Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Schweiz
28.08.2025
28.08.2025 01:03 Uhr

Ernährungssicherheit in der Schweiz gefährdet

Landwirtschaftsflächen in der Schweiz werden rar.
Landwirtschaftsflächen in der Schweiz werden rar. Bild: LID
"Irgendwann verhungern wir, wenn unsere Beamten die Statistiken so berechnen, wie es ihnen passt." Zitat Markus Somm.

Die Fakten: Zwei Drittel des besten Ackerbaulandes in der Schweiz liegt in Gebieten, die bald überbaut werden.

Warum das wichtig ist: Wenn die Zuwanderung so weitergeht, können wir unsere Bevölkerung nicht mehr ernähren. Ist das schlimm? Nein. Aber Fakt.

Wer das Wort Fruchtfolgeflächen hört, meint möglicherweise, es handle sich um ein besonderes Gebiet, wo

  • Orangensaft hergestellt wird,
     
  • oder Melonen wachsen.

Dem ist nicht so. Es ist ein Fachbegriff für die besten Böden unseres Landes, wo man dafür sorgt, dass jedes Jahr wieder eine andere «Frucht» angebaut wird, kurz, man wechselt die «Kulturen».

Ein altes System übrigens, das im frühen Mittelalter in Nordwesteuropa aufgekommen war und den Aufstieg des Westens insgesamt herbeigeführt hatte. Früher sprach man von der Dreifelderwirtschaft. Heute stellt sich das etwa so dar:

  • Im ersten Jahr pflanzt der Bauer Winterweizen an,
     
  • das nächste Jahr Zuckerrüben,
     
  • im zweiten Jahr darauf ist es Gerste,
     
  • schliesslich Kleegras.

Zweck dieser «Fruchtfolge» ist es, den Boden zu schonen und dessen Nährwert zu erhalten. Klee bindet etwa Stickstoff, infolgedessen der Weizen das Jahr darauf besser wächst. Ebenso geht man damit gegen Schädlinge vor: Wenn auf einem Feld immer die gleiche Pflanze steht, können sich die Schädlinge darauf spezialisieren und werden umso schädlicher. Je häufiger die Kultur ausgewechselt wird, desto mehr stehen die Schädlinge Kopf. Last but not least beugt dies der Erosion der Böden vor, weil jede Pflanze wieder eine andere Wurzel aufweist.

Bild: Pixabay: Hermann Kollinger

Weil diese Fruchtfolgeflächen (FFF) sich in der Vergangenheit – insbesondere im Zweiten Weltkrieg – als entscheidend für die Ernährung der Bevölkerung erwiesen haben, sind sie besonders geschützt:

  • Es gibt ein Gesetz dafür: das Landesversorgungsgesetz, wo Artikel 30 sich um die Erhaltung dieses strategisch wichtigen Kulturlandes kümmert.
     
  • Und in der Bundesverfassung finden sich gleich fünf Artikel (73, 75, 102, 104, 104a), die den Bund explizit dazu verpflichten, genügend geeignetes Kulturland – insbesondere FFF – zu sichern.

Angesichts der Tatsache, dass die schweizerische Bevölkerung in den vergangenen 25 Jahren unbändig gewachsen ist – von rund 7 Millionen (2000) bis über 9 Millionen (2025) – ist nachvollziehbar, dass der Bund etwas unter Druck gekommen ist. 

Wie die Ernährungssicherheit – wie sie Verfassung und Gesetz vorschreiben – gewährleisten, wenn es ständig mehr Einwohner gibt?

Zumal die Landwirtschaftsflächen wegen der Zuwanderung zusehends überbaut werden:

  • Seit 2000 haben sie um 3 Prozent abgenommen
     
  • Pro Kopf der Bevölkerung ist der Rückgang dramatisch: minus 23 Prozent
Bild: Nebelspalter. Somm's Memo
Bild: Nebelspalter. Somm's Memo

Kurz, das Thema ist wohl wenigen vertraut, aber brisant, und so überrascht es nicht, dass der Bund gerne ab und zu bekannt gibt, dass er seinen Verpflichtungen nachkomme.

So etwa im November 2023, als das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) den «Sachplan Fruchtfolgeflächen» und eine Medienmitteilung mit dem Titel veröffentlichte: 

  • «Die Schweiz hat genügend gute Ackerböden für die Ernährungssicherheit».
     
  • Hurra, wir leben noch. Niemand muss verhungern.

Wenn da kein Wermutstropfen wäre: Die Zahlen stimmten nicht. Oder höflicher ausgedrückt: Sie führten in die Irre. 

Facts 4 Future, ein Daten-Think Tank, ist auf folgende Unregelmässigkeiten gestossen:

  • Das ARE hatte berechnet, ob die bestehenden Fruchtfolgeflächen ausreichen, um die Bevölkerung zu versorgen – wie vom Gesetz verlangt.
     
  • Ja! Meldeten die Beamten wohl mit einer gewissen Erleichterung: wir haben pro Kopf 1,6 Prozent mehr als nötig.
     
  • Der Haken: Man verwendete zur Berechnung der Flächen Zahlen, die 2017 erhoben worden waren – und ging von der Bevölkerungszahl von 2013 aus.

Mit anderen Worten: Man gab 2023 Entwarnung – auf der Grundlage von völlig veralteten Zahlen.

  • 2013 zählte die Schweiz 8,14 Millionen Einwohner.
     
  • Im November 2023 war es aber bereits fast 9 Millionen Menschen (8,93 Mio.)

April, April.

 

Bild: Nebelspalter. Somm's Memo

Wenn der gelernte Agronom und zuständige Bundesrat Albert Rösti sich wieder einmal dem Wunder der Agrarstatistik widmen möchte, wäre heute sicher ein guter Zeitpunkt. Das ARE, das hier wissentlich oder unfreiwillig mit Zahlen uns Bürger hinters Licht geführt hat, untersteht Rösti.

Dass man mich nicht missversteht: Ich bin nicht der Meinung, dass die Schweiz autark sein kann oder muss. Ginge es nach mir, wäre es in Ordnung, wenn wir die Chimäre der Ernährungssicherheit aufgäben.

  • Selbst der Plan Wahlen, mit dem wir uns durch den Zweiten Weltkrieg gerettet haben, reichte nie aus. Wir steigerten die agrarische Produktion, gewiss, aber es war nie und nimmer genug.
     
  • Was mich aber irritiert: diese Unehrlichkeit von Amtes wegen.

Denn man kann es drehen, wie man will:

Die Zuwanderung führt dazu, dass wir laufend Agrarflächen verlieren, was die Ernährungssicherheit auf mittlere Sicht untergräbt.

Kein Wunder werden die Beamten so kreativ; sie sind die unverbesserlichsten Anhänger der Personenfreizügigkeit, von der sie in Bern nicht so viel spüren.

Kreativ, aber falsch.

Oder um es mit dem amerikanischen Schriftsteller Mark Twain zu sagen:

«Es gibt Lügen, verdammte Lügen und es gibt Statistiken».

Fruchtfolgeflächen (FFF) gehören zu den wertvollsten Ackerflächen der Schweiz und sind für die Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung. Trotz ihrer strategischen Bedeutung hat die Ausdehnung der Siedlungen und der Ausbau überdimensionierter Bauzonen in den letzten Jahren zu einem erheblichen Verlust an FFF geführt – obwohl Bodenverluste irreversibel sind.

Weitere Informationen sind unter Facts4Future erhältlich.

Weizen. Bild: pixabay
Markus Somm, Nebelspalter (mit freundlicher Genehmigung)