2005 begann er, auf seinen Bahnfahrten zwischen Konstanz und Zürich aus dem Abteilfenster zu fotografieren, manchmal vor und manchmal nach der Arbeit. Entstanden ist eine grosse, mehr als 20 000 Fotos umfassende, Sammlung dieser Bilder zwischen Konstanz und Zürich. Hinzugekommen ist der Bilder- und Textblog «Der Weg zur Arbeit». Seit Kurzem veröffentlicht er jede Woche auf Facebook eine Serie.
«Jahrelang wurde dieselbe Strecke mehrmals wöchentlich befahren und doch veränderte sich der Ort andauernd», sagt Joachim Leser. «Häuser wurden abgerissen, noch mehr Häuser wurden gebaut, die Thur trat über die Ufer und wieder zurück, die Hochhäuser schoben sich nach oben. Die Bäume wurden grün, gelb, braun, kahl. Mal war der Säntis schneebedeckt, mal im Nebel versteckt, mal von Heissluftballonen umringt. Der Mais wurde gepflanzt, er wuchs und wurde geerntet. Im nächsten Jahr war dort ein Sonnenblumenfeld. Dann wurde wieder Mais angepflanzt». Fotograf Leser hat die Bahnstrecke genau beobachtet und kann die Veränderungen einzelner Orte genau beschreiben.
Der grösste Teil der Fotos ist aber nicht im Zug entstanden, sondern ausserhalb bei den Wanderungen entlang der Bahnstrecke. Leser hat nicht nur die Landschaft beobachtet, sondern auch das eigene Verhalten als Pendler, das er so umschreibt: «Wir wohnen nicht mehr am Ort, sondern im Transport, so Paul Virilio, der Philosoph der Geschwindigkeit. Die Wanderungen mit dem Fotoapparat waren mein Weg für die Rückgewinnung des Ortes. Ich verbrachte mehr Zeit im Zug als in meinem Wohnzimmer. Ich wollte wissen, wo ich bin.»