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Region
30.10.2025

Altenrhein ist kein Luxus

Symbolbild
Symbolbild Bild: zVg
Der Flughafen St.Gallen-Altenrhein ist mehr als ein Mini-Airport am Bodensee: Er sichert Arbeitsplätze, schafft Wertschöpfung, ermöglicht internationalen Anschluss – und steht dennoch vor einer ungewissen Zukunft: Der Bund will ab 2027 die Beiträge an die Flugsicherung streichen. Für die Region wäre das fatal.

Wenn im Januar das Weltwirtschaftsforum in Davos tagt, ist der kleine Flughafen St.Gallen-Altenrhein für ein paar Tage in den Schlagzeilen. Privatjets landen, Helikopter starten, Limousinen warten – der Bodensee wird zum Nebenschauplatz globaler Politik. Doch das eigentliche Gewicht des Flughafens zeigt sich in den restlichen elf Monaten des Jahres.

Für das Rheintal, die Ostschweiz und den Alpenrhein-Raum ist Altenrhein ein leiser, aber unverzichtbarer Knotenpunkt. Der Linienflug nach Wien, den viele Geschäftsreisende nutzen, verbindet die Region mit den internationalen Märkten. Aufgrund der hohen Nachfrage wird das Angebot sogar ausgebaut: Ab Ende November 2025 gibt es einen zusätzlichen Morgenflug; damit stehen an jedem Wochentag zwei tägliche Verbindungen nach Wien zur Verfügung.

Wirtschaftliche Bedeutung: Zahlen mit Gewicht

Wie wichtig Altenrhein wirklich ist, hat die Universität St.Gallen in einer aktuellen Untersuchung analysiert. Das Center for Aviation and Space Competence beziffert die regionale Wertschöpfung auf bis zu 63 Millionen Franken jährlich und spricht von rund 600 Arbeitsplätzen, die direkt oder indirekt vom Flughafen abhängen.

Damit ist Altenrhein nachweislich ein gewichtiger Pfeiler der regionalen Wirtschaft – und für den Industriestandort Rheintal, die Tourismusdestination Ostschweiz sowie den Finanzplatz Liechtenstein von grosser Bedeutung.

Neben diesen messbaren Effekten hebt die HSG-Studie auch qualitative Faktoren hervor: Geschäftsreisende sparen bis zu zweieinhalb Stunden pro Reise, wenn sie Altenrhein statt Zürich nutzen.

Für viele exportorientierte Unternehmen ist diese Zeitersparnis ein echter Standortvorteil, gerade in einer Region, in der Präzision, Pünktlichkeit und Effizienz Teil der DNA sind.

«Die Studie zeigt, dass Altenrhein weit über seine Grösse hinaus eine volkswirtschaftliche Rolle spielt», sagt Flughafenchef Thomas Krutzler. «Wir sind keine Randerscheinung, sondern eine unverzichtbare Infrastruktur für Industrie, Tourismus, Bildung und Medizin.»

Mehrwert über die Region hinaus

Altenrhein ist ein Tor zur Welt – und zwar nicht nur für Geschäftsleute: Jedes Jahr reisen mehrere Tausend Skitouristen aus Nordeuropa über den Flughafen in die Schweiz. Auch internationale Fussballklubs wie Borussia Dortmund oder Atalanta Bergamo nutzen Altenrhein als Landepunkt für Trainingslager in der Ostschweiz.

Und im medizinischen Bereich fungiert der Flughafen als Basis für Repatriierungen und Spezialtransporte, häufig in Zusammenarbeit mit der Rega. In der Bildung wiederum bildet die Horizon Flight Academy in Altenrhein angehende Verkehrspiloten aus – ein Beitrag zur Bekämpfung des weltweiten Pilotenmangels.

Für Krutzler sind das zentrale Punkte: «Wir sind Teil einer regionalen Wertschöpfungskette, die über den Luftverkehr hinausgeht. Altenrhein steht für Erreichbarkeit, Effizienz und Innovationskraft. Ohne uns würden viele Prozesse in der Ostschweiz schlicht länger dauern oder gar nicht stattfinden.»

 

«Die HSG beziffert die regionale Wertschöpfung auf bis zu 63 Millionen Franken jährlich.»
Thomas Krutzler
Flughafenchef Thomas Krutzler Bild: zVg

Wie entscheidend die Lage eines Flughafens sein kann, zeigt etwa das Beispiel Würth: Der deutsche Schraubengigant liess sich vor über zehn Jahren mit seinem Forum Würth nur wegen der Nähe zum Flughafen in Rorschach nieder. «Ohne diesen Standortvorteil wären wir nie nach Rorschach gekommen», sagte Reinhold Würth damals.

Die Achillesferse: Flugsicherung und Finanzierung

Was den Flughafen aktuell gefährdet, sind nicht mangelnde Nachfrage oder wirtschaftliche Defizite, sondern Sparmassnahmen des Bundes: Ab 2027 sollen die Beiträge an die Flugsicherung gestrichen werden; für Altenrhein geht es um vier bis fünf Millionen Franken pro Jahr. Fällt diese Unterstützung weg, ist der Betrieb in seiner heutigen Form kaum aufrechtzuerhalten.

Thomas Krutzler warnt seit Monaten vor den Konsequenzen. Gleichzeitig zeigt er sich «verhalten optimistisch»: Eine Kommission des Bundesrates habe zwar die Sparpläne bestätigt, aber keine klare Zustimmung aus den Kantonen, Parteien und Verbänden erhalten.

«Es gibt niemanden, der diesen Massnahmen rundum zustimmt», sagt Krutzler. «Das ist ein Zeichen, dass man sich der Tragweite bewusst ist und nach Lösungen suchen will.» «Der Flugplatz St.Gallen-Altenrhein ist ein wichtiges Element der Ostschweizer Verkehrs-Infrastruktur und damit entscheidend für unsere Standortattraktivität», sagt auch SVP-Nationalrat Michael Götte.

Für international ausgerichtete Unternehmen würden regionale Flugplätze immer wichtiger und es gehe dabei um mehr als nur um regionale Interessen. Besonders in unsicheren Zeiten wie jetzt: «Im Verteidigungsfall ist unsere Luftwaffe auf dezentral verfügbare Flugplätze angewiesen.

 Insofern dürfen die nötigen Sparmassnahmen vom Bund nicht im vorgeschlagenen Rahmen auf die Leistungsträger umgewälzt werden», bringt Götte einen weiteren Aspekt ins Spiel. «Es kann nicht sein, dass die Betreiberin bei einer Infrastruktur von nationaler Wichtigkeit alleine für die Finanzierung der Flugsicherheit aufkommen soll.»

«Wir prüfen, ob es möglich ist, die Flugsicherung auf eigene Beine zu stellen.»
Michael Götte
Nationalrat Michael Götte Bild: zVg

Auf der Suche nach einer nachhaltigen Lösung

Derweil arbeitet Thomas Krutzler gemeinsam mit den anderen Regionalflughäfen an einem neuen Lösungsmodell. Die Idee: Die Flugsicherung soll künftig ausschreibungsbasiert erfolgen und nicht mehr ausschliesslich von Skyguide, dem staatlichen Anbieter, betrieben werden.

«Wir prüfen, ob es möglich ist, die Flugsicherung auf eigene Beine zu stellen oder einen Anbieter zu finden, der sie effizienter und kostengünstiger übernimmt», sagt Krutzler. Eine internationale Ausschreibung aller Schweizer Regionalflughäfen ist in Vorbereitung und soll im ersten Halbjahr 2026 abgeschlossen sein. Realistisch sei eine Umsetzung frühestens ab Mitte 2028.

Damit diese Lösung tragfähig werde, brauche es jedoch Zeit und politische Unterstützung. «Wir müssen noch viel Überzeugungsarbeit leisten», so Krutzler. «Aber wir haben die Gewissheit, dass die Argumente auf unserer Seite sind. Der Flughafen Altenrhein ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in die Wettbewerbsfähigkeit der Ostschweiz.»

Der Osten braucht sein Tor zur Welt

Altenrhein ist nicht nur für St.Gallen wichtig, sondern für eine gesamte Region, die über Grenzen hinweg funktioniert. Vorarlberg, Liechtenstein und das Schweizer Rheintal bilden einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, mit Altenrhein als logistischem Mittelpunkt.

Ein Grounding würde weite Kreise ziehen: längere Anfahrtswege, zusätzliche Kosten, verlorene Aufträge, sinkende Attraktivität. Der Flughafen trägt entscheidend zur internationalen Sichtbarkeit der Ostschweiz bei. «Jede Maschine, die hier landet, steht auch für die Offenheit einer Region, die wirtschaftlich längst europäisch denkt», sagt Michael Götte.

Der Flughafen St.Gallen-Altenrhein ist kein Luxusprojekt, sondern eine strategische Investition in die Zukunft. Die HSG-Studie belegt seine wirtschaftliche, soziale und infrastrukturelle Bedeutung mit klaren Zahlen.

Thomas Krutzler bringt es auf den Punkt: «Ohne Altenrhein verliert die Ostschweiz nicht nur einen Flughafen – sie verliert Anschluss, Innovationskraft und Standortattraktivität.»

Für Politik und Wirtschaft heisst das: Jetzt handeln

Der Flughafen Altenrhein steht sinnbildlich für eine Region, die nicht laut auftritt, aber leise Grosses leistet. «Ihn zu verlieren, wäre mehr als ein infrastruktureller Rückschritt, es wäre ein Bruch mit der Erfolgsgeschichte einer ganzen Wirtschaftsregion.

Er ist ein wirtschaftliches Rückgrat, ein Symbol für Vernetzung und Fortschritt, ein leiser, aber unverzichtbarer Partner für Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Tourismus und Kultur», sagt Michael Götte. Es liege nun an der Politik, dies zu erkennen, bevor über dem Bodensee die Lichter auf dem Rollfeld ausgehen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Oktober-Ausgabe des Ostschweizer Unternehmermagazins LEADER mit Schwerpunkt «Wirtschaftsfaktor Landwirtschaft». 

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Stephan Ziegler / Toggenburg24