Home Region Schweiz/Ausland Sport Rubriken Agenda
Region
14.03.2021
14.03.2021 19:02 Uhr

Schlechte Zeiten – Halt in einer Sekte

Das Heil in einer Sekte finden?
Das Heil in einer Sekte finden? Bild: zVg
Ein Leserbrief aus Basel Land, das Toggenburg als Hochburg von Sekten? Ist eine Sekte schlecht? Wir unterhielten uns auf der Redaktion. Toggenburg24 ging den Fragen nach.

In schlechten Zeiten suchen Menschen nach Halt. Ein Brief aus Basel Land erreichte Toggenburg24. Ein Mann nervte sich, dass er mehrmals von einer Sekte belästigt wurde. Doch was haben Sekten mit dem Toggenburg zu tun? Was ist eine Sekte?

Ein bekannter Toggenburger erzählte uns von Ebnat-Kappel, und wir machten uns auf die Suche.

Wir stiessen auf eine markante Persönlichkeit, die aber inzwischen verstorben ist.

Gründer und Leiter der Gemeinschaft «Adullam»

Werner Arn war der Gründer und Leiter der christlich-fundamentalistischen Gemeinschaft «Adullam» mit Anhängern vor allem in der Ostschweiz, Süddeutschland und Südtirol.

Er wohnte in Wattwil, wo er seit 1988 eine Art Pension betrieb, die auch als Versammlungsraum und Predigtort dient. Außerdem führte er den «Christlichen Informationsdienst» (CID), der sich als eine Institution versteht, die über die Sektenhaftigkeit sämtlicher Kirchen und Freikirchen aufklären will.

Werner Arn Bild: St. Galler Tagblatt

Wer war Arn?

Arn wuchs in Winterthur auf und erhielt eine evangelisch-reformierte Erziehung. Nach der Ausbildung zum Primarlehrer unterrichtete er in Winterthur und in Neftenbach. Er war verheiratet und hatte sieben Kinder.

Er begann Mitte 20 einen Hauskreis aufzubauen, konnte aber mit seiner Form der Frömmigkeit innerhalb der evangelisch-reformierten Kirche keinen Anklang finden. Nachdem er in verschiedenen Freikirchen ebenfalls keine Gemeinschaft fand, die ihm bibelgemäss zu sein schien, begann eine umfangreiche «Aufklärungsarbeit» über die Sektiererei der Kirchen und Freikirchen. Zu diesem Zweck gründete er den «Christlichen Informationsdienst» (CID).

Seine Lehre wird mündlich verbreitet

Arn gab weder Schriften noch Traktate heraus, da seiner Ansicht nach die Bibel genüge. Die Lehre wird mündlich verbreitet. Daher gestaltet sich eine Dokumentation seiner Lehre schwierig.

Er behauptete, dass nach der Bibel die christliche Urgemeinde keine Organisation gewesen sei, weshalb für bibeltreue Menschen alle kirchlichen Organisationen abzulehnen seien. Arn grenzte sich daher streng von der Organisation der Landeskirchen und der Freikirchen ab. 

Es gibt keine Mitgliedschaft

Arn betonte stets, dass seine Glaubensgemeinschaft keineswegs organisiert sei. Die von ihm geleitete Gemeinschaft sei daher mangels einer sektentypischen straffen Organisation keine Sekte. Tatsächlich ist sie nicht als Verein eingetragen, es gibt auch keine Mitgliedschaft.

Katholische Kirche – üble Sekte

Arn zufolge ist die Katholische Kirche als besonders üble Sekte zu betrachten, da sie übermäßig viele heidnische Elemente übernommen habe.

Gegenüber den evangelischen Kirchen vertrat er die Ansicht, dass sie zu sehr unter modernen Einflüssen stünden. Weiter kritisierte er den Liegenschaftsbesitz der Landeskirchen. Freikirchen warf er vor, sie würden faule Kompromisse machen und seien oft «charismatisch unterwandert», auch wenn die Mehrzahl der Anhänger der Freikirchen wiedergeborene Christen seien.

Alle kirchlichen Traditionen abgelehnt

Im Prinzip werden alle Gebräuche und kirchlichen Traditionen abgelehnt, die nicht in der Bibel zu finden sind. Mit Nachdruck gilt dies für die Heiligenverehrung, die Säuglingstaufe und das Weihnachtsfest. Letzteres habe einen heidnischen Ursprung.

 

Hotel Traube Ebnat-Kappel Bild: zVg

Pension Adullam und Hotel Traube

Die Pension Adullam war eine 1988 betriebene christliche Pension, die auch als Alters- und Pflegeheim diente.

Neben der Pension Adullam betrieb Arn von Juni 2004 bis 2008 auch das Hotel Traube in Ebnat-Kappel. Sie galt als Versammlungsort für die Sonntagsgottesdienste und für Bibelstunden. Die Gaststätte sei nach «konsequent christlichen Grundsätzen» geführt worden. Daher habe ein strenges Tanz- und Alkoholverbot gegolten. Dies trug dazu bei, dass die Lokalität gemieden wurde.

Im 2013 meldete die Hotel Traube AG Konkurs an.

Scientology wohl sehr bekannt. Bild: zVg

Kritik

Sektenfachleute werten Adullam als eine typische Sekte. Arns Anhänger bestreiten diesen Vorwurf unter Verweis auf die angeblich nicht vorhandene Struktur und die fehlende Hierarchie.

Den Kritikern zufolge bedarf es für eine sektentypische Organisation keiner formellen Struktur (wie etwa die eines Vereins). Tatsächlich sei innerhalb der Gemeinschaft nur Arns Auslegung der Bibel verbindlich, das biblische Gehorsamsgebot sei somit ein Gehorsamsgebot gegenüber Arn.

Angehörige von Adullam würden auch als Sektenangehörige typische Veränderungen aufweisen (Abschottung von der Aussenwelt, Rechthaberei etc.).

Im neuen Testament nicht zu finden

Den Anhängern werden geringfügige (von Arn-Anhängern definierte) «Sünden» angelastet, die im Neuen Testament nicht zu finden sind. Dadurch fühlen sich Mitglieder unter Druck gesetzt. Um dann wieder «im Heil» zu sein, wird den Wünschen der Gemeinschaft bedingungslos Folge geleistet.

Spenden willkommen

Arn nahm, wie er selbst zugab, gerne Spenden an. Jedoch bestritt er vehement, von seinen Anhängern einen Zehntel ihres Bruttoeinkommens zu verlangen. Es liegen jedoch zahlreiche Berichte von Außenstehenden und Besuchern bei Adullam und auf Veranstaltungen vor, wonach Arn den Zehnten «für den Herrn» einforderte.

Gefangen in einer Sekte? Bild: zVg

Mächtigste Sekten der Schweiz

Quelle Blick vom April 2019

  1. Generation Postmodern Church, Thun
  2. Zeugen Jehovas, Zürich
  3. International Christian Fellowship, Zürich
  4. Universale Kirche (Bruderschaft der Menschheit), Rotkreuz ZG
  5. Freeman-Bewegung (One People's Public Trust), Ostschweiz
  6. Kwasiza-bantu. St. Gallen
  7. Pius-Bruderschaft, Ecône VS
  8. Stiftung Schleife, Winterthur
  9. Kirschblütengemeinschaft, Lüsslingen-Nennikofen SO
  10. Scientology, Basel
  11. V. W., Dottikon AG
  12. Raja-Yoga-Schule, Endingen AG
  13. Freie Interessengemeinschaft für Grenzwissenschaften und Ufologie, Schmidrüti ZH
  14. Fiat Lux, Ibach (D), vorher Egg ZH

Definition von Sekte

«Sekte» ist eine Bezeichnung für eine religiöse, philosophische oder politische Richtung und ihre Anhängerschaft. Die Bezeichnung bezieht sich auf soziale Gruppierungen, die sich durch ihre Lehre oder ihren Ritus von vorherrschenden Überzeugungen unterscheiden und oft im Konflikt mit deren Vertretern und Anhängern stehen.

Abwertender Charakter entstanden

In erster Linie steht Sekte für eine von einer Mutterreligion abgespaltene religiöse Gemeinschaft. Der ursprünglich wertneutrale Ausdruck hat aufgrund seiner Geschichte und Prägung durch den kirchlichen Sprachgebrauch einen meist abwertenden Charakter erhalten und wird seit den 1960er Jahren verstärkt in negativem Sinn verwendet.

Wegen des abwertenden Charakters werden in der modernen Religionswissenschaft und Soziologie stattdessen nicht wertende Bezeichnungen wie «religiöse Sondergemeinschaft», «neu religiöse Gemeinschaft» oder «neue religiöse Bewegung» verwendet.

Fiat Lux, Gründerin Uriella, mit 90 gestorben. Bild: zVg

Definition Freikirche

Freikirche bezeichnete ursprünglich eine evangelische Kirche, die,  im Gegensatz zu einer Staatskirche, vom Staat unabhängig war.

Infolge der mittlerweile in Europa überwiegend vollzogenen Trennung von Religion und Staat lässt sich die Wortbedeutung nicht mehr eindeutig fassen.

Der Begriff Freikirche wird heute dazu verwendet, eine bestimmte Kirche gegenüber Volkskirchen abzugrenzen. Dabei wird das Attribut «frei» unterschiedlich verstanden, etwa im Sinne von freiwilliger Zugehörigkeit, organisatorischer Unabhängigkeit, auch im Hinblick auf eine vom Staat erhobene Kirchensteuer, oder als Hinweis auf eine bestimmte theologische Einstellung.

Patricia Rutz/toggenburg24