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14.11.2020

Es gibt nichts Neues unter der Sonne

Symbolbild
Symbolbild Bild: PD
Man erinnert sich an den Bildersturm im Zuge der Reformation (1525/31) sowie an denjenigen während der helvetischen Revolution von 1798 in der Stadt St. Gallen.

Als Historiker, der sich nach seiner Pensionierung 2003 von der Geschichte verabschiedet und zum «Kärrner der Philosophie» gewandelt hat, erinnert man sich an den Bildersturm im Zuge der Reformation (1525/31) sowie an denjenigen während der Helvetischen Revolution von 1798 in der Stadt St. Gallen.

Dass ich einen dritten Bildersturm nicht mehr erleben muss, verdanke ich vielleicht meinem Greisenalter.

Nach dem Motto «es gibt nichts Neues unter der Sonne» (Prediger 1,9) sei hier etwas zur Geschichte des Reliefs am Karls Tor erzählt.

Bild: PD

Dass dieses politische Kunstwerk erhalten blieb, ist letztlich dem Geschichtsschreiber unserer Stadt, Georg Leonhard Hartmann (1764-1828), zu verdanken; sein Sohn Daniel Wilhelm schrieb im «Entwurf einer Kunstgeschichte der Stadt St. Gallen» etwas umständlich: «Auch vom Kloster St. Gallen ist selber nichts mehr auf unsere Zeit gelangt als noch das schöne Relief am Karls Tor, das in dem hiesigen neuen Bildersturm, der durch den ungebildeten helvetischen Regierungskommissär Erlacher von Basel ins Leben treten wollte, nur durch die Verwendung meines seligen Vaters von seiner Zerstörung gerettet wurde. Indem Erlacher nämlich in einseitigem republikanischem Eifer die Wappen als Denkmale der Aristokratie zu zerstören, ohne irgend eine Berücksichtigung der Kunst, für die er keinen Sinn hatte, alle Steinhauereien, an denen sich ein Wappen befand, weghauen liess und so schon mehrere der Bildhauerarbeiten über Portalen im Stift St. Gallen zerstört waren, widersetzte sich mein Vater mit Kraft dem wilden Benehmen Erlachers, der durch das ihm unerklärliche Ereignis, dass ein sonst so anerkannter Republikaner sich für solche Sachen verwende, noch einhielt, bis die Antwort von dem helvetischen Minister der Künste und Wissenschaften, Stapfer, an welchen mein Vater unverzüglich geschrieben hatte, anlangte, die dann gemessenen Befehl an Erlacher erhielt, alles von Kunstwert sorgsam zu schonen. – Erlacher hatte seine Rohheit übrigens auch dadurch bewiesen, dass er z. B. die Statuen stehen liess, aber ihnen die Köpfe abschlagen oder die Gesichter wegzumeisseln befahl. So waren noch manche Jahre nachher die Bilder von St. Gallus und Otmar, die als Schildhalter neben dem fürstlich-sanktgallischen Wappen hie und da angebracht waren, skandalös neben dem gänzlich weggemeisselten Schilde stehend zu sehen.»

Bild: PD

Der damalige Bilderstürmer war Johann Jakob Erlacher (1764-1828), Küfer, Bierbrauer und Wirt aus Basel, 1798 helvetischer Grosse Rat und Regierungskommissär in der Ostschweiz.

Die heutigen Bilderstürmer üben weniger nützliche Berufe aus wie damals Erlacher und haben wohl deshalb Kapazitäten frei für das Zerschlagen von historischen Denkmälern.

Vgl. Ernst Ziegler: Die Tore der Stadt St. Gallen, St. Gallen 2000. Derselbe: die Toren der Stadt St. Gallen, in Bearbeitung.

Ernst Ziegler, ehemaliger St.Galler Stadtarchivar