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Land- & Forstwirtschaft
05.09.2025
06.09.2025 09:00 Uhr

Ein Nehmen und Geben - Die Jagd, eine uralte Tradition

Wildhüter Urs Büchler
Wildhüter Urs Büchler Bild: Wildhüter Urs Büchler
Die Jagd ist eine uralte Tradition, die bis heute die Menschen in ihren Bann zieht. Zu ihnen gehört der Jäger und Wildhüter Urs Büchler aus Stein SG. Im Interview erzählt er, warum er auch nach bald 40 Jahren immer noch jeden Herbst auf die Pirsch geht.

Interview mit Wildhüter und Jäger Urs Büchler

 

Urs, Familientradition, Naturverbundenheit, Regulierung oder Selbstversorgung: Was ist es, was dich persönlich an der Jagd fasziniert?
Schon als Bub begeisterte mich die Jagd. Ich begleitete meinen Vater und war fasziniert von den Wildtieren und der Natur. Mit 18 habe ich dann die Jägerprüfung abgelegt. Die Wildbestandesregulierung ist für mich ein Stück weit auch Selbstversorgung. Sie bedeutet aber auch, nicht nur zu nehmen, sondern der Natur auch etwas zurückzugeben und ihr Sorge zu tragen.

Wie sieht dieses Zurückgeben in deinem Fall aus?
Das bedeutet, dass ich mich ganz grundlegend für den Erhalt der Lebensräume unserer Wildtiere in allen Bereichen einsetze und die Gesetze der Natur respektiere. Wer die Wildbestände nutzt, ohne sich für deren Lebensgrundlagen einzusetzen, handelt meines Erachtens kurzsichtig und verantwortungslos

Aktuell zieht es hierzulande jedes Jahr rund  30’000 Personen auf die Jagd, darunter etwa 1500 Frauen. Gerade bei ihnen und jungen Leuten nimmt das Interesse an der Jagd stetig zu.

Bild: pixabay

Was denkst du, was andere Jägerinnen und Jäger motiviert, um regelmässig mit geschultertem Gewehr durch die Wälder zu streifen?
Die Beweggründe sind sehr unterschiedlich. Einige sind familiär geprägt, andere finden später über das Interesse an der Natur und den Wildtieren zur Jagd.

Was müssen Interessierte machen, damit sie auf die Jagd gehen dürfen?
Man muss volljährig sein, in der Schweiz wohnen und darf nicht vorbestraft sein. Dann folgt eine anderthalb-jährige Jägerausbildung mit Theorie und Praxis. Nach bestandener Prüfung erhält man den Jagdfähigkeitsaus­weis. Anwärterinnen und An­wärter, die keine Waffenhand­habungserfahrung aus dem Militärdienst oder dem Sport­schiessen haben, besuchen zudem einen entsprechenden Vorkurs. Nach bestande­ner Prüfung kann man je nach Kanton und Jagdsystem durch den Erwerb eines Jagd­patentes oder durch die Mitgliedschaft in einer Jagdgesellschaft auf die Pirsch ge­hen. Danach ist ein jährlicher Treffsicher­heitsnachweis vorgeschrieben.

Zur Person: Urs Büchler

ist in Bühler AR aufgewachsen und seit 29 Jahren als Wildhüter tätig. Der zweifache Familienvater lebt in Stein SG und ist einer von sieben Wildhütern im Kanton St.Gallen. Sein Aufsichtsgebiet umfasst das Obertoggenburg von Lichtensteig bis ins hintere Neckertal. Der 57-Jährige präsidiert seit 2013 den Schweizerischen Wildhüterverband. Neben der Jagd gehört das Imkern zu seinen Hobbys.

Du wirst auf der Jagd jeweils von deiner zwölfjährigen Hündin Luna begleitet. Ist es zwingend, einen Hund zu haben?
Nein, einen Jagdhund führen soll nur, wer echtes Interesse an Hunden hat und den grossen Zeitaufwand für die Ausbildung und Haltung aufbringen kann und will. Es ist besser, weniger Hunde zu haben, dafür solche, die häufig eingesetzt werden und dadurch zu erfahrenen Jagdhelfern heranreifen können.

Was sind die Aufgaben von Luna auf der Jagd?
Luna ist ein Nachsuchehund. Sie ist darauf spezia­lisiert, den Fährten von verletzten oder kranken Tieren über lange Strecken – auch nach Stunden oder Tagen – zu folgen, damit diese gefunden und von ihren Leiden erlöst werden können. Ein Nachsuchehund muss in einer Prüfung unter anderem beweisen, dass er einer Fährte auf einer Distanz von tausend Metern folgen kann. Auf dieser Strecke wird eine Blutmenge von drei Deziliter verteilt. Zwölf Stunden später muss sich der Hund auf die Suche nach dem vermeintlich verletzten Tier machen.

Luna, die Bayrische Gebirgsschweiss Hündin Bild: Säntis Tourismus, Urs Büchler, Wildhut

Welche Hunderassen sind besonders für diese Nachsuche geeignet?
Spezialisierte Rassen sind der Bayerische Gebirgs­schweisshund, wie es meine Luna ist, und der Hanno­versche Schweisshund. Aber auch Hunde anderer Rassen können für die Nachsuche ausgebildet werden. Haupt­sache ist, dass sie über einen herausragenden Geruchsinn und Fährtenwillen verfügen. So können sie verletztes Wild auch unter schwierigen Bedingungen sicher aufspüren. Der Hund arbeitet ruhig, konzentriert und bleibt stets auf der Spur, auch bei Ablenkungen durch andere Wildspuren. Zudem ist Gehorsam, Ausdauer und eine enge Zusammenarbeit mit dem Hundeführer essenziell.

Was passiert, wenn Luna das Wildtier aufgespürt hat?
Ich halte einen Moment beim erlegten Tier inne. Besonders wenn die Nachsuche lang und schwierig war, erfüllt es mich mit spezieller Freude, wenn diese durch die enge Zusammenarbeit mit Luna erfolgreich zu Ende gebracht werden konnte. Zudem kommt immer auch ein Gefühl der Dankbarkeit darüber auf, ein Wildtier erlegt zu haben und verwerten zu dürfen. Dieses wird nun auch als Lebensmittel behandelt. Das heisst, man weidet es sofort aus, damit die Fleischqualität nicht leidet, und bringt es so schnell wie möglich in die Kühlung.

Das Wild liegt nach dem Abschuss meistens nicht gleich neben einer Strasse. Wie gestaltet sich in einem solchen Fall die Bergung?
Es kann schon mal eine kräftezehrende Aktion sein, wenn du einen 160  Kilogramm schweren Hirsch aus einem steilen Bergwald bergen musst. Da ist man froh, wenn man auf die Hilfe von kräftigen Jagdkollegen zählen kann. Manchmal kommt auch eine mobile Seilwinde zum Einsatz.

Und danach geht es ab in die Metzgerei?
Ja, das Tier wird möglichst schnell in einen Kühlraum gebracht, wo man es für einige Tage reifen lässt, bevor es durch einen Metzger gehäutet und zerlegt wird. Nicht vergessen gehen dürfen auch die Formalitäten wie die Abschussmeldung an die Jagdverwaltung und der Wildbegleitschein. Letzterer stellt sicher, dass das Wildfleisch, das als Lebensmittel verwendet wird, allen Anforderungen der Fleischhygiene entspricht und konsumiert werden kann.

Luna ist aufmerksam Bild: Säntis Tourismus, Urs Büchler, Wildhut

Bayerischer Gebirgsschweisshund

Urs Büchlers treue Begleiterin Luna ist ein Bayerischer Gebirgsschweisshund (BGS). Diese kräftige Jagdhundrasse wird speziell für die Nachsuche von verletztem Wild in schwierigem Gelände gezüchtet. Der BGS hat eine Schulterhöhe von 44 bis 52cm und das Gewicht liegt zwischen 20 und 30 Kilogramm. Die Rasse zeichnet sich durch ihre Ausdauer, ihren feinen Spürsinn und ihre Loyalität aus. Obwohl er ein runiger und treuer Familienhund sein kann, benötigt er viel Beschäftigung und Bewegung.

Die besonderen Momente auf der Jagd

Was sind für dich die besonders eindrücklichen Momente auf der Jagd?
Speziell schön ist für mich, wenn ich einem Freund ein besonderes Jagderlebnis ermöglichen kann. Besonders in Erinnerung bleibt mir auch die Steinbockjagd im Engadin vor drei Jahren in der Region Macun. Es war eine anspruchsvolle Jagd in einer einzigartigen Bergwelt. Dabei entstanden auch neue Freundschaften unter Jägern, die ich sehr schätze. Besonders sind auch immer wieder die Nachsuchen mit Luna.

Bei all den schönen Seiten: Gibt es für dich auch Herausforderungen als Jäger und Wildhüter?
Die Landschaft verändert sich durch menschliche Einflüsse immer mehr zum Nachteil der Wildtiere und der Artenvielfalt. Als Wildhüter ist es meine Aufgabe, für den Erhalt der Lebensräume einzustehen und wichtige Grundlagen zu liefern, um die unterschiedlichen Anspruchsgruppen, welche die Natur nutzen, mit plausiblen Argumenten aufzuklären und zu sensibilisieren.

Wie kann deiner Meinung nach der Dichtestress im Wald für Tier und Mensch gesenkt werden?
Mit der Schaffung von Wildruhezonen können wichtige Rückzugsorte für Wildtiere gesichert werden. Diese sind vor allem im Winter ein überlebenswichtiger Aspekt.

Auf der Jagd lässt sich das wunderschönes Bergpanorama geniessen Bild: Säntis Tourismus

Diana – Göttin der Jagd:

Der erste Jagdverein der Schweiz wurde vor über 140 Jahren in Genf unter dem Namen «Diana» gegründet. Diana gilt in der römischen Mythologie als Göttin der Jagd, des Mondes und der Geburt sowie als Beschützerin der Frauen und Mädchen.

St. Galler Jagdpatent und Präferenzen

Neben Freizeitsportbegeisterten tummeln sich auch immer mehr Jägerinnen und Jäger in den Wäldern und Bergen. Wie viele Personen haben aktuell das St.Galler Jagdpatent?
Es ist elementar, dass Jägerinnen und Jäger ihr Tun grundsätzlich nach den Bedürfnissen des Wildbestandes ausrichten und nicht primär nach ihren persönlichen Erfolgen. In St.Gallen haben etwa 1300  Personen einen Pächterausweis. Die Zahl der Anmeldungen zur Jagdprüfung hat vor einigen Jahren stark zugenommen und hat sich nun auf dem Niveau von 70 bis 80 pro Jahr stabilisiert.

Sind alle Reviere gleich begehrt oder gibt es da gewisse Präferenzen unter den St.Galler Jägerinnen und Jägern?
Gebirgsreviere wie das Obertoggenburg sind tendenziell begehrter. Hier können auch Gämsen, Hirsche und Steinböcke bejagt werden. Reviere im Flachland oder rund um die Ballungsgebiete haben eine weniger grosse Artenvielfalt und mehr Störungen durch die Zivilisation.

Wie trennst du deine beiden Rollen Wildhüter und Jäger voneinander?
Ich bin Jagdpächter in einem Revier im Werdenberg – das ist ausserhalb meines Zuständigkeitsbereichs. Somit entstehen für mich keine Interessenkonflikte. Hier bin ich ein gleichgestellter Jäger wie meine Kollegen. Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass ich auf der Jagd auf vieles mit der Wildhüter-Brille blicke.

Wirst du von den anderen Jägerinnen und Jägern nie aussen vor gelassen, weil sie Zurechtweisungen vom «Jagd-Polizisten» fürchten?
Nein, ich werde nicht gemobbt, weil ich Wildhüter bin (lacht). Wenn man mich um Rat bittet, gebe ich gerne Auskunft, ansonsten halte ich mich oftmals aus Diskussionen raus. Natürlich ist es so, dass ich ab und zu andere Auffassungen und Blickwinkel habe als meine Jagdkolleginnen und -kollegen, aber das hat Platz in der Gruppe. Grundsätzlich möchte ich die Jagd in diesem wunderbaren Revier geniessen und nicht Jagdpolitik betreiben.

Beruflich ist der Herbst für dich bestimmt eine intensive Zeit. Wie gelingt es dir da, noch Zeit für die Jagd zu finden?
Anders als bei der Patentjagd dauert bei der Revierjagd die Jagdsaison viel länger. So beginnt bei uns beispielsweise die Reh-Jagd bereits am 1. Mai und dauert bis Mitte Dezember. In dieser Zeitspanne kann auch ich Ferientage beziehen, um auf die Jagd zu gehen.

Weitere Informationen zur Jagd im Kanton St.Gallen sind erhältlich beim Kantonalen Amt für Natur, Jagd und Fischerei ANJF.

Jagd | sg.ch

 

Säntis Tourismus / Marcel Furrer, Toggenburg24