Die Gruppe Wolf Schweiz mit Geschäftsführer David Gerke sieht die Lösung für weniger Tierleid beim Herdenschutz (siehe Kasten). Dem stimmt Nicolas Jotterand nicht zu. «Die meistverbreitete Schutzvariante ist der Nachtpferch mit fünf Drähten bis 1,2 Meter Höhe und Starkstrom. Das funktioniert höchstens, wenns trocken ist. Doch bei nasser Witterung ist das unmöglich und nicht tierschutzkonform. Zudem fördert es Klauenkrankheiten, und die Tiere können nächtelang nichts fressen.» Weiter störe es die Biodiversität und anderes Wild. Auch Wachhunde seien wegen der vielen Wanderer und Velofahrer problematisch.
Das Leid von Tier und Mensch ist unermesslich

Tierschutz bleibt stumm
Eine für David Gerke «sehr erfolgreiche» Schutzmöglichkeit, ist die nächtliche Bewachung der Herden durch Freiwillige des Projekts Oppal. Jotterand weiss davon. «Die grosse Mehrheit dieser Freiwilligen sind Wolfsfreunde. Sie kommen nicht, um die Rinder zu schützen, sondern um die Wolfe zu beobachten.» Die Wölfe würden durch sie gezähmt. «Diese Art von Herdenschutz ist völlig falsch», sagt Jotterand. Die Kosten für den Herdenschutz, egal welcher, stehen laut Jotterand in keinem Verhältnis.
Wölfe sind gering für Tierleid verantwortlich
Gerke bestätigt, dass die Mehrheit der von Wölfen gerissenen Rinder in der Schweiz auf das Konto des Rudels am Mont Tendre im Jura gingen. «Da es kurzfristig keine andere befriedigende Lösung gibt, ist eine Entfernung dieses Mont-Tendre-Rudels in Anbetracht der Situation daher richtig.» Wobei Wölfe nur für einen verschwindend geringen Teil des Tierleides bei Rindern verantwortlich seien.
Angst, dass er auch Betroffener wird
«Das Leid für Tier und Mensch ist nicht in Worte zu fassen. Seit drei Jahren haben wir hier Probleme mit dem Wolf», sagt Jotterand. Er erzählt von seinem Nachbarn, der insgesamt sieben Rinder durch Risse verloren habe, selbst zwei in diesem Jahr. In der Gemeinde Bière gebe es neun Alpen, auf vier Alpen seien bereits Rinder gerissen worden. Jotterand sömmert ebenfalls einen Teil seiner Rinder und spricht von Glück, dass er bisher noch nicht Direktbetroffener ist. «Ich habe aber Angst, dass es auch uns trifft», so der Halter von 50 Milchkühen und ebenso vielen Jungtieren.
Verärgert über Regierung
Nicolas Jotterand beschreibt die schwierige Situation: «Die Hirten mögen und wollen nicht mehr. Das emotionale Leid wird oftmals unterschätzt. Es erschwert die Suche nach Alppersonal.» Dieses emotionale Leid beschreibt Edwin Zeiter aus Bister VS in seinem Buch «Spuren meines Lebens» wie folgt: «Kein Geld der Welt wiegt mir den Verlust meiner lieb gewordenen Tiere auf! Wer diese fürchterlichen Bilder von gerissenen Tieren gesehen hat, der weiss, wovon ich spreche.»
Schweizer Tierschutz nimmt keine Stellung
Bisher gab es aus Tierschutzkreisen keinen Aufschrei nach solchen Rissen. Lieber protestierten sie am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest gegen die Lebendpreise. Und der Schweizer Tierschutz (STS), dem das Video zugeschickt und vom «Schweizer Bauer» um Stellungnahme gebeten wurde, wollte als Antwort in der Zeitung lesen, dass der «Schweizer Tierschutz auf Anfrage keine Stellungnahme nehmen will».
Das sagt die Gruppe Wolf Schweiz
Die Gruppe Wolf Schweiz (GWS) will das Zusammenleben von Menschen und einheimischen Grossraubtieren in der Schweiz ermöglichen. Was meint die GWS zum im oberen Artikel beschriebenen Leid? «Tierleid soll immer vermieden werden, wenn es im Einflussbereich des Menschen liegt», sagt GWS Geschäftsführer David Gerke.
Schuld – Umweltdepartementsvorsteher
Laut Jotterand kommt dazu, dass die Rinder durch Wölfe verscheucht und gestresst werden. «Man muss sie teils weit entfernt aufsuchen.» Er kritisiert, dass letztes Jahr die Abschussbewilligung fürs Mont-Tendre-Rudel erst im September erteilt wurde. Er schiebt die Schuld dem Umweltdepartementsvorsteher und Grünen-Politiker Vassilis Venizelos zu der sich wolfsfreundlich zeige und kein Interesse an Wolfsabschüssen habe. «Im Wallis oder in Graubünden ware es nicht so weit gekommen», sagt er.
Wolfsschützer verunmöglicht Abschuss
Besonders befremdend sind für ihn Bevölkerungsgruppen, die Ende letzten Jahres gegen die Wolfsabschüsse mobilisierten. Die sogenannte Gruppe «Defend The Wolf», was so viel wie «Schütze den Wolf» heisst, forderte die Leute auf, sich in das Wolfsgebiet zu begeben. So wollten sie den Wolfsabschuss verunmöglichen, weil die Wildhüter unter menschlicher Anwesenheit nicht mehr schiessen durften.
Keine Schutzmassnahmen – Tierleid in Kauf genommen
Herdenschutzmassnahmen seien die mit Abstand erfolgreichste Methode, um diese Risse zu verhindern, auch bei Grossvieh, so Gerke weiter. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht, aber eine weitgehende. Er meint, dass Abschüsse Risse nur sehr bedingt zu verhindern vermögen. «Wer Schutzmassnahmen ablehnt, nimmt Tierleid in Kauf.» Dass heute altere Rinder zumeist als nicht zumutbar schützbar gälten, habe primär wirtschaftliche Gründe.
Es sind schreckliche Bilder, die den «Schweizer Bauer» am Dienstag erreichten. Ein Video zeigt ein vorne und hinten zerfleischtes Rind. Besonders grausam: Es lebt noch.
Rind lebt noch
Das Rind bewegt seine Augenlider. Es ist schlimmste Tierquälerei, die der Wolf diese Woche auf der Alp du Mont Tendre im Waadtländer Jura, zur Gemeinde Montricher gehörend, angerichtet hat. Das kantonale Veterinäramt reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf eine entsprechende Anfrage. Doch Nicolas Jotterand, Vizepräsident von Holstein Switzerland, bauert in Bière VD und kennt deshalb die prekäre Situation in diesem Alpgebiet bestens.