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Schweiz/Ausland
19.05.2021

Casino während Corona: «Die Gäste kommen wegen dem Spiel»

Kaum etwas los im Casino St.Gallen – und das trotz Regenwetter.
Kaum etwas los im Casino St.Gallen – und das trotz Regenwetter. Bild: mik
Das Casino St.Gallen ist seit einigen Wochen aus dem zweiten Corona-Schlaf erwacht und empfängt wieder Gäste – mit vielen Einschränkungen. Ein Besuch zeigt, was die Pandemie aus einem Ort des Entertainments gemacht hat.

Es ist Freitagabend in der Stadt St.Gallen; ein Beizer putzt um zehn nach elf die Tische und Stühle auf seiner Terrasse. Eine Gruppe angetrunkener Jugendlicher torkelt an ihm vorbei und ruft: «Hey, giz no es Bier?». «Nei, Firoobig», ruft der Wirt zurück und schüttelt den Kopf. «Denn gömmer halt ist Casino», beschliesst die Gruppe und läuft Richtung Marktplatz. Es sei unfair, ja eine Frechheit, dass das Casino die halbe Nacht lang offen haben dürfe, während die Restaurants und Bars um 23 Uhr Zapfenstreich hätten, murmelt der Wirt und putzt mit etwas mehr Druck die Tische weiter.

Szenenwechsel: Dienstag, früher Abend, es schüttet in St.Gallen seit Stunden wie aus Eimern. Für manche das perfekte Wetter, um sich zuhause einzumummeln und einen Film zu schauen, für andere das optimale Casino-Wetter. Vor dem Eingang steht eine weisse Stretchlimousine, Promis sind keine in Sicht. Prominent ist aber das Desinfektionsmittel, das einem direkt nach dem Betreten ins Auge sticht und sich durchs ganze Casino wie ein roter Faden ziehen wird.

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Alle Chips werden desinfiziert

An der Garderobe hängen einige wenige Mäntel und Regenschirme. Casino-Direktor Richard Frehner unterhält sich gerade mit einer älteren Dame. Grau tragen die meisten Besucher am Mittwochabend im Casino St.Gallen auf dem Kopf. Sie sitzen an den Automaten, zwischen ihnen sind mehrere Meter Abstand, die Maske ist über die Nase gezogen. Der Blick folgt den farbigen Symbolen auf den Automaten.

Die Croupiers warten an den leeren Tischen. Maximal vier Personen dürfen pro Tisch spielen, wobei nur zwei Tische überhaupt geöffnet sind – und das auch nur bis 21.30 Uhr. Ein Mitarbeiter desinfizierte alle Chips einzeln und behandelte diese mit einem antimikrobiellem Schutzmittel . Auch die Automaten werden sauber gemacht, sobald ein Gast das Gerät verlässt.

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Kein typisches Casion-Feeling mehr

Ausser dem Klimpern und Klingeln der Automaten ist es ziemlich ruhig an diesem Spätnachmittag: Smalltalk, Gelächter und Klirren von Gläsern, die auf einen Gewinn anstossen, gibt es an diesem Tag nicht. Die Bar ist zu. Konsumationsverbot. Wie lange? Weiss man nicht.

Es macht fast den Anschein, dass die Leute, die hier sind, nicht wegen dem Flair oder dem Entertainment gekommen sind. Sie sind da, weil sie spielen wollen. Das bestätigt Direktor Frehner: «Das typische Casino-Feeling ist wegen der Massnahmen weg. Die meisten Gäste sind Rentner, die bereits geimpft sind und sich freuen, wieder aus dem Haus gehen zu können. Am Wochenende ist das Publikum zwar durchmischter, aber die Lage ist schon sehr anders als vor Corona. Auch die Verweildauer ist deutlich kürzer geworden.»

Das Casino St.Gallen verzeichnete 2020 einen Besucherrückgang von etwa 32 Prozent. Besonders das fehlende Weihnachtsgeschäft hat Spuren in den Kassen hinterlassen. 31 Millionen Franken hatte es im letzten Jahr vor Corona erwirtschaftet, 2020 hat man mit einem Drittel weniger Umsatz abgeschlossen – und 2021 dürften die Bücher ähnlich aussehen: «Viele werden diesen Sommer nutzen, um zu reisen – und nicht, um ins Casino zu gehen. Wir rechnen deswegen damit, dass erst im nächsten Jahr ein wenig Normalität einkehrt», so Richard Frehner. Da haben auch die Gäste, die aus Österreich und Deutschland, wo der Lockdown deutlich schärfer war, angereist sind, nichts retten können.

Richard Frehner ist seit 2018 an der Spitze des Casinos St.Gallen. Bild: who-s-who

«Wir sitzen alle im selben Boot»

Aufwand und Kosten für das Schutzkonzept seien enorm hoch gewesen, ein Teil der Mitarbeiter ist immer noch auf Kurzarbeit. Die Zeit im Lockdown habe man für Weiterbildungen und interne Kurse genutzt. «Die Ungewissheit ist das schwierigste am Ganzen. Wir haben uns auf alle Szenarien vorbereitet. Man muss stets flexibel bleiben, was anderes bleibt uns nicht übrig», sagt Frehner, der selbst als Croupier gearbeitet hatte, bevor er als Gaming-Manager und somit oberster Gastgeber nach St.Gallen, später als Vizedirektor ins grösste Casino der Swiss-Casinos-Gruppe nach Zürich und 2018 wieder nach St.Gallen, diesmal als Direktor, wechselte.

Richard Frehner vermisst die unbeschwerte Atmosphäre, die Events, Firmenanlässe und das junge Publikum in seinem Casino. «Wir hoffen darauf, dass wir Ende Mai die Besucherzahl ausweiten und den Barbetrieb öffnen können. Ich kann zwar den Wirt verstehen, der sich darüber ärgert, dass wir länger öffnen dürfen, aber die Realität sieht anders aus, als es von aussen scheinen mag. Wir sitzen alle im selben Boot.»

Miryam Koc/Toggenburg24