Und dann haben Sie sich Hilfe geholt?
Mein Partner hat mich ermutigt, professionelle Unterstützung anzunehmen. Gemeinsam haben wir nach fachspezifischen Angeboten gesucht. Dabei wurde mir bewusst, dass das Angebot in der Schweiz überschaubar ist. Nach einer Wartezeit konnte ich in einer Mutter-Kind-Klinik zur Ruhe kommen. Der Abstand vom Alltag, das Nachholen von Schlaf und die Gespräche mit anderen betroffenen Frauen haben mir sehr geholfen.
Postnatale oder Wochenbett-Depression gilt als Tabuthema. Können Sie sich erklären wieso?
Das hat wieder mit der eigenen Erwartungshaltung zu tun: Man möchte alles richtig machen, möchte den Bedürfnissen des Kindes, der Familie und den eigenen gerecht werden. Wenn es aber nicht so ist, dann schämt man sich und versucht, das zu verstecken.
Von aussen wird einem suggeriert, dass Mutter-Werden das Schönste überhaupt sei – und wenn dem nicht so ist, fühlt man sich unverstanden. Dabei ist die Krankheit weit verbreitet. Gemäss dem «Verein Postnatale Depression Schweiz» sind rund 15 Prozent der Mütter davon betroffen. Ein grosser Teil dieser Frauen leidet still, da sie nicht wissen, dass sie an einer behandelbaren Krankheit leiden.
Nun stellen Sie Ihre Bilder in einer renommierten Ausstellung aus. Was bedeutet Ihnen das?
Es freut mich, dass ich mit diesem Thema, das mir wirklich sehr am Herzen liegt, ausstellen darf. Ich wünsche mir, dass die Menschen dazu angeregt werden, darüber nachzudenken und darüber zu sprechen. Wie erwähnt leiden viele Frauen daran – und mir hat das Sprechen darüber sehr geholfen. Ich wünsche mir mehr Ehrlichkeit und Akzeptanz dafür, dass nach einer Schwangerschaft die Welt nicht immer in Regenbogen-Farben leuchtet.
Was raten Sie Frauen, die Ähnliches durchmachen?
Ich empfehle jeder Frau, die nach einer Geburt ebenfalls mit Symptomen wie Leere oder Ängsten zu kämpfen hat, sich professionelle Hilfe zu holen. Ich bin dankbar, dass ich Unterstützung in Anspruch genommen habe und meine kleine Familie in vollen Zügen geniessen kann.
Ich habe bereits Rückmeldungen von Frauen erhalten, die meine Bilder an der Ausstellung gesehen haben und sich für meinen Mut bedankt haben. Das ist für mich eine der schönsten Wertschätzungen.
Mehr Bilder von Marlies Thurnheer gibt's hier.