Die Entscheidung des Bundesamts für Rüstung armasuisse, die SIG Sauer P320 als neue Dienstpistole für die Schweizer Armee zu beschaffen, hat eine öffentliche Debatte ausgelöst. Besonders in sicherheitspolitischen Kreisen, Online-Foren und sozialen Medien stossen Kritiker Fragen auf – insbesondere mit Blick auf die Testergebnisse: Die Glock G45 Gen 5 war laut armasuisse die einzige Pistole im Auswahlverfahren, die sämtliche Musskriterien erfüllte und erhielt daher die volle Truppentauglichkeit.
Warum also wurde dennoch ein anderes Modell gewählt?
Kosten, Industriepolitik – und mehr als nur Technik
Der Entscheid zugunsten der SIG Sauer P320 basiert auf einer ganzheitlichen Bewertung. Neben der Technik flossen auch wirtschaftliche, logistische und rüstungspolitische Faktoren in die Beurteilung ein. Zwar weist die P320 in einzelnen Bereichen Verbesserungspotenzial auf, doch diese Nachbesserungen gelten als realistisch und werden vom Hersteller vertraglich zugesichert.
Ein zentrales Argument: Über den geplanten Einsatzzeitraum von 30 Jahren verursacht die SIG Sauer P320 die geringsten Gesamtkosten. Zudem soll ein Grossteil der Produktion in die Schweiz verlagert werden – ein strategisch bedeutender Schritt im Sinne der nationalen Sicherheitsstrategie und der technologischen Souveränität.
US-Kontroversen: Fakten, Fehlinformationen und Social-Media-Effekte
Die Diskussion wird zusätzlich durch Negativschlagzeilen aus den USA befeuert. Dort kam es in der Vergangenheit zu einzelnen Vorfällen mit unbeabsichtigten Schussabgaben, was in der öffentlichen Wahrnehmung für Unsicherheit sorgte. Die Folge: vorübergehende Ausschlüsse der P320 bei Sportwettkämpfen, temporäre Ausserdienststellungen bei Polizeikorps, hitzige YouTube-Debatten und reisserische Medienberichte – oft basierend auf unscharfen Videos ohne eindeutige Ursachenanalyse.
Was dabei häufig übersehen wird: Unabhängige Untersuchungen – unter anderem durch das FBI sowie SIG Sauer USA – kamen zum Schluss, dass die Vorfälle auf Fehlmanipulationen durch Nutzer oder den Einbau von Drittanbieter-Bauteilen zurückzuführen sind. Zudem steht der Verdacht im Raum, dass Mitbewerber gezielt eine mediale Kampagne gestartet haben könnten, um sich lukrative Behördenverträge zu sichern.
Ein weiterer Aspekt: Behördenbeschaffungen gelten in der Waffenbranche als wertvolles Marketinginstrument – was im Zivilmarkt die Nachfrage erhöht. Wenn eine Pistole offiziell im behördlichen Einsatz steht, gilt sie bei vielen zivilen Nutzern als besonders verlässlich und hochwertig.
Tragischer Vorfall und Falschaussage bei der US Air Force
Besondere Aufmerksamkeit erhielt ein Vorfall im Sommer 2025 bei der US Air Force. Ein junger Soldat behauptete zunächst, seine P320 habe selbstständig aus seinem abgelegten Holster geschossen. Später gestand er jedoch, seinen Kameraden unabsichtlich erschossen zu haben – der Vorwurf gegen die Waffe war lediglich eine Schutzbehauptung.
Trotzdem wurden die rund 8000 im Dienst befindlichen Pistolen vorsorglich überprüft. Dabei wurden keine sicherheitsrelevanten Mängel festgestellt. Die Waffen wurden anschliessend wieder als voll einsatztauglich eingestuft.
Von der Krise zum Vertrauensbeweis
Trotz medialer Kontroversen hat die P320 das Vertrauen zahlreicher Behörden. Die US-Streitkräfte führten die P320 im Jahr 2017 unter der Bezeichnung M17 (Standardmodell) und M18 (kompakte Version) ein – als Ersatz für die seit 1986 verwendete Beretta M9. Auch viele US-Polizeikorps und Bundesbehörden wie der Secret Service oder Homeland Security setzen heute auf die P320.
In Dänemark ist die P320 seit 2020 im Einsatz und wurde bereits in Afghanistan und im Irak unter Gefechtsbedingungen verwendet. Weitere militärische Nutzer sind unter anderem Kanada, Norwegen, Litauen und Taiwan.
Auch weltweit setzen viele Polizeibehörden und Spezialeinheiten auf die P320 – darunter etwa in Deutschland, Singapur, Schweden oder in Frankreich.
In der Schweiz führen unter anderem die Kantonspolizeikorps St. Gallen, Uri sowie die Luzerner Polizei die P320 bereits seit Jahren im täglichen Einsatz.