenfalls klare Worte. «Es ist mir wichtig, klarzustellen, dass in der Schweizer Fleischbranche eine Null-Toleranz-Politik in Bezug auf die Herkunftsdeklaration gilt. Unsere Branche setzt nicht nur auf höchste Qualität, sondern auch auf maximale Transparenz gegenüber den Konsumenten und geht dabei weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.»

Trotz solcher Einzelfälle wie jener von Carna stelle die Branche tagtäglich hochqualitative Produkte her und Schweizer Fleisch sei und bleibe ein Synonym für Vertrauen und Qualität. Der Fall Carna Center werde derzeit untersucht, «weshalb ich keine abschliessende Bewertung vornehmen kann. Generell legt die Schweizer Fleischbranche jedoch grossen Wert auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere in Bezug auf Herkunftsangaben, Haltbarkeitsdaten und Produktdeklaratione.» 

Fehlverhalten hat keinen Platz

Der Fall schadet den kleinen Betrieben und all jenen, die ehrlich arbeiten, sich nie was haben zuschulden kommen lassen und vor allem stets auf Qualität achten. Mike Egger sagt dazu: «Für uns als Branche ist klar, dass wir uns diesbezüglich uneingeschränkt hinter die gesetzlichen Vorgaben stellen. Die tägliche Produktion hochqualitativer Produkte basiert auf der Einhaltung dieser Standards.»

Zudem sei die Zusammenarbeit mit Behörden und der Politik von grosser Bedeutung, um gemeinsam Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden. An Branchenversammlungen würden regelmässig Vertreter der Behörden eingeladen, um über Trends und Entwicklungen zu diskutieren. «Gleichzeitig müssen Verstösse konsequent sanktioniert werden, damit deutlich wird, dass Fehlverhalten in unserer Branche keinen Platz hat.»

Wert der Lebensmittel sinkt

Meinrad Gschwend erwähnte zudem auch die Wirtschaftslage innerhalb der Fleischbranche und wie schwierig sie ist. Das sieht auch Egger so, hat aber noch einige Ergänzungen. «Der Preisdruck in der Lebensmittelbranche ist zweifellos hoch. 2019 gaben Schweizer Haushalte durchschnittlich nur noch 6.4 % ihres Bruttoeinkommens für Lebensmittel aus – ein Wert, der vor rund 30 Jahren deutlich höher war.»

Die Entwicklung würde zeigen, dass der Wert von Lebensmitteln in der Wahrnehmung vieler Menschen «leider gesunken» sei. «Mich persönlich stört, dass die gesamte Wertschöpfungskette – vom Bauernhof über die Verarbeiter und den Detailhandel bis hin zum Teller – oft nicht mehr ausreichend geschätzt wird. Lebensmittel sind, wie der Name schon sagt, Mittel zum Leben. Warum also wird gerade in diesem Bereich so stark gespart, während bei Autos, Ferien oder Elektronikprodukten der Preis oft von untergeordneter Bedeutung ist?»

Gerade für die Fleischbranche müsse dennoch «Qualität, Transparenz und Ehrlichkeit immer an erster Stelle stehen – unabhängig vom Preisdruck.» Den Staatsapparat mit weiteren Kontrolleuren aufzublähen, «wie es von linker und grüner Seite häufig gefordert wird, ist keine nachhaltige Lösung. Stattdessen sollten wir bestehende Ressourcen optimal nutzen und auf pragmatische, wirkungsvolle Ansätze setzen.»

Mike Egger, Nationalrat (SVP) Bild: Archiv

Lückenlose Überwachung ist nicht möglich

Verantwortlich für die Kontrollen im Kanton St.Gallen ist das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen unter der Leitung von Kantonschemiker Jürg Daniel. Im November 2024 erhielt das Amt das erste Mal einen Hinweis von einem ehemaligen Carna-Mitarbeiter. Jedoch bezog sich der Hinweis auf ein Center ausserhalb der Kantonsgrenzen. «Die Informationen wurden umgehend geprüft und fliessen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben in unsere Vollzugstätigkeit ein.»

Die Lebensmittelkontrollen basieren auf zwei Säulen. «Regelmässige, risikobasierte Inspektionen: Häufigkeit und Umfang richten sich nach dem Risikoprofil des Betriebs. Und Anlassbezogene (signalbasierte) Inspektionen: Diese erfolgen insbesondere bei Hinweisen von Dritten.» Bei jeder Inspektion werden unter anderem Stichproben bezüglich abgelaufener Haltbarkeitsdaten und der Rückverfolgbarkeit von Waren durchgeführt und bei Verstössen die entsprechenden Massnahmen ergriffen – bis zur Einschaltung der Staatsanwaltschaft.»

Über die konkreten Unternehmungen «Gastroblitz» in St.Gallen und das Carna Center in Heerbrugg können keine Auskünfte erteilt werden. «Grundsätzlich unterliegen aber alle entsprechenden Betriebe einer systematischen, regelmässigen Kontrolle.» Eine lückenlose und permanente Überwachung aller Betriebe im Kanton sei nicht möglich. Dennoch werde der Ansatz immer weiterentwickelt.

Jürg Daniel, Kantonschemiker und Leiter Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen Bild: Bilder: sg.ch, Collage: fam

Lebensmittelsicherheit gewährleisten

Auf die Frage, ob man bei Carna genauer hätte hinschauen können oder müssen, wird geantwortet, dass sich die Kontrollfrequenz nach dem Risikoprofil des Betriebes richte. «Werden dann Verstösse festgestellt, werden die entsprechenden Massnahmen eingeleitet. Unsere bestehenden Prozesse werden regelmässig überprüft und, wenn nötig, weiterentwickelt. Ziel bleibt, die Lebensmittelsicherheit und den Täuschungsschutz für die Bevölkerung bestmöglich zu gewährleisten.»

Rheintal24 hat vor wenigen Wochen Carna mit den Vorwürfen konfrontiert. Die Antwort fiel auszugsweise wie folgt aus.

«Die vom Boulevardblatt Blick in der aktuellen Ausgabe erhobenen Vorwürfe an die Adresse Carna Center sind falsch. Die publizierten Unterstellungen basieren in keinem einzigen Fall auf belastbaren Beweisen für ein Fehlverhalten unseres Unternehmens. Zu diesem eindeutigen Schluss sind auch gründliche interne Untersuchungen gekommen. Unser Unternehmen operiert seit jeher streng in dem vom Gesetz vorgegeben Rahmen.

Wir verfügen seit jeher über strenge und verbindliche Kennzeichnungsrichtlinien betreffend die Deklaration, Lagerung, das Labeling sowie die Qualität der angebotenen und verkauften Fleischprodukte. Diese wurden von den Verantwortlichen in Zusammenarbeit mit dem Kantonalen Lebensmittelinspektorat erstellt und entsprechen den schweizerischen Lebensmittelgesetzen. Wir haben uns zudem freiwillig den Proviande DNA Herkunfts-Checks angeschlossen.

Im Rahmen dieses Programms wird Schweizer Rindfleisch in Form von Stichproben eingekauft und auf seine Herkunft geprüft. Für die strikte Einhaltung der geschilderten Vorgaben sind im täglichen Betrieb als Vertrauenspartner die Leiter der jeweiligen Filialen zuständig. Wir setzen alles daran, die von Blick geäusserten haltlosen Unterstellungen und deren Herkunft zeitnah aufzuklären.»

Weitere Informationen gibt es hier.

Fabian Alexander Meyer / Toggenburg24