«Die Regierung beantwortete am 31. Oktober 2023 die Einfache Anfrage ‹Solviva zieht Notbremse: Region Flawil wiederum im Abseits› (61.23.38). Die Antworten sind ungenügend und unvollständig. Sie beschönigen die Vorgehensweise zur Übertragung der Spitalliegenschaft in Flawil an die private Firma Solviva Immobilien AG. Der Kanton St.Gallen verkaufte das Spital Flawil für 1,6 Mio. Franken, was dem Wert des Bodens entspricht, an die Solviva Immobilien AG, die ausdrücklich einen Neubau plante.
Solviva zieht erneut die Notbremse
Nach dem Projekt in Appenzell zieht die Solviva Immobilien AG zum zweiten Mal die Notbremse. Auch in Flawil verzichtet sie auf einen Neubau für ein Therapie- und Pflegezentrum. Begründet wird der Verzicht auf einen Neubau mit der aktuellen Situation auf dem Hypotheken- und Finanzmarkt. Die Gemeinde Flawil unterstützte die Lösung eines Neubaus im Hinblick auf das geplante Therapie- und Pflegezentrum, sowie die im Gesetz über die Spitalverbunde vorgesehene und zugesicherte Mitfinanzierung eines Gesundheits- und Notfallzentrums. Ohne Neubau lassen sich die Pläne der bisherigen Partner (das Schweizer Paraplegiker-Zentrum, das Kan tonsspital, das Zentrum für Labormedizin oder die Psychiatrie St.Gallen) viel schwerer oder gar nicht umzusetzen.
Fahrlässig
Die aktuelle Situation hat sich mit dem bedauerlichen Verzicht der Paraplegiker-Stiftung auf die Eröffnung eines Standortes in der Ostschweiz in Flawil weiter zugespitzt. Die Chancen für ein Therapie- und Pflegezentrum auf dem Gelände des Spitals Flawil schwinden. Die Passivität der Regierung bei der Vertretung der Interessen der Gesundheitsversorgung der st.gallischen Bevölkerung ist beängstigend. Die Kaufverträge zwischen der Solviva Immobilien AG und der Spitalanlagegesellschaft KSSG enthalten gemäss der Antwort der Regierung (61.23.38) keine Heimfallregelung oder Rückfallklausel im Falle des Verzichts auf einen Neubau. Das Fehlen einer solchen Klausel betrachten die Interpellantinnen und Interpellanten als fahrlässig beziehungsweise als grob fahrlässig.
Getäuscht worden
Mit dem Verzicht auf den Neubau sind die Vertragspartner Spitalverbund 1 und die Regierung, aber auch die Gemeinde Flawil, die Stiftung Wohn- und Pflegeheim Flawil (WPH) und die bisherigen Partner durch die Solviva Immobilien AG getäuscht worden. Die Solviva Immobilien AG hat für 1,6 Mio. Franken ein intaktes Gebäude gratis erhalten, ohne den versprochenen Neubau umzusetzen. Die Feststellung drängt sich zwingend auf, dass bei Vertragsabschluss durch die Regierung und die Spitalgesellschaft KSSG ein Grundlagenirrtum nach Obligationenrecht (Art. 23 ff.) vorlag. Betroffen durch den Neubauverzicht durch die Solviva Immobilien AG ist auch das WPH. Die geplanten Erneuerungen können bei dieser veränderten Ausgangslage nicht umgesetzt werden.
Fragen an die Regierung
Wir bitten die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Hatte sie oder der zuständige Departementsvorsteher vor dem Entscheid der ParaplegikerStiftung, auf den Standort für die Ostschweiz in Flawil zu verzichten, Kontakt mit dem Stiftungsrat im Sinne der Unterstützung des Projekts? Hatte sie Kenntnis von den Diskussionen im Stiftungsrat und versuchte sie, Einfluss zu nehmen?
2. Warum gab die Regierung ihre Zustimmung zur Abgabe der Gebäulichkeiten, ohne dass diese mit der Umsetzung eines Neubaus und im Falle der Nichtrealisierung mit einem Heimfall verknüpft wurde?
3. Offenbar wurden die Gemeinde Flawil und die Partner durch die Solviva Immobilien AG mit dem Verzicht auf einen Neubau getäuscht. Macht die Regierung vom Grundlagenirrtum gemäss Art. 23 ff. OR Gebrauch?
4. Falls ein Grundlagenirrtum vorliegt, wie gedenkt die Regierung vorzugehen, um die entsprechenden Fristen einzuhalten, damit es auf der Basis der veränderten Ausgangslage zu neuen Verhandlungen kommen kann?
5. Hat die Regierung die finanz- und gesundheitspolitischen Interessen als Vertreterin der st.gallischen Bevölkerung genügend wahrgenommen?
6. In der Botschaft zur Übertragung der Spitalimmobilien (22.15.18) wird der Gebäudewert des Spitals Flawil mit 10,8 Mio. Franken und der Landwert (Schätzung BD) mit 2,7 Mio. Franken aufgeführt. Wer übernimmt die Differenz zum erzielten Ertrag aus dem Verkauf – der Spitalverbund 1 oder der Staat?
7. Gab es weitere Abmachungen zwischen der Regierung und der privaten Firma Solviva AG, die finanzielle oder weitere Verpflichtungen (z.B. bezüglich Spitalliste) für den Kanton St.Gallen hätten nach sich ziehen können?
8. Mitbetroffen von dieser Entwicklung ist die Stiftung WPH. Wie wird diese Institution bei der Wahrung ihrer Interessen gegenüber der Solviva Immobilien AG und dem Schutz ihrer bereits getätigten Investitionen unterstützt?
9. Welche Miete zahlten Bund und Kanton an die Solviva Immobilien AG für die temporäre Nutzung der Spitalliegenschaft als Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine? Welche Investitionen mussten im Vorfeld getätigt werden und wie wurden diese finanziert?
10. Hat die Regierung Kenntnis von einer vorgesehenen Machbarkeitsstudie durch die Solviva Immobilien AG? Nimmt sie aktiv an dieser Studie teil, um sich für eine zufriedenstellende Lösung für die regionale Gesundheitsversorgung und die Bevölkerung einzusetzen?»
Die Mitunterzeichner: Etterlin-Rorschach, Gähwiler-Buchs, Hasler-Balgach, Hauser-Sargans, Helbling-Rapperswil-Jona, Hüppi-Gommiswald, Jans-St.Gallen, Kobler-Gossau, Pappa-St.Gallen, Sailer-Wildhaus-Alt St.Johann, Schmid-St.Gallen, Schöb-Thal, Schulthess-Grabs, Simmler-St.Gallen, Sulzer-Wil, Surber- St.Gallen